vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen bei der Besteuerung in den Niederlanden (”Heffingskorting“). - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: I R 26/21)

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Werden in den Niederlanden wohnhafte Ehegatten aufgrund der inländischen Einkünfte des Ehemannes antragsgemäß als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, bewirkt die Fiktion der unbeschränkten Steuerpflicht der lediglich niederländische Lohneinkünfte beziehenden Ehefrau bei ihrer Zusammenveranlagung gemäß § 1 a Abs. 1 Nr. 2 EStG weder die Einbeziehung dieser - lediglich dem Progressionsvorbehalt unterliegenden - Einkünfte in die Besteuerung noch die Abzugsfähigkeit der damit zusammenhängenden Beiträge zur niederländischen Sozialversicherung als Sonderausgaben.
  2. Ein solcher Sonderausgabenabzug wird zudem gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 c EStG durch die Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen bei der Besteuerung der Ehefrau in den Niederlanden ("Heffingskorting") ausgeschlossen.
  3. Der Nichtabzug der mit den niederländischen Einkünften der Ehefrau zusammenhängenden Sozialabgaben bei der inländischen Besteuerung verstößt nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, wenn sie tatsächlich und effektiv bei der Besteuerung im Wohnsitzstaat berücksichtigt werden können (Abgrenzung zum EuGH-Urteil vom 22.6.2017 C-20/16 "Bechtel", BStBl II 2017, 1271).
 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c, § 26 Abs. 1 S. 1, § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 49 Abs. 1 Nr. 4; DBA NLD Art. 14 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2018

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich mit ihrer am 9.11.2019 erhobenen Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 2018 mit Bescheid vom 9.7.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8.10.2019.

Streitig ist, ob Beiträge zur niederländischen Sozialversicherung als Sonderausgaben bei der Besteuerung eines nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unbeschränkt Steuerpflichtigen Berücksichtigung finden können.

Die Kläger wohnten im Streitjahr in den Niederlanden. Die Klägerin bezog in den Niederlanden Arbeitslohn i.H.v. [...] €. Der Kläger erzielte im Inland Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. [...] €. Der Kläger stellte einen Antrag, nach § 1 Abs. 3 EStG auf Grund seiner inländischen Einkünfte (vgl. § 49 Abs. 1 EStG) als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden. Die Kläger stellten zudem den Antrag, die Klägerin für die Anwendung des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nach § 1 a Abs. 1 Nr. 2 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln.

Die Klägerin hat in Bezug auf ihre Lohneinkünfte Beiträge zum niederländischen Sozialversicherungssystem geleistet:

Beiträge zur Krankenversicherung [...] €

Beiträge zur Pflegeversicherung (AWBZ) [...] €

Beiträge zur Rentenversicherung (AOW) [...] €

Bei den Beiträgen zur Renten- und Pflegeversicherung handelt es sich um Beiträge, die aufgrund des niederländischen Arbeitslohns, der Höhe nach abhängig von der Höhe des Arbeitslohns, einbehalten wurden (Beiträge Rentenversicherung 17,9 % vom Arbeitslohn, Beiträge Pflegeversicherung 12,65 % vom Arbeitslohn). Beide Versicherungen sind Pflichtversicherungen, deren Leistungsinhalte denen der deutschen Sozialpflichtversicherung ähneln, sich aber im Einzelnen unterscheiden. Bei den Beiträgen zur Krankenversicherung handelt es sich um Beiträge aufgrund der in den Niederlanden zu zahlenden ”Kopfpauschale“ ([...] € mtl.) zzgl. einer weiteren freiwilligen Zusatzversicherung ([...] € mtl.).

Bei der Versteuerung des Lohnes der Klägerin in den Niederlanden wurde die sog. Heffingskorting abgezogen. Dabei handelt es sich um einen Abgabennachlass auf Steuern unter Berücksichtigung der Sozialversicherungsabgaben an Stelle eines persönlichen Grundfreibetrages. Dies bedeutet eine steuerliche Vergünstigung unter Berücksichtigung der persönlichen Gesamtumstände im Zusammenhang mit der Pflicht-Sozialversicherung (Volksverzekering).

Der Beklagte führte eine Zusammenveranlagung der Kläger durch. Er ließ dabei die Beiträge der Klägerin zur niederländischen Renten- und Pflegeversicherung bei der Besteuerung unberücksichtigt. Nur die Krankenversicherungsbeiträge wurden zum Sonderausgabenabzug zugelassen, soweit sie die in den Niederlanden verpflichtende Basisversorgung betrafen. Die Einkünfte der Klägerin wurden für Zwecke der deutschen Besteuerung im Übrigen lediglich in Form des Progressionsvorbehalts einbezogen.

Die Kläger sind der Auffassung,

dass die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG hinsichtlich der Vorsorgeaufwendungen der Klägerin (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 a und Nr. 3 b EStG) erfüllt seien. Allerdings sei auch die Neufassung des EStG in § 10 infolge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Fall ”Bechtel“ (Urteil vom 22.6.2017 C-20/16, BStBl II 2017, 1271) noch nicht vollständig europarechtskonform.

Überdies bewirke die Behandlung der Eheleute nach §§ 1 und 1 a EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichti...

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