Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass von Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird vergällter Branntwein aus einem offenen Branntweinlager entnommen, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschließt oder der Empfänger bei Abgabe im Besitz der dafür erforderlichen förmlichen Verwendererlaubnis ist, kann die entstandene Branntweinsteuer auch dann nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen erlassen werden, wenn die Erlaubnis erst später, aber nicht rückwirkend, erteilt und der Branntwein vom Warenempfänger planmäßig steuerbefreit verwendet wird.
  2. Die Steuerentstehung nach § 136 Abs.1 Satz 1 BranntwMonG entspricht den (im Jahr 2006 geltenden) gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.
 

Normenkette

AO § 227; BranntwMonG § 136 Abs. 1 S. 1, § 139 Abs. 1, § 140 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BrStV § 30 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. D; RL 92/12/EWG Art. 4 Buchst. b, Art. 6 Abs. 1 Buchst. a, Art. 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1; RL 92/83/ EWG Art. 27 Abs. 1 Buchst. a, b

 

Tatbestand

Die Klägerin betrieb offene Branntweinläger. Ihr war für alle Läger die Lagerung und Verteilung von vergälltem Branntwein bewilligt worden.

Auf Prüfungsanordnung des Beklagten vom 10.05.2007 begann am 05.06.2007 bei der Klägerin eine Außenprüfung der Branntweinsteuer für das Jahr 2006 durch das Hauptzollamt „L-Stadt”, die mit Bericht vom 07.07.2008, AB-Nr. „…”, abgeschlossen wurde. Darin stellten die Prüfungsbeamten u.a fest:

Die Klägerin lieferte der „Q-GmbH”, „W-Stadt” 15 Sendungen Agrar-Ethanol 99,9% mit zusammen 41.041,08 lA, die mit Isopropanol und Tertiärbutanol vergällt waren. Die Klägerin hatte die Auslagerung dieses Alkohols als „unversteuert auf allgemeine Erlaubnis” erfasst. Die „Q-GmbH” war jedoch nicht im Besitz der dafür erforderlichen förmlichen Verwendererlaubnis. Diese wurde ihr erst mit Wirkung vom 20.04.2007 durch das Hauptzollamt „E-Stadt” erteilt.

Mit der Entnahme aus dem offenen Branntweinlager sei Branntweinsteuer von 534.765,27 € entstanden (Tz. 3.5.3 des Prüfungsberichts).

Der Beklagte schloss sich den Feststellungen des Hauptzollamts „L-Stadt” an und erhob mit Steuerbescheid vom 18.12.2009 u.a. 534.765,27 € Branntweinsteuer, die die Klägerin auch zahlte. Die mit gleichen Bescheid weiter festgesetzte Branntweinsteuer von 24.647.284,34 € erließ der Beklagte in der Folgezeit.

Mit Schreiben vom 19.02.2008 beantragte die Klägerin beim Beklagten den Erlass der gesamten Branntweinsteuer und trug dazu hinsichtlich des o.a. Sachverhalts vor, dass die „Q-GmbH” keinen Erlaubnisschein beantragt habe, sei erst im Rahmen der Außenprüfung für das Jahr 2005 bekannt geworden. Sofort danach habe sie die „Q-GmbH” über die getroffenen Feststellungen informiert und gebeten, eine entsprechende Erlaubnis bei dem für sie zuständigen HZA „E-Stadt” zu beantragen.

Bis 2005 sei die „Q-GmbH” mit Ethanol, vergällt durch Methylethylketon (MEK), beliefert worden. Diese Vergällung sei allgemein erlaubt gewesen, sodass ein Erlaubnisschein nicht erforderlich gewesen sei. Auf Wunsch des Kunden sei im Laufe des Jahres 2005 das Vergällungsmittel geändert worden.

Das HZA „E-Stadt” habe auf den Antrag der „Q-GmbH” am 21.02.2007 zunächst einen unzutreffenden Erlaubnisschein erteilt und nach einem erneuten Antrag am 26.04.2007 einen Erlaubnisschein zutreffenden Inhalts erteilt. Die „Q-GmbH” habe mit Schreiben vom 21.12.2007 bestätigt, dass der bezogene und vergällte Branntwein zur Herstellung von Desinfektionsmitteln zur Anwendung in der Dentalmedizin eingesetzt worden sei. Eine betrügerische Absicht habe nicht vorgelegen, sondern vielmehr Fahrlässigkeit der Beteiligten.

Mit Verfügung vom 11.10.2011, zur Post gegeben am 14.10.2011, lehnte der Beklagte den Antrag hinsichtlich der Alkohollieferungen an die „Q-GmbH” ab und führte dazu aus, Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis könnten nach § 227 Abgabenordnung (AO) ganz oder teilweise erlassen werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Billigkeitsgründe können dabei in der Sache selbst oder in der Person des Steuerpflichtigen liegen.

Sachliche Billigkeitsgründe seien in der Regel nur gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des in Betracht kommenden Steuergesetzes angenommen werden könne, dass die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage im Falle ihrer ausdrücklichen Regelung im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden worden wäre, es sich mithin um Steuerfälle handele, in denen Tatbestände verwirklicht würden, die der Gesetz - oder Verordnungsgeber nicht habe voraussehen können oder die er nicht habe regeln wollen, um die Rechtsvorschriften nicht mit selten vorkommenden Tatbeständen zu belasten, bei deren Vorliegen die Einziehung der Steuer jedoch unbillig wäre.

In dem zu beurteilenden Sachverhalt liege demgegenüber eine ausdrückliche Regelung vor - nämlich die Entstehung der Branntweinsteuer durch Entfernen aus dem Steuerlager, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren angeschlossen habe -, sodass der vorliegend...

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