Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Kapitalertragsteuer, Ergänzung von Ermessenserwägungen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Geschäftsführer handelt grob fahrlässig, wenn er bei einer angespannten finanziellen Lage der GmbH eine Gewinnauszahlung vornimmt, ohne im Zeitpunkt der Auszahlung sicherzustellen, dass ausreichende Mittel für die Abführung der KESt zur Verfügung stehen.

Der Beklagte hat sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgenutzt, wenn er verkennt, dass neben der Haftung der Geschäftsführer die Gesellschafter und insbesondere auch die geschäftsführenden Gesellschafter nach § 44 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 EStG in Anspruch genommen werden können.

Ergänzung von Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren.

 

Normenkette

AO §§ 34, 69, 191 Abs. 1; EStG § 44 Abs. 5 S. 2 Nr. 2; FGO § 102 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für nicht abgeführte Kapitalertragsteuer (KESt) und Solidaritätszuschlag (SolZ) zur KESt für eine Gewinnausschüttung der F GmbH i.K. (F).

Die F wurde im November 1990 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war die Entwicklung und der Vertrieb von Computer unterstützenden Arbeitsgeräten im Bereich Audio- und Videotechnik. An der Gesellschaft waren beteiligt die G GmbH (G) mit einem Geschäftsanteil von 296.000 DM (74 %), Herr B und Herr A jeweils mit einem Geschäftsanteil von 46.400 DM (11,6%) und Herr C mit einem Geschäftsanteil von 11.200 DM (2,8%). Der Kläger war seit September 1994 Geschäftsführer der F. Neben ihm waren in dem betroffenen Zeitraum Herr A und Herr B Geschäftsführer der F.

Laut § 1 "Aufgabenbereich" des Geschäftsführervertrags des Klägers vom 06.09.1994 konnte er die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer vertreten. Er sollte insbesondere für den Geschäftsbereich Vertrieb zuständig sein. Unter § 6 "Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis" waren keine weiteren Konkretisierungen oder Ergänzungen geregelt. Nach § 8 des Vertrages bedürfen Änderung oder Ergänzungen des Vertrages der Schriftform. Kein Vertragspartner könne sich auf eine vom Vertrag abweichende tatsächliche Übung berufen, solange die Abweichung nicht schriftlich festgehalten worden sei.

Die F hatte in 1995 einen Jahresüberschuss in Höhe von 587.429 DM erzielt. Aus Vorjahren bestand am 31.12.1995 ein Gewinnvortrag in Höhe von 418.387 DM. Auf der Gesellschafterversammlung am 19.03.1996, auf der der Kläger als Geschäftsführer anwesend war, beschlossen die Gesellschafter eine Gewinnausschüttung in Höhe von insgesamt 980.000 DM zum 15.04.1996. Mit Gesellschafterbeschluss vom 10.04.1996 wurde die Gewinnausschüttung auf den 18.06.1996 verschoben.

Mit einem Schreiben vom 18.06.1996 luden die geschäftsführenden Gesellschafter B und A zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung ein, die sich mit den gravierenden finanziellen Problemen der F sowie zu ergreifenden Maßnahmen zur Vermeidung einer Konkursantragspflicht beschäftigen sollte.

Nachdem die F zunächst eine KESt-Anmeldung für April 1996 abgegeben hatte, meldete sie am 21.06.1996 geändert KESt für Juli 1996 auf die Gewinnausschüttung in Höhe von 245.000 DM und SolZ in Höhe von 18.375 DM an. Die Gewinnauszahlung erfolgte am 18.06.1996, die angemeldete KESt und der SolZ wurden nicht an das Finanzamt abgeführt. Durch Umbuchung wurde im September 1996 ein Betrag von 1.927,90 DM getilgt. Den Gesellschaftern sind für die Abführung der KESt Steuerbescheinigungen erteilt worden.

Im September 1996 wurde Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der F gestellt und mit Beschluss des Amtsgerichts ist am 08.01.1997 das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Konkursverwalter forderte von den Gesellschaftern den ausgeschütteten Betrag abzüglich der KESt gemäß §§ 30, 31 GmbH-Gesetz zurück. Die Rückerstattung der Gewinnausschüttung ist durch die Gesellschafter bisher nicht erfolgt. Eine gegen A als Musterverfahren angestrengte Klage des Konkursverwalters ist in der zweiten Instanz beim Hanseatischen Oberlandesgericht anhängig.

Mit Haftungsbescheid vom 25.02.1997 nahm das damals zuständige Finanzamt für Körperschaften Hamburg-... den Kläger gemäß §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO) als Geschäftsführer der F für nicht abgeführte KESt in Höhe von 243.072,10 DM und Solidaritätszuschlag zur KESt in Höhe von 18.375 DM sowie Säumniszuschläge in Anspruch (insgesamt 279.758,10 DM). Im Dezember 1996 hatte es bereits gegen die weiteren Geschäftsführer B und A Haftungsbescheide in gleicher Höhe erlassen.

Mit Bescheid vom 24.03.1997 forderte das Finanzamt für Körperschaften Hamburg-... von der G KESt und SolZ in Höhe von insgesamt 194.897,50 DM gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hinsichtlich des auf sie entfallenden Ausschüttungsbetrages von 725.200 DM nach. Der dagegen erhobene Einspruch ist bei dem Beklagten noch anhängig; das Verfahren ruht im Hinblick auf den Ausgang der gerichtlichen Verfahren gegen die Haftungsbescheide. Ebenfalls erließ der Beklagte ...

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