vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug im Billigkeitswege: Unionsrechtlicher Direktanspruch bei Zahlungsunfähigkeit des Rechnungsausstellers

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Einem Rechnungsempfänger, der seinen Anspruch auf Erstattung der in einer Rechnung ausgewiesenen, aber gesetzlich nicht geschuldeten Umsatzsteuer aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Rechnungsausstellers nicht durchsetzen kann, ist auch unter Berücksichtigung des in dem EuGH-Urteil Reemtsma (EU:C:2007:167) für diese Fallgestaltung entwickelten unionsrechtlichen Direktanspruchs auf Erstattung zu Unrecht vom Leistenden in Rechnung gestellter Umsatzsteuer durch den Fiskus kein Vorsteuerabzug im Billigkeitswege zu gewähren, wenn der Fiskus, ohne dass dies als offensichtlich rechtswidrig zu beurteilen wäre, die ursprünglich gezahlte Steuer bereits wieder an den Rechnungsaussteller erstattet hat und deshalb nicht mehr um die unberechtigt gezahlte Umsatzsteuer bereichert ist.
  2. Ein als Grundlage eines solchen unionsrechtlichen Direktanspruchs vorauszusetzender zivilrechtlicher Anspruch des Rechnungsempfängers gegen den Rechnungsaussteller auf Erstattung der rechtsgrundlos gezahlten deutschen Umsatzsteuer besteht nicht, wenn anstelle der unzutreffend ausgewiesenen deutschen Umsatzsteuer die höhere italienische Umsatzsteuer hätte ausgewiesen werden müssen.
 

Normenkette

AO § 163 Abs. 1 S. 1, § 227; UStG § 3 Abs. 7, § 14c Abs. 1, § 17 Abs. 1; BGB § 812 Abs. 1 S. 2 1. Alt; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (EuGH-Vorlage vom 03.11.2022; Aktenzeichen XI R 6/21)

BFH (Beschluss vom 03.11.2022; Aktenzeichen XI R 6/21)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt einen Vorsteuerabzug im Wege einer Billigkeitsentscheidung nach §§ 163, 227 AO.

Die Klägerin klagt als Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH & Co. KG (KG) bzw. C-GmbH & Co. KG. Mit Vertrag vom xx.xx.2017 traten die Kommanditisten aus der Gesellschaft aus und das Vermögen wuchs auf die Klägerin als verbliebene Komplementärin an (Amtsgericht ...).

Geschäftsgegenstand der Klägerin und der KG war das Mobilienleasing für andere Unternehmen u.a. durch sog. sale-and-lease-back Geschäfte.

Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind insgesamt sechs sale-and-lease-back Geschäfte, die die KG mit der E-GmbH (E),…(später umfirmiert in D-GmbH) in den Streitjahren 2007, 2008, 2010 und 2012 getätigt hat:

Dabei erwarb E zunächst jeweils ein neues Motorboot von der in Italien, Z-Stadt, ansässigen E-s.r. Die Rechnungen erfolgten ohne Ausweis von USt mit dem Hinweis auf eine innergemeinschaftliche Lieferung („prestazione intracomunitaria”). Ausweislich der Rechnungen wurde der Kaufpreis in voller Höhe von E entrichtet.

Einige Tage später schlossen E und die KG einen „Kauf- und Übereignungsvertrag” ab. Darin verkaufte E das Boot an die KG zum identischen Nettokaufpreis zzgl. deutscher USt. Die KG zahlte den Kaufpreis an E und refinanzierte diesen bei einer Bank.

Die Übergabe des Bootes wurde lt. Kaufvertrag durch die Vereinbarung des Abschlusses eines Leasingvertrages mit Nutzungsüberlassung ersetzt. Im Kaufvertrag wurden die Parteien bereits als „Leasinggeber” und „Leasingnehmer” bezeichnet.

E erteilte der KG anschließend eine Rechnung über den Kauf des Bootes mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer. Die KG machte die Vorsteuer aus der Rechnung der E in ihren Umsatzsteuererklärungen geltend.

Einige Tage danach schlossen E und die KG einen Mobilienleasingvertrag über das jeweilige Boot mit einer Laufzeit 36 Monaten und einer monatlichen Leasingrate.

Nach Punkt x des Leasingvertrages sei die KG bereit, vor Ablauf des Vertrages mit E über eine Vertragsverlängerung zu verhandeln. Unter Punkt x.…war vereinbart, dass E nach Ablauf des Leasingvertrages auf Verlangen der KG das Boot zu einem fest vereinbarten Kaufpreis (ca. 75% der Anschaffungskosten) zzgl. gesetzliche USt kaufen solle. Wenn die KG von dem Andienungsrecht keinen Gebrauch machen sollte und keine Vertragsverlängerung zu Stande käme, werde sich die KG bemühen, das Boot anderweitig zu verwerten. Wenn die KG dabei weniger als den vereinbarten Kaufpreis erzielen sollte, erstatte E den Differenzbetrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kauf- und Übereignungsverträge, die Rechnungen und Leasingverträge Bezug genommen (in Prüferhandakte USSt des FA).

Zudem wird auf die Allgemeinen Leasing Bedingungen (ALB) (Anlage zum Protokoll) Bezug genommen.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Verträge und ALB in allen Streitjahren mit den in den Akten befindlichen Exemplaren identisch waren.

Im Rahmen einer bei E im Jahr 2012 durchgeführten Außenprüfung für den Veranlagungszeitraum 2008 wurde festgestellt, dass die Boote im Zeitpunkt des Verkaufs von E an die KG nicht in Deutschland, sondern in Italien am Y-See gelegen haben. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Mit zwei Schreiben vom xx.xx.2012 teilte E der KG mit, dass sie in zwei Rechnungen vom 30.04.2008 und 31.10.2008 zu Unrecht deutsche Umsatzsteu...

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