rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeld für behindertes Kind, das dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein behindertes Kind, das über die Arbeitsverwaltung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, ist nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten. Die Höhe der erzielbaren Arbeitslöhne spielt für die Beurteilung keine Rolle.

 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1, 1 S. 2, §§ 32, 32 Abs. 4, 4 Nr. 3, § 63

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger für das Kind M. (geboren am …1978) Kindergeld zusteht.

Für M., der … ist, wurden folgende Grade der Behinderung festgestellt:

08.09.1980 bis 27.06.1983

GdB 80 mit Merkzeichen G

28.06.1983 bis 06.12.1995

GdB 100 mit Merkzeichen G, B, RF und H

07.12.1995 bis 19.08.1999

GdB 100 mit Merkzeichen RF und H

20.08.1999 bis 31.08.2004

GdB 100 mit Merkzeichen RF

Nach dem Besuch der … Schule … besuchte M. die Berufsschule. Ab 01.09.1996 befand er sich im Qualifizierungslehrgang zur Erlangung arbeitsmarktorientierter Grundfertigkeiten beim Bildungszentrum …. Diesen beendete er im Juli 1998. Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt M. nicht.

Vom 5. August 1999 bis zum 31. Dezember 2002 stand M. in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.

Im Jahr 2002 erzielte M. einen Bruttoarbeitslohn von 6.650,– EUR bei einem Antiquitätenaufbereiter. Seit 1. Januar 2003 ist er arbeitslos und bezieht Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe (in 2003 ca. 50 EUR/wöchentlich). Er hat gegenüber der Arbeitsverwaltung erklärt, dass er für eine Vollzeitbeschäftigung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Die Arbeitsverwaltung hat als mögliche Tätigkeit „Hilfsarbeiter (Lager, Transport)” erfasst.

Über eigenes Vermögen verfügt M. nicht.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24. September 2003 den Antrag des Klägers vom 6. August 2003 auf Festsetzung von Kindergeld ab. Zur Begründung führte er aus, dass M. in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2003).

Mit der Klage trägt der Kläger vor:

M. sei nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Zwar habe er gegenüber der Arbeitsverwaltung erklärt, er stehe für eine Vollzeittätigkeit zur Verfügung. Das Kind könne aber nicht solch eine Vollzeittätigkeit ausüben, dass damit sein Lebensbedarf gedeckt werde. Dieser betrage 7.188,– EUR zuzüglich des behinderungsbedingten Mehrbedarfs in Höhe von 1.420,– EUR, insgesamt also 8.608,– EUR. Wie die Erzielung eines Bruttoarbeitslohns in Höhe von nur 6.650,– EUR im Kalenderjahr 2002 zeige, sei M. aufgrund der Behinderung nicht in der Lage, eine Beschäftigung auszuüben, die seinen Lebensbedarf decke. Es werde bestritten, dass – unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes – ein existenzsicherndes Einkommen erzielt werden könne.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 24. September 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2003 den Beklagten zu verpflichten, ihm für das Kind M. ab dem 1. Januar 2002 Kindergeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.

Die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für das Kind M. ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten, vgl. § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO–.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Nr. 3 des EinkommensteuergesetzesEStG – wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. M. ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht wegen seiner Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten.

Nach den einschlägigen Verwaltungsanweisungen kann die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt grundsätzlich angenommen werden, wenn im Schwerbehindertenausweis oder im Feststellungsbescheid das Merkmal „H” (hilflos) eingetragen ist oder der Grad der Behinderung

50 v.H. oder mehr beträgt und besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint. Bei diesen Regelungen handelt es sich nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 26. August 2003 VIII R 58/99, BFH/NV 2004, 326, 327), der sich der erkennende Senat anschließt, um eine im Interesse der Rechtsanwendungsgleichheit vorgenommene Konkretisierung des Grundsatzes, dass die Frage, ob die Behinderung ursächlich für das Außerstandesein des Kindes zum Selbstunterhalt ist, nach den Gesamtumständen des Einzelfalles zu beurteilen ist.

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist nicht die Behinderung, sondern die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt ursächlich für das Außerstandesein eines Kindes zum Selbstunterhalt, wenn das Kind dem Arbeitsmarkt für eine Vollzeittätigkeit zur Verfügung steht und auch aufgrund früherer sozia...

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