Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsbewertung eines Grundstücks. Nachweis eines geringeren gemeinen Werts durch ein Sachverständigengutachten. freie Beweiswürdigung des Gerichts. Verkauf im gewöhnlichen Geschäftsverkehr mehr als ein Jahr nach dem Bewertungsstichtag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch ein formal und methodisch einwandfreies Gutachten ist der Bedarfsbewertung eines Grundstücks durch das Gericht nur dann zugrunde zu legen, wenn es im Rahmen der freien Beweiswürdigung insgesamt als nachvollziehbar und im Ergebnis überzeugend angesehen werden kann.

2. Ein begrenzter Käuferkreis für das Grundstück schließt das Zustandekommen des Kaufpreises im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht aus.

3. Ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommener Kaufpreis kann nach den Verhältnissen des Einzelfalls auch dann der Bewertung zugrunde gelegt werden, wenn er außerhalb der Jahresfrist zustande gekommen ist und sich die maßgeblichen Verhältnisse für die Bewertung gegenüber den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag nicht verändert haben.

4. Zwar ist ein Gutachten nicht stets bei jeder Abweichung von einem später erzielten Kaufpreis zu verwerfen, da der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbare Preis für ein Grundstück naturgemäß eine gewisse Bandbreite aufweisen dürfte. Kommt es jedoch im Einzelfall zu erheblichen Abweichungen, die nicht mehr durch die am Markt bestehende Bandbreite abgedeckt werden, so ist der gemeine Wert nicht mehr als durch das Gutachten nachgewiesen anzusehen.

 

Normenkette

BewG §§ 198, 182 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 2; FGO § 96 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 1. zu ¼ und dem Kläger zu 2. zu ¾ auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der gesonderten Feststellung des Grundbesitzwertes für das Grundstück C…-straße, D…, für Zwecke der Erbschaftsteuer über den Ansatz eines niedrigeren gemeinen Wertes gemäß § 198 Bewertungsgesetz (BewG).

Eigentümerin des Grundstücks war die E… GbR. Gesellschaftszweck war die Vermietung von Supermärkten. Die Anteile an der E… GbR wurde den Klägern durch Vermächtnisse übertragen. Dabei übertrug der am 2. März 2015 verstorbene Herr F… auf die Kläger jeweils einen Anteil von ¼ an der E… GbR und mithin am Grundbesitz. Die Kläger waren gleichfalls die einzigen Erben des Verstorbenen (Erbengemeinschaft G… – Bl. 29 Grundbesitzakte). Die am 21. Mai 2015 verstorbene Frau H… übertrug auf den Kläger den verbleibenden Anteil an der E… GbR und mithin am Grundbesitz von ½.

Das Grundstück hat eine Fläche von 3.722 qm. Es war mit einem 1996 errichteten eingeschossigen Gebäude bebaut, welches neben einem Supermarkt der Marke I… Flächen für einen Fleischer und einen Bäcker enthielt. Daneben befanden sich auf dem Grundstück Parkflächen mit insgesamt 72 Stellplätzen. Das Gebäude hatte eine Fläche von 895 qm einschließlich Lagerflächen und wurde für eine Nettokaltmiete von insgesamt EUR 9.999,00 vermietet. Die Restlaufzeit des bestehenden Mietvertrages mit I… betrug rund 1,5 Jahre.

Mit Kaufvertrag vom 1. November 2016 wurde das Grundstück zu einem Kaufpreis von EUR 894.311,35 an die J… GmbH verkauft. Nach der vertraglichen Abrede verteilt sich der Kaufpreis wie folgt: Grund und Boden EUR 352.179,80, Gebäude 433.705,24 und Außenanlagen EUR 108.426,31. Die Erwerberin steht im Konzernverbund mit der bisherigen Mieterin I…. Unternehmensgegenstand der Erwerberin ist der Erwerb, die Veräußerung, Verwaltung, Vermietung und Verpachtung von Immobilien sowie aller dazugehörigen Geschäfte. Die Erwerberin verlängerte den für den Markt bestehenden Mietvertrag bis Oktober 2018. Im Anschluss wurde der …, wie bereits im Kaufzeitpunkt beabsichtigt, abgerissen und dem überarbeiteten Konzept für die Marke I… entsprechend neu aufgebaut.

Mit ihren jeweiligen Erklärungen zur Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 2. März 2015 und den 21. Mai 2015 reichten die Kläger ein Gutachten ein, welches den Verkehrswert des Grundstücks zum Stichtag 2. März 2015 mit EUR 480.000,00 auswies.

Der Beklagte stellte den Bedarfswert des Grundstücks für Zwecke der Erbschaftsteuer mit den Feststellungsbescheiden gegenüber den Klägern jeweils vom 3. Mai 2017 auf den Stichtag 2. März 2015 und gegenüber dem Kläger vom 23. Mai 2017 auf den Stichtag 21. Mai 2015, jeweils auf EUR 1.164.920,00 fest (Berechnung Bl. 30 f. Grundbesitzwertakte). Der Grundbesitzwert wurde dabei im Wege des Ertragswertverfahrens ermittelt. Das durch die Kläger eingereichte Gutachten wurde entsprechend der Stellungnahme des Bausachverständigen der Finanzverwaltung nicht als Nachweis eines geringeren gemeinen Wertes zugelassen.

Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihren Einsprüchen vom 10. Mai 2017 gegen die Bescheide vom 3. Mai 2017, sowie der Kläger mit seinem Einspruch vom 1. Juni 2017 gegen den Bescheid vom 23. Mai 2017.

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