Entscheidungsstichwort (Thema)

„Halber” Kinderfreibetrag bei Unterhaltszahlung ins Ausland für Kind aus früherer Ehe ohne Anrechnung des ausländischen Kindergelds auf die Höhe der Unterhaltszahlungen. Kinderfreibetrag bei geschiedener Ehe für im Ausland lebendes Kind, wenn ausländische Rechtsordnung eine dem § 1612 b BGB bzw. § 1615 g BGB entsprechende Vorschrift nicht kennt.. Einkommensteuer 1998

 

Leitsatz (amtlich)

Leistet der Vater für seine aus einer früheren Ehe stammende, bei der Mutter im Ausland lebende Tochter Unterhalt und erhält die Mutter nach dem maßgeblichen ausländischen Recht eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung, die nach der ausländischen Rechtsordnung nicht (entsprechend § 1612b bzw. § 1615g BGB) auf die Unterhaltszahlungen des Vaters angerechnet wird, so steht dem Vater bei verfassungskonformer Auslegung der Kinderfreibetrag in einfacher Höhe (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG) zu (Anschluss an Urteil des FG Schleswig Holstein vom 26.6.2001, EFG 2002, 102).

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 6 Sätze 1, 3 Nr. 1, § 31 S. 5; BGB §§ 1612b, 1615g; EStG § 36 Abs. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.03.2003; Aktenzeichen VIII R 95/02)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 22. Februar 1999 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. September 1999 wird die Einkommensteuer für 1998 auf 14.156 DM (= 7.237 EUR) festgesetzt.

2. Die Kosten werden den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob dem Kläger für seine in Österreich wohnhafte minderjährige Tochter eine steuerliche Entlastung zusteht.

Der Kläger wird mit seiner Ehefrau … zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die aus der früheren, geschiedenen Ehe des Klägers mit … stammende Tochter M., geboren … 1994, wohnt bei ihrer Mutter in …/Österreich. Der Kläger leistete für seine Tochter M. Unterhalt in Höhe von monatlich 763,20 DM und ab Oktober 1998 in Höhe von 776,38 DM. Die Mutter von M. bezieht nach österreichischem Recht Familienbeihilfe von monatlich umgerechnet 220 DM. Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte es ab, dem Kläger den Kinderfreibetrag für seine Tochter M. zu gewähren. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16. September 1999).

Der Kläger begründet seine Klage im Wesentlichen wie folgt: Eine Anrechnung der österreichischen Familienbeihilfe auf die Unterhaltszahlungen (entsprechend § 1615 g Bürgerliches Gesetzbuch –BGB– bzw. ab 1. Juli 1998 § 1612 b BGB) gebe es nach österreichischem Unterhaltsrecht nicht. Dies führe dazu, dass der Kläger für seine Unterhaltszahlungen weder unterhaltsrechtlich noch steuerrechtlich entlastet werde. Da die steuerliche Entlastung vorgeschrieben sei (§ 31 EinkommensteuergesetzEStG –), verstoße die nicht gewährte steuerliche Entlastung gegen Art. 3 und Art. 6 Grundgesetz – GG – sowie gegen das Diskriminierungsverbot des EG-Rechts. Dem Kläger sei die steuerliche Entlastung nach § 33 a Abs. 1 EStG in Höhe des Kinderfreibetrags (6.912 DM) zu gewähren, da die österreichische Familienbeihilfe dem Kindergeld nach deutschem Recht nicht entspreche.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. September 1999 und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 22. Februar 1999 die Einkommensteuer für 1998 auf 13.108 DM festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die Unterhaltszahlung nach Österreich den Grundsatz des § 31 EStG nicht berühre mit der Folge, dass bei Gewährung von Kindergeld bzw. der österreichischen Familienbeihilfe eine weitere steuerliche Entlastung nicht möglich sei.

Die Entscheidung ergeht mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den konsentierten Einzelrichter (§ 79 a Abs. 3 und Abs. 4 und § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist teilweise begründet.

Dem Kläger steht der Kinderfreibetrag gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG in Höhe von 3.456 DM zu.

Ein Kind, das im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandt ist und das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird steuerlich berücksichtigt (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG). Für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen wird ein Kinderfreibetrag von 288 DM für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen vorgelegen haben, bei der Veranlagung zur Einkommensteuer vom Einkommen abgezogen (§ 32 Abs. 6 Satz 1 EStG). Ein Kinderfreibetrag von 576 DM monatlich wird abgezogen, wenn der andere Elternteil u. a. nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist (§ 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG). Für ein nicht nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG unbeschränkt ei...

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