Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Aufhebung der Steuerfestsetzung bei Rückgängigmachung eines nicht fristgerecht angezeigten Erwerbsvorgangs. wirksame Anfechtung eines der in § 1 Abs. 23a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge kein rückwirkendes Ereignis. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 20/23)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Anspruch auf Aufhebung einer Steuerfestsetzung ist ausgeschlossen, wenn ein Erwerbsvorgang im Sinne von § 1 Abs. 2-3a GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird, er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt (§§ 18, 19 GrEStG) worden war.

2. Bei Versäumung der Anzeigefrist scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelmäßig aus.

3. Der Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG, die Beteiligten zur ordnungsgemäßen – insbesondere auch fristgerechten – Anzeigeerstattung anzuhalten, steht einer Verpflichtung der Finanzbehörde zur rückwirkenden Fristverlängerung für die erstmalige Erstattung der Anzeige entgegen.

4. Die wirksame Anfechtung eines der in § 1 Abs. 2-3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge (im Streitfall nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) ermöglicht nach der insoweit zwingenden gesetzlichen Systematik lediglich eine Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG, nicht hingegen dessen Aufhebung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 16 Abs. 2, 5, §§ 18-19; AO §§ 110, 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten, ob das beklagte Finanzamt (FA) den Antrag der Klägerin, einen Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben, zu Recht abgelehnt hat.

Die am 16. November 2019 verstorbene M wurde von ihren beiden Kindern, der Klägerin und ihrem Bruder (B) zu je ½ beerbt. In der Erbmasse befanden sich u.a. Anteile an den grundbesitzenden Firmen A GmbH und B GmbH.

Im Zeitpunkt des Erbfalles waren am Stammkapital der A GmbH sowohl M als auch die Klägerin zu je ½, am Stammkapital der B GmbH M und B zu je 1/2 beteiligt.

Mit notarieller Urkunde zur Teilerbauseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und B, vom 27. Oktober 2020 (der Übertragungsvertrag) erwarb die Klägerin den von M hinterlassenen Geschäftsanteil an der A GmbH, B erwarb den von M hinterlassenen Geschäftsanteil an der B GmbH. Eine Gegenleistung war von den Erwerbern nicht zu erbringen. Soweit die Erwerbe nicht wertgleich waren, sollte der Ausgleich unter den Erben im Rahmen der weiteren Erbauseinandersetzung erfolgen. Unter Ziff. 6. b) „Hinweise” des Vertrages ist Folgendes festgehalten: „Wenn die Gesellschaft Grundbesitz hat oder unmittelbar oder mittelbar an grundstückshaltenden Gesellschaften beteiligt ist, kann Grunderwerbsteuer anfallen. Die Beteiligten geben an, dass die Gesellschaften folgenden Grundbesitz halten: …”

Der dem FA von der beurkundenden Notarin übersandte Übertragungsvertrag ging am 23. November 2020 beim FA ein. Die der Urkunde beiliegende Anzeige des Erwerbsvorgangs durch das Notariat trägt das Datum des 12. November 2020. In der Beiakte des Notariats zur Urkunde vom 27. Oktober 2020 ist als Tag der Versendung an das FA der 16. November 2020 vermerkt.

Mit Schreiben vom 25. November 2020 teilte das FA der Klägerin mit, dass der Erwerbsvorgang vom 27. Oktober 2020 gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegt.

Mit notariell beurkundetem Aufhebungs- und Rückerwerbsvertrag vom 18. Dezember 2020 (der Rückerwerbsvertrag) hoben die Klägerin und B den Übertragungsvertrag auf. In Abschnitt 2 des Vertrages ist festgehalten, dass die Beteiligten im Nachgang zur Beurkundung des Übertragungsvertrages festgestellt hätten, dass die erfolgte Erbauseinandersetzung nicht dem Willen der Erblasserin M entsprochen habe.

Mit Fax vom 21. Dezember 2020 teilte die Klägerin dem FA mit, dass sie und B den Übertragungsvertrag aufgehoben und die Anteile rückerworben hätten. Die Sache habe sich damit erledigt. In der Anlage übersandte sie dem FA den Rückerwerbsvertrag.

Der dem FA von der beurkundenden Notarin übersandte Rückerwerbsvertrag ging am 4. Januar 2021 beim FA ein. Ausweislich der Beiakte zum Rückerwerbsvertrag wurde dieser am 22. Dezember 2020 vom Notariat versandt. Die der Urkunde beiliegende Anzeige des Rückerwerbsvertrages durch das Notariat trägt das Datum des 21. Dezember 2020.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2021 teilte das FA der Klägerin mit, dass von einer Festsetzung der Grunderwerbsteuer nicht gem. § 16 Abs. 2 GrEStG abgesehen werden könne, weil der Erwerbsvorgang nicht, wie von § 16 Abs. 5 GrEStG gefordert, dem FA fristgerecht angezeigt worden sei. Die Klägerin habe den Erwerbsvorgang nicht, die beurkundende Notarin erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist des § 18 Abs. 3 GrEStG dem FA angezeigt.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2021, eingegangen beim FA am 12. Februar 2021, beantragte die beurkundende Notarin die Wiedereinsetzung ...

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