rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Für Erstattung der ohne Rechtsgrundlage in der ehemaligen DDR erhobenen Getreide-Mitverantwortungsabgabe anzuwendendes Recht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der in der ehemaligen DDR für Getreidelieferungen im 2. Halbjahr 1990 bis zum Beitritt - nach dem BFH-Urteil vom 4.7.1996 VII R 32/95, BFH/NV 1997, 317 ohne Rechtsgrundlage - erhobenen Getreide-Mitverabtwortungsabgabe richtet sich nach § 37 Abs.2 AO 1977 (§ 12 Abs.1 MOG) und nicht nach der AO DDR oder den zivilrechtlichen Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB).

2. Der dem Grund nach bestehende Erstattungsanspruch kann aber, wenn die Mitverantwortungsabgabe durch Bescheid oder eine - einem Bescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehende - Steueranmeldung festgesetzt worden ist, nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Steuerbescheid nach formellem Recht (AO 1977) aufgehoben oder geändert werden kann, wenn also fristgerecht Einspruch eingelegt wurde oder eine Änderung nach § 164 Abs.2 AO 1977 möglich ist und zudem keine Festsetzungs- bzw. Zahlungsverjährung eingetreten ist.

3. Bescheide, in denen in der ehemaligen DDR 1990/1991 Getreide-Mitverantwortungsabgabe festgesetzt wurde, sind trotz ihrer materiellen Fehlerhaftigkeit nicht unwirksam oder nichtig (vgl. Rechtsprechung zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts).

4. Zur Entstehung und Zahlungsverjährung der Getreide-Mitverantwortungsabgabe, wenn die Festsetzung entgegen der Auffassung des entscheidenden Senats doch unwirksam und nichtig gewesen sein sollte.

 

Normenkette

Getreideverordnung § 4; Getreide-Mitverantwortungsverordnung; GetrMVAV § 32; Marktorganisationsgesetz der DDR; MOG § 12 Abs. 1; AO 1977 § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2 S. 1; AO DDR; BGB § 812; AO 1977 § 164 Abs. 2, §§ 168, 124 Abs. 3, § 125 Abs. 1, § § 228 ff., §§ 229, 38; AO § 220 Abs. 2 S. 1; AO 1977 §§ 169, 164 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.02.2002; Aktenzeichen VII R 33/01)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Getreide-Mitverantwortungsabgaben für Getreidelieferungen in der Zeit vom 01. Juli bis zum 02. Oktober 1990. Sie ist durch Umwandlung aus der LPG Tier- und Pflanzenproduktion … hervorgegangen, die ihrerseits durch einen Zusammenschluß der LPG Pflanzenproduktion … [künftig: LPG …] mit der LPG Tierproduktion … entstanden war.

Im Zusammenhang mit der Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zum 01. Juli 1990 beschloß die Volkskammer der DDR am 06. Juli 1990 ein Gesetz über die Ein- und Durchführung von Marktorganisationen für land- und ernährungswirtschaftliche Erzeugnisse – Marktorganisationsgesetz – [MOG-DDR]. Aufgrund einer in § 6 dieses Gesetzes enthaltenen Verordnungsermächtigung erließ der Ministerrat der DDR ebenfalls am 06. Juli 1990 eine Durchführungsverordnung über die Marktorganisation für Getreide – Getreide Verordnung –. Diese Verordnung regelte in § 4 die Erhebung einer Mitverantwortungsabgabe und enthielt eine Ermächtigung, durch Verfügung die Höhe, das Verfahren der Erhebung sowie Befreiungsvoraussetzungen zu regeln. Auf dieser Grundlage erließ das Ministerium für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft am 27. September 1990 die Verfügung über die Höhe und das Verfahren bei der Erhebung der Getreidemitverantwortungsabgabe (Mitverantwortungsabgabe-Verfügung). Sie erklärte rückwirkend ab 01. Juli 1990 die Verordnung über die Erhebung einer Mitverantwortungsabgabe der Bundesrepublik Deutschland i. d. F. der Bekanntmachung vom 11. September 1986 und die Verordnung über das Verfahren bei der Mitverantwortungsabgabe im Sektor Getreide i. d. F. der Bekanntmachung vom 24. Januar 1990 für das Gebiet der DDR für sinngemäß anwendbar. Diese Verfügung ist bis zum 03. Oktober 1990 nicht mehr amtlich veröffentlicht worden.

Im Bundesanzeiger vom 15. November 1990 veröffentlichte der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Bekanntmachung der Verordnung über die Durchführung der Erhebung der Getreidemitverantwortungsabgabe im Beitrittsgebiet vom 09. November 1990. Unter Nr. 1 wurde die Erhebung der bis zum 02. Oktober 1990 entstandenen Getreidemitverantwortungsabgabe auf die Mitverantwortungsabgabe-Verfügung vom 27. September 1990 gestützt. Die Bekanntmachung referierte den Inhalt der Verfügung und regelte Einzelheiten des Erhebungsverfahrens.

Das Hauptzollamt … teilte der LPG … mit Schreiben vom 21. Dezember 1990 mit, daß Getreide-Mitverantwortungsabgaben in den neuen Bundesländern im Wirtschaftsjahr 1990/1991 auch für den Zeitraum vom 01. Juli bis zum 02. Oktober 1990 in Höhe von 18,02 DM je Tonne zu erheben seien. Die Abgaben seien unverzüglich dem zuständigen Hauptzollamt anzumelden und zu zahlen. Falls Getreide an einen Getreideverkäufer mit Geschäftssitz in den neuen Bundesländern geliefert worden sei, sei von diesem die Mitverantwortungsabgabe vom Verkaufspreis bereits einbehalten worden. Die Anmeldungen seien vierteljährlich bei dem zuständigen Haup...

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