Leitsatz

Für ein behindertes, über 18 Jahre altes Kind wird Kindergeld gezahlt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt setzt voraus, dass im Schwerbehindertenausweis das Merkmal "H" (hilflos) eingetragen ist oder der Grad der Behinderung 50 v.H. oder mehr beträgt und besondere Umstände hinzutreten, nach denen eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint. Das FG Köln entschied jetzt, das Außerstandesein eines behinderten Kindes zum Selbstunterhalt beruhe nicht auf der Behinderung, sondern auf der allgemeinen Lage des Arbeitsmarktes, wenn das Kind dem Arbeitsmarkt für eine Vollzeittätigkeit zur Verfügung stehe.

 

Sachverhalt

Das 25-jährige Kind war zu 100 v.H. erwerbsgemindert, ohne dass Hilflosigkeit bescheinigt war. Es besaß keine abgeschlossene Berufsausbildung, hatte aber in einem Bildungszentrum einen Qualifizierungslehrgang zur Erlangung arbeitsmarktorientierter Grundfertigkeiten teilgenommen. Nach einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wurde das Kind arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe in Höhe von 50 EUR wöchentlich. Gegenüber der Arbeitsverwaltung hatte es sich für eine Vollzeitbeschäftigung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. Als mögliche Tätigkeit kam nach Ansicht der Arbeitsverwaltung eine Beschäftigung als Hilfsarbeiter im Lager oder im Transport in Betracht. Der Antrag auf Festsetzung von Kindergeld wurde abgelehnt.

 

Entscheidung

Das FG entschied, das behinderte Kind sei zwar außerstande, sich selbst zu unterhalten, doch dieses Unvermögen werde nicht durch die Behinderung verursacht. Vielmehr liege es an der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt, dass das Kind nicht vermittelt werden könne; schließlich gebe es auch für nichtbehinderte Personen kaum noch Einfacharbeitsplätze. Das behinderte Kind sei nicht hilflos, und es lägen keine besonderen Umstände vor, die eine Erwerbstätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt ausschlössen. Schließlich stehe es als Vollzeitarbeitskraft für die Tätigkeit eines Hilfsarbeiters zur Verfügung.

Das FG geht sogar so weit, dass sich jeder, der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe, stets selbst unterhalten könne, denn neben dem Arbeitslosengeld bzw. der Arbeitslosenhilfe werde ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt vom Sozialamt gezahlt. Diese typisierende Betrachtung sei deshalb geboten, weil das Gericht nicht nachprüfen könne, ob das von einer schwer behinderten Person erzielte Arbeitsentgelt wegen der Behinderung oder wegen der allgemeinen Arbeitsmarktlage unter dem Existenzminimum liege. Deshalb komme es auf die Höhe der Arbeitslöhne, die das behinderte Kind erzielen kann, nicht an.

 

Hinweis

Die Einlegung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde vom FG Köln zugelassen.

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil vom 25.06.2004, 10 K 6286/03

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