Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsbewertung bebauter Grundstücke nach § 146 BewG

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Regelungen des pauschalierten Verfahrens zur Bedarfsbewertung bebauter Grundstücke nach § 146 BewG begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Durch die Regelungen zum Mindestwert gemäß § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG und die Wertbegrenzung auf den nachgewiesenen Verkehrswert nach § 146 Abs. 7 BewG ist ein sachgerechter und nicht willkürlicher Wertansatz gewährleistet. Der Umstand, dass der ermittelte Bedarfswert regelmäßig unter dem Verkehrswert des § 9 BewG liegt, wurde vom Gesetzgeber aufgrund der eingeschränkten Dispositionsfähigkeit über Grundvermögen bewusst in Kauf genommen.

 

Normenkette

BewG § 145 Abs. 3, §§ 146, 145

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.12.2005; Aktenzeichen II R 7/04)

BFH (Urteil vom 14.12.2005; Aktenzeichen II R 7/04)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Bedarfsbewertung für ein bebautes Grundstück gem. § 146 Bewertungsgesetz (BewG).

Durch Vertrag vom 18.11.1996 hat Frau A. der Klägerin (Klin.) das bebaute Grundstück X-Straße in A-Stadt geschenkt. Entsprechend den Angaben der Klin. über die Sollmieteinnahmen des Grundstücks stellte des Finanzamt durch Bescheid vom 02.09.1998 den Grundstückswert zum Schenkungstag auf 400.000 DM fest. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Bescheid vom 02.09.1998 Bezug genommen.

Mit dem Einspruch machte die Klin. geltend, die Bedarfsbewertung bebauter Grundstücke gem. § 146 BewG sei verfassungswidrig. Die pauschalierende Betrachtungsweise mache eine Differenzierung von bebauten Grundstücken unmöglich. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung (EE) vom 18.11.1998 Bezug genommen.

Die Klin. hat Klage erhoben. Sie meint, die Bedarfsbewertung nach § 146 BewG verstoße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung innerhalb der Vermögensart Grundvermögen nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und sei deswegen verfassungswidrig. Nach der dem Gesetz zugrundeliegenden Bundestagsdrucksache sei das Ertragswertverfahren dergestalt ausgerichtet worden, daß im Durchschnitt die Grundstückswerte bebauter Grundstücke ca. 50 % des Kaufpreises erreichten. Der geschätzte Wert der Immobilie betrage laut der notariellen Schenkungsurkunde 420.000 DM. Die vom Gesetzgeber durch das Ertragswertverfahren angepeilte Hälfte des Kaufpreises betrage demnach 210.000 DM. Demgegenüber sei der Ertragswert durch das Finanzamt nach Maßgabe des § 146 BewG auf 400.000 DM festgesetzt worden. Damit werde eine Bemessungsgrundlage von 95,24 v.H. statt 50 v.H. des Kaufpreises erreicht.

Es widerspreche dem Gleichheitssatz, wenn im vorliegenden Fall das vom Gesetzgeber gewollte Ziel mit einer Belastung von 35.700 DM Schenkungsteuer (420.000 DM zu 50 v.H. = 210.000 DM × 17 v.H. Steuersatz) um 28.900 DM Steuermehrbelastung (400.000 DM × 17 v.H. = 64.600 DM) aufgrund von Vereinfachungen bei der Berechnungsmethode abweiche und vorliegend zu nahezu der doppelten Steuerbelastung führe. Die Klin. beruft sich für ihre Auffassung auf Seer, Stuw 1997, 283, 289 f.; Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Auflage 1998, S. 557; Thiel, DB 1997, 64 ff., 66; Wolf, DStR 1997, 349 ff., 350, 352; Viskorf/Glier/Knobel, BewG, 4. Aufl. 1998, § 146 Rn 9. Auch das Finanzgericht Rheinland-Pfalz habe in einem Urteil zur Frage des Altersabschlags bei der Bedarfsbewertung auf die „weitgehend berechtigte Kritik an der Wahl dieser unerprobten methodisch nicht überzeugenden Bewertungsmethode” verwiesen (FG Rheinland-Pfalz vom 28.07.1998, 2 K 3388/97, EFG 1998, 1563).

Um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einzuhalten, hätte der Gesetzgeber sein Ziel des hälftigen Verkehrswertansatzes bei bebauten Grundstücken durch die Ermittlung eines dem Verkehrswert angenäherten Wertes und dessen Halbierung verfassungsrechtlich innerhalb der Vermögensart Grundvermögen unbedenklich verwirklichen können. Alternativ hätte der Gesetzgeber die Öffnungsklausel des § 146 Abs. 7 BewG dergestalt formulieren müssen, daß bei Nachweis des Verkehrswerts derselbe zu 50 v.H. anzusetzen sei.

Die Klin. beantragt,

den Bescheid über Bedarfsbewertung vom 02.09.1998 aufzuheben,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt ist der Auffassung, daß Vorschriften, deren Verfassungsmäßigkeit im Zweifel gezogen würden, solange gültig seien, bis das Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt habe. Der Individualanspruch auf vorläufigen Rechtsschutz hätte nur dann Vorrang vor „dem rechtsstaatlichen Anliegen eines allgemeinen Normenvollzugs”, wenn durch die vorläufige Vollziehung „irreparable Nachteile” drohten. Diese seien im Streitfall aber nicht ersichtlich.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Gesetzgeber ist durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 (2 BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671) aufgeforde...

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