vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass der Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen: Abgabe vergällten Branntweins an Dritte ohne Erlaubnis – Bestehen einer allgemeinen Verwendererlaubnis und planmäßige steuerbefreite Verwendung auf Seiten der Abnehmer

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die aufgrund der Abgabe vergällten Branntweins an Dritte ohne Erlaubnis nach § 49 Abs. 1 BrStV entstandene Branntweinsteuer ist nicht deshalb aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, weil auch die Abnehmer Inhaber einer allgemeinen Verwendererlaubnis i.S.d. § 44 Satz 1 BrStV sind und der vergällte Branntwein von diesen planmäßig entsprechend seiner Zweckbestimmung steuerbefreit verwendet wird.
  2. Aus Art. 27 Abs. 1 Buchst. a RL (EWG) 92/83 folgt, dass der deutsche Gesetzgeber die Steuerfreiheit bei Vergällung im Falle der Abgabe des Erzeugnisses an Dritte zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung und der Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch durch die Begrenzung der allgemeinen Erlaubnis nach § 44 Satz 1 BrStV einschränken durfte.
  3. Die Rechtsfrage, ob die im geltenden Unionsrecht vorgesehenen Bedingungen der Steuerbefreiung einer Billigkeitsmaßnahme bei bloßer Nichteinhaltung von - allerdings materiell-rechtlich wirkenden - Formvorschriften entgegenstehen und damit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinreichend beachtet wird, rechtfertigt indessen die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung.
 

Normenkette

BranntwMonG § 153 Abs. 3 S. 1; BrStV § 44 S. 1, § 49 Abs. 1; RL (EWG) Nr. 92/83 Art. 27 Abs. 1 Buchst. A; AO § 227

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.02.2019; Aktenzeichen VII R 34/17)

 

Tatbestand

Die Klägerin verwendete auf ihrem Betriebsgelände in verschiedenen Laboranlagen mit 1% MEK vergällten Branntwein (Ethanol 99,9%) zu Untersuchungs- und Reinigungszwecken im Rahmen der allgemeinen Verwendererlaubnis. Das Ethanol wird aus Deutschland bezogen und in einem 5.000 l fassenden Tank, der ausschließlich für den Laborbereich bestimmt ist, gelagert. Je nach Bedarf und Anforderung wird das Ethanol in Kleingebinden (Kannen und Kanister von 1 bis 50 Liter) abgefüllt und ausgeliefert.

Auf dem Betriebsgelände der Klägerin waren außerdem die A GmbH und die B GmbH ansässig. Diese Firmen verwendeten in ihren Laboren ebenfalls mit 1% MEK vergällten Branntwein (Ethanol 99,9%) zu Untersuchungs- und Reinigungszwecken im Rahmen der allgemeinen Verwendererlaubnis.

Im Rahmen einer Steueraufsichtsmaßnahme stellte das Hauptzollamt…fest, dass die Klägerin an die beiden Firmen im Jahr 2012 insgesamt 5.104 l vergällten Branntwein mit 5.047,9 l Ethanol und im Jahr 2013 weiteren vergällten Branntwein mit insgesamt 7,447,5 l Ethanol abgegeben hatte.

Der Beklagte nahm die Klägerin mit Steuerbescheid vom 17.12.2013 auf 65.774,14 € 2012 entstandene Branntweinsteuer und mit weiterem Steuerbescheid vom 09.12.2014 auf 97.040,93 € 2013 entstandene Branntweinsteuer in Anspruch, da sie an die A GmbH und die B GmbH mit 1% MEK vergällten Branntwein abgegeben habe, ohne dafür eine entsprechende Erlaubnis gehabt zu haben. Daher sei die Branntweinsteuer nach § 153 Abs. 3 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Branntweinmonopolgesetz - BranntwMonG) entstanden, da im Rahmen der allgemeinen Verwendererlaubnis eine Weitergabe an Dritte nicht gestattet sei und der Branntwein auch nicht mehr der in der Erlaubnis genannten Zweckbestimmung zugeführt werden könne, weil er bereits bei den beiden Firmen verwendet worden sei. Die Klägerin zahlte die Branntweinsteuer.

Die gegen beide Steuerbescheide fristgerecht eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. Die dagegen erhobene Klage hat der Senat mit Urteil vom 08.09.2017, 4 K 838/15 VBr abgewiesen.

Die Klägerin beantragte am 15.12.2014 hinsichtlich des Steuerbescheids vom 17.12.2013 und am 19.12.2014 hinsichtlich des Steuerbescheids vom 09.12.2014 den Erlass dieser Steuer aus sachlichen Billigkeitsgründen.

Insoweit komme abgabenrechtlich nachteiliges Verhalten in Betracht. Das sei dann gegeben, wenn das Verhalten entschuldbar gewesen sei und die dadurch verursachte Steuerschuld nur als Folge einer versehentlichen Verletzung von Verfahrensvorschriften entstanden sei. Davon sei hier auszugehen, da das zuständige Hauptzollamt nach § 49 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Branntweinmonopolgesetzes (Branntweinsteuerverordnung - BrStV) dem Verwender auf Antrag gestatten könne, in Ausnahmefällen Erzeugnisse im Rahmen seiner Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung an andere Verwender abzugeben. Im Hinblick auf ihre bisherige unzweifelhafte steuerliche Zuverlässigkeit bestünden keine Zweifel, dass ihr eine derartige Erlaubnis erteilt worden wäre, wenn sie sich dieser Verpflichtung bewusst gewesen wäre und eine entsprechende Erlaubnis beantragt hätte.

Ihr Verhalten sei auch entschuldbar gewesen, da es sich um ein erstmaliges Fehlverhalten gehandelt habe. Sie verwende nämlich in großem Umfang vergälltes Ethanol in ihrer Pr...

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