Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch bei Fortsetzung der Berufsausbildung durch ergänzendes Studium

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Berufsausbildung wird nach Abschluss des Studiums fortgesetzt, wenn sich ein ergänzendes Studium, ein Zweitstudium oder ein nach der maßgebenden Ausbildungs- und Prüfungsordnung vorgeschriebenes Dienstverhältnis oder Praktikum anschließt.

2. Ergänzendes Studium in diesem Sinne ist nicht nur ein Aufbaustudium mit eigenem Studiengang, sondern auch die Belegung weiterer Semester im geprüften Fach zur Vertiefung vorhandener und Aneignung weiterer berufsspezifischer Kenntnisse, auch wenn diese Ausbildungsmaßnahmen nicht in der Studienordnung vorgeschrieben sind.

 

Normenkette

EStG 2002 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.02.2010; Aktenzeichen III R 80/08)

BFH (Urteil vom 24.02.2010; Aktenzeichen III R 80/08)

 

Tenor

1. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 07. März 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 28. März 2006 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger erhielt für seinen 1981 geborenen Sohn L während dessen Maschinenbaustudiums weiterhin Kindergeld. Er legte dazu Immatrikulationsbescheinigungen bis Wintersemester 2005/06 vor. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2005 teilte er mit, dass der Sohn „zum 31.01.2005” – gemeint ist offensichtlich 31. Dezember 2005 – sein Studium beenden und ab 1. Januar 2006 ein Arbeitsverhältnis aufnehmen werde; die Diplomurkunde 27. April 2005 und den Anstellungsvertrag reichte er nach. Auf den Hinweis des Beklagten (der Familienkasse), er habe möglicherweise von Mai 2005 bis Dezember 2005 zu Unrecht Kindergeld erhalten, führte er mit Schreiben vom 7. Februar 2006 ergänzend aus, der Sohn habe die Diplomurkunde im April 2005 erhalten, sei aber zur Weiterbildung immatrikuliert geblieben, weil er nicht gleich eine Anstellung gefunden habe. Die Familienkasse hob jedoch die Kindergeldfestsetzung ab Mai 2005 auf und forderte das für Mai bis Dezember 2005 gezahlte Kindergeld i.H.v. 1.232 EUR zurück.

Zur Begründung der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Sohn habe im Juni 2005 (nicht im April 2005) seine Diplomurkunde erhalten. Sein schon vorher begonnenes Bemühen um eine Stelle als Maschinenbauingenieur sei erst Ende Dezember erfolgreich gewesen. In der Zwischenzeit habe er von den potentiellen Arbeitgebern erwartete, über die normalen Fächer hinausgehende Kenntnisse wie CAD und Grundkenntnisse in Wirtschaftsfächern (Wirtschaftlichkeitsrechnung, Investitionsrechnung) erworben, die – wie die vorgelegten Bestätigungen zeigten – zu seiner Anstellung zum 1. Januar 2006 beigetragen hätten. Nach der Rechtsprechung sei nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass mit dem erfolgreichen Studienabschluss als Mindestvoraussetzung für den angestrebten Beruf die Berufsausbildung abgeschlossen sei; sie könne auch Maßnahmen außerhalb eines fest umrissenen Bildungsgangs umfassen. Weitere Qualifizierungsmaßnahmen während der Bewerbungsphase nach der Prüfung verbesserten die beruflichen Chancen, während Lücken im Lebenslauf schadeten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 7. März 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 28. März 2006 aufzuheben.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beharrt auf der Auffassung, dass der Sohn bereits im April 2005 schriftlich vom Prüfungsergebnis unterrichtet worden sei und damit seine Ausbildung beendet habe. Ein Aufbau- oder Ergänzungsstudium sei nur zu berücksichtigen wenn es zu einer zusätzlichen beruflichen Qualifikation führe und – anders als hier – mit einer Prüfung abgeschlossen werde. Das vom Kläger angeführte Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Juli 2005 6 K 2422/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2005, 1544) betreffe einen vom vorliegenden Sachverhalt abweichenden Einzelfall. Eine freie Selbstausbildung sei keine Berufsausbildung.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 28. März 2006 und die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) hatte der Kläger auch für die Zeit von Mai bis Dezember 2005 Anspruch auf Kindergeld, weil sein Sohn L seine Berufsausbildung bis in den Dezember hinein fortsetzte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Ber...

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