vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 8/22 )]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuer; Kapitalwert eines Nießbrauchsrechts – Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zinssatzes bei der Ermittlung des Vervielfältigers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der bei der der Ermittlung des Vervielfältigers zur Berechnung des Kapitalwerts eines Nießbrauchsrechts gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG anzuwendende Zinssatz von 5,5 % genügte im Jahr 2016 den gleichheitsrechtlichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG.

2. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit dieses Zinssatzes könnte sich im Übrigen nach der insoweit übertragbaren Rechtsprechung des BVerfG zu § 238 Abs. 1 Satz 1 AO allenfalls auf Besteuerungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2018 auswirken.

 

Normenkette

BewG § 14 Abs. 1 S. 3; AO § 238 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Erblasserin A und ihr Ehemann, der Zeuge Dr. B , übertrugen als Miteigentümer zu 1/2 mit notarieller Urkunde vom 22. Juni 2016 jeweils einen 1/4-Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung und zwei Tiefgaragenstellplätzen in der ...Straße 01 , Z-Stadt (Bl. 2336 des Grundbuchs von Z-Stadt , Amtsgericht Z-Stadt ), auf den Kläger. Die Erblasserin und der Zeuge Dr. B behielten sich als Gesamtberechtigte, “der Überlebende ungeschmälert“, einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Der Nießbraucher sollte alle Lasten tragen. Der Nießbrauch an dem 1/2-Miteigentumsanteil des Klägers wurde in das Grundbuch eingetragen.

Die Erblasserin verstarb am 16. Juli 2016. Sie wurde von ihrem Ehemann, dem Zeugen Dr. B , zu 1/2 und von ihren beiden Kindern, dem Kläger und seiner Schwester, zu je 1/4 beerbt. Zum Nachlass gehörten neben Guthaben auf Bankkonten Beteiligungen an folgenden geschlossenen Fonds: … (Fond 01), … ( Fond 02 ),…( Fond 03 ) und … ( Fond 04 ). Daneben war die Erblasserin zu 1/2 Miteigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Straße 02 in Y-Stadt , das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnte. Ferner war sie zu einem Anteil von 1/2 Miteigentümerin einer in Y-Stadt belegenen Eigentumswohnung ( Straße 03 ) sowie zu einem Anteil von 1/4 Miteigentümerin der Eigentumswohnung in der ...Straße 01 in Z-Stadt.

Das beklagte Finanzamt forderte den Kläger mit Schreiben vom 5. Juli 2017 zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung mit Fristsetzung bis zum 7. August 2017 auf. Da der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, schätzte das beklagte Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Bescheid vom 10. Oktober 2017 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung 34.400 € Erbschaftsteuer sowie einen Verspätungszuschlag von 1.740 € fest.

Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Er reichte am 10. November 2017 eine Erbschaftsteuererklärung ein.

Das beklagte Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 20. September 2018 auf 30.767 € und den Verspätungszuschlag auf 1.530 € neu fest. Es teilte dem Kläger mit Schreiben vom 21. November 2018 mit, der Verspätungszuschlag bewege sich mit etwa 4 % der festgesetzten Steuer im unteren Bereich des Ermessensspielraums. Eine weitergehende Herabsetzung komme nicht in Betracht. Den Schwierigkeiten bei der Erstellung der Steuererklärung sei bereits durch die Einräumung entsprechender Fristen Rechnung getragen worden. Dass der Kläger einzelne Fragen nicht habe beantworten können, rechtfertige die Nichtabgabe der Erklärung nicht.

Das beklagte Finanzamt setzte mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 die Erbschaftsteuer auf 36.800 € und den Verspätungszuschlag auf 1.530 € fest. Es schätzte die Werte der Fondsbeteiligungen auf Grund von Internetrecherchen sowie unter Ansatz von im Todesjahr von der Erblasserin erzielter Einkünfte wie folgt: Fond 01 100.000 €, Fond 02 20.000 €, Fond 03 37.429 € und Fond 04 41.271 €.

Der Kläger hat Klage erhoben, mit der er beantragt hat, den Erbschaftsteuerbescheid vom 20. September 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 sowie die Festsetzung des Verspätungszuschlags aufzuheben. Er hat vorgetragen: Die ergangenen Steuerbescheide seien verfassungswidrig, weil keine gesetzliche Grundlage für die Festsetzung der Erbschaftsteuer mehr bestanden habe. Die Schätzung der Werte für die Fondsbeteiligungen sei willkürlich. Die Werte hätten einheitlich und gesondert festgestellt werden müssen.

An der seinen Vorerwerb betreffenden Eigentumswohnung ...Straße 01 habe in Höhe von 1/4 ein Nießbrauch zugunsten der Erblasserin bestanden, der auf seinen Vater übergegangen sei. Der Jahreswert dieses Nießbrauchs sei mit 7.381 € anzusetzen. Bei Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) ergebe sich ein Kapitalwert des Nießbrauchs von 67.277 €. Der Vervielfältiger von 9,115 folge aus einem Zinssatz von 5,5 %, der schon im Jahr 2016 realitätsfern gewesen sei und deshalb verfassungswidrig sei. Die Anwendung eines realitätsnahen Zinssatzes von 1 % führe zu einem Vervielfältiger von 11,755 und damit zu einem Kapitalwert des Nießbrauchs von 86.765 ...

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