Entscheidungsstichwort (Thema)

Finanzgerichtsordnung / Erbschaftsteuergesetz / Bewertungsgesetz

 

Leitsatz (amtlich)

Für ein Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Vorfrage ist die Entscheidungserheblichkeit nach dem vorherigen Sach- und Streitstand und dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auch dann zu bejahen, wenn eine anderweitige spätere Möglichkeit zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht auszuschließen ist, aber die Beantwortung der vorgezogenen Frage bei prozessökonomischer Prüfungsfolge Vorrang genießt.

Der während des Verfahrens der Anfechtungsklage gestellte Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO), wegen eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) oder wegen Neubewertung des Schenkungserwerbs (§ 14 Abs. 2 BewG) richtet sich an das Finanzamt und ist ohne Verpflichtungsklageantrag und Verpflichtungsbegehren-Vorverfahren im bisherigen Anfechtungsklageverfahren nicht zulässig. II. Bei einer Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sind die Grundschuldverbindlichkeiten trotz Schuldbeitritt oder -übernahme des Beschenkten nicht vom Schenkungserwerb abzuziehen, solange der schenkende Nießbraucher sich zur Verzinsung und Tilgung verpflichtet oder diese tatsächlich leistet.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BewG § 5 Abs. 2, §§ 6, 8, 14 Abs. 2; BGB §§ 158, 163, 1047, 1061; FGO §§ 40, 44, 67, 73, 99 Abs. 2, §§ 100-101, 143; ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 1.

 

Tatbestand

Im vorliegenden Zwischenurteil geht es um die Frage, ob bei einer Grundstücksschenkung unter Vorbehalt des Nießbrauchs auf Lebenszeit der Beschenkte mitübernommene Grundstücksverbindlichkeiten von der Bemessungsgrundlage der Schenkungsteuer abziehen kann, wenn die Grundstücksverbindlichkeiten weiter vom Schenker aus dem Nießbrauch verzinst und getilgt werden.

I.

Der Kläger (vormalige Kläger zu 2) und sein Bruder erhielten von ihrem Vater (dem vormaligen Kläger zu 1) durch notarielle Überlassungsverträge vom ... 1995 Grundstückseigentum geschenkt, wobei sich der im ... 1914 geborene (d.h. 81-jährige) Vater den lebenslangen Nießbrauch vorbehielt (Schenkungssteuer-Akte --SchenkSt-A-- Bl. 3, 10). Der zweite Überlassungsvertrag betrifft das größere Grundstück, das dem Kläger und seinem Bruder in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu je 50 % überlassen wurde (SchenkSt-A Bl. 11). Als Tag der Übergabe und Verrechnung wurde der 1. Oktober 1995 vereinbart (SchenkSt-A Bl. 6, 13).

Nach § 2 Abs. 2 der Überlassungsverträge blieb der Überlasser bzw. Nießbraucher verpflichtet, sämtliche auf dem jeweiligen Vertragsgegenstand ruhenden privaten Lasten und Aufwendungen zu tragen; ebenso nach § 3 der Überlassungsverträge die Nießbraucher-Aufwendungen gemäß § 1047 Bürgerliches Gesetzbuch --BGB-- (SchenkSt-A Bl. 4 f, 11 f), das heißt diejenigen privatrechtlichen Lasten, welche zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs jeweils auf der Sache ruhten.

Laut Überlassungsvertrag lastete auf dem größeren Grundstück zum Zeitpunkt der Schenkung noch eine Grundschuld in Höhe von nominell 400.000 DM. Deren Kapitalstand hatte per Ende 1995 noch rd. 334 TDM betragen (SchenkSt-A Bl. 77). Laut Überlassungsvertrag soll sie bei dessen Abschluss mit ca. 360 TDM valutiert haben (SchenkSt-A Bl. 13, ferner Bl. 77, 78). Am 31. Mai 1999 betrug die Darlehensschuld noch knapp 286 TDM (Finanzgerichts-Akte --FG-A-- Bl. 33).

II.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) nahm den Kläger mit Schenkungssteuerbescheid vom 23. Januar 1998 in Anspruch (SchenkSt-A Bl. 31, 32, 33). Seinerzeit noch von 140 % des Einheitswerts ausgehend (510.200 x 1,4 = 714.280,50 DM), zog das FA von dem zugrunde gelegten Grundstückswert (je Sohn 50 % = 357.140 DM) die mit der Grundschuld gesicherten Verbindlichkeiten nicht ab.

Das FA berechnete den Wert des Nießbrauchs ausgehend von dem Lebensalter des Schenkers von 81 Jahren gemäß § 14 Bewertungsgesetz (i.d.F. des Streitjahrs --BewG--) i.V.m. BewG Anlage 9 (Jahreswert vervielfältigt mit 4,456) und stundete den auf den Nießbrauch entfallenden Teil der Schenkungsteuer gemäß § 25 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (i.d.F. des Streitjahrs --ErbStG--).

Am 3. Februar 1998 legte der Kläger Einspruch ein. Bei der Beurkundung des Schenkungsvertrags habe der Notar den Willen der Vertragsparteien missverstanden (SchenkSt-A Bl. 34).

III.

Am 5. März 1999 ließen die Vertragsparteien zu § 2 des Überlassungsvertrages vom 14. Oktober 1995 betreffend das größere Grundstück folgendes beurkunden (SchenkSt-A Bl. 47):

"... In diesem Vertrag wurde unter § 2 vereinbart, dass es hinsichtlich der im Grundbuch eingetragenen Belastungen bei den bisherigen Schuldverhältnissen verbleiben soll.

Die Parteien erklären, dass dies nicht gewollt war. Die eingetragenen Belastungen sollten vom Erwerber übernommen werden. Insofern wird § 2 des Vertrages geändert:

Die Erschienenen zu 2. und 3. [Söhne bzw. Kläger] treten per Verrechnungstag in di...

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