Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuerliche Hinzurechnung des Vorerwerbs: Erwerbsmindernde Berücksichtigung eines Vorbehaltsnießbrauchs – Kürzung des Kapitalwerts nach § 14 Abs. 2 BewG – Abzugsfähigkeit eines Ausgleichsanspruchs zwischen Ehegatten als Nachlassverbindlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei der erbschaftsteuerlichen Hinzurechnung des Vorerwerbs bezüglich des Anteils an einer Eigentumswohnung ist der steuerpflichtige Erwerb um die aus einem Vorbehaltsnießbrauch erwachsende Belastung des zugewendeten Miteigentumsanteils zu vermindern.
  2. Ist der Kapitalwert einer solchen Nutzungsauflage nach § 14 Abs. 2 BewG zu kürzen, ist der in § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG vorgesehene Zinssatz von 5,5 % für dessen Berechnung ohne Bedeutung.
  3. Ein gegenüber der Erblasserin im Innenverhältnis einer Ehegatten-Bruchteilsgemeinschaft bestehender Ausgleichsanspruch für die Rückzahlung einer Darlehensverbindlichkeit ihres Ehegatten ist als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.
  4. Von einer am Bewertungsstichtag bestehenden wirtschaftlichen Belastung durch diese Ausgleichsverpflichtung ist auszugehen, wenn die Erblasserin bis zu ihrem Tod die hälftigen Tilgungsraten für dieses Darlehen gezahlt hat.
 

Normenkette

ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, §§ 11, 10 Abs. 5 Nr. 1; BewG § 14 Abs. 1 S. 3, Abs. 2; BGB § 748

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.03.2023; Aktenzeichen II B 26/22)

 

Tatbestand

Die Erblasserin und ihr Ehemann, der Zeuge V. L., waren zu jeweils 1/4 Anteil Miteigentümer einer Eigentumswohnung nebst Tiefgaragenstellplatz in der J.-straße in A. (später: F.-straße N03) (Bl. N01 des Wohnungsgrundbuchs und Bl. N02 des Teileigentumsgrundbuchs von C., Amtsgericht A.). Mit notarieller Urkunde vom 9. Dezember 2014 übertrugen die Erblasserin und der Zeuge L. ihre 1/4-Miteigentumsanteile auf die Klägerin und behielten sich an dem jeweils von ihnen übertragenen Miteigentumsanteil einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch vor. Einen für den überlebenden Veräußerer auf den Tod des erstversterbenden Veräußerers aufschiebend bedingten Nießbrauch an dem von dem Erstversterbenden übertragenen Anteil behielten sich die Erblasserin und der Zeuge V. L. ausdrücklich nicht vor (§ 2 der notariellen Urkunde).

Die Erblasserin verstarb am 00.00.2016. Sie wurde von dem Zeugen V. L. zu einem Anteil von 1/2 und von der Klägerin sowie ihrem Bruder zu einem Anteil von jeweils 1/4 beerbt.

Das beklagte Finanzamt forderte die Klägerin mit Schreiben vom 24. Mai 2017 zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung mit Fristsetzung bis zum 26. Juni 2017 auf. Da die Klägerin dieser Aufforderung nicht nachkam, schätzte das beklagte Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Bescheid vom 10. Oktober 2017 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung…€ Erbschaftsteuer sowie einen Verspätungszuschlag von…€ fest.

Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Am 10. November 2017 reichte sie eine Erbschaftsteuererklärung ein.

Das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheid vom 20. September 2018 die Erbschaftsteuer auf…€ und den Verspätungszuschlag auf…€ neu fest. Es teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. November 2018 mit, der Verspätungszuschlag bewege sich mit etwa 4 % der festgesetzten Steuer im unteren Bereich des Ermessensspielraums. Eine weitergehende Herabsetzung komme nicht in Betracht. Den Schwierigkeiten bei der Erstellung der Erbschaftsteuererklärung sei bereits durch die Einräumung entsprechender Fristen Rechnung getragen worden. Dass der Bruder der Klägerin einzelne Fragen nicht habe beantworten können, rechtfertige die Nichtabgabe der Erklärung nicht.

Das beklagte Finanzamt setzte mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 die Erbschaftsteuer auf…€ und den Verspätungszuschlag auf…€ fest. Es setzte den Vorerwerb der Klägerin vom 9. Dezember 2014 mit zweimal…€ an. Ferner schätzte es die Werte der Fondsbeteiligungen auf Grund von Internetrecherchen sowie unter Ansatz von im Todesjahr von der Erblasserin erzielter Einkünfte wie folgt: Nordcapital…€, DCM…€, Blue Capital…€ und Bayernfonds…€.

Die Klägerin hat Klage erhoben, mit der sie beantragt hat, den Erbschaftsteuerbescheid vom 20. September 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2019 sowie die Festsetzung des Verspätungszuschlags aufzuheben. Sie hat vorgetragen: Die ergangenen Steuerbescheide seien verfassungswidrig, weil keine gesetzliche Grundlage für die Festsetzung der Erbschaftsteuer mehr bestanden habe. Die Schätzung der Werte für die Fondsbeteiligungen sei willkürlich. Die Werte hätten einheitlich und gesondert festgestellt werden müssen.

Das beklagte Finanzamt habe ihren Vorerwerb betreffend die Wohnung F.-straße N03 zweifach berücksichtigt. Im Übrigen habe an der Eigentumswohnung in Höhe von 1/4 ein Nießbrauch zugunsten der Erblasserin bestanden, der auf den Zeugen V. L. übergegangen sei. Der Jahreswert des Nießbrauchs betrage ausweislich der von ihr übersandten Feststellungserklärung…€. Bei der Berechnung des Kapitalwerts des Nießbrauchs sei ein Zinssatz von 1 % anzusetzen, weil der gese...

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