Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldberechtigung bei der Ableistung von Freiwilligendiensten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein freiwilliges soziales Jahr, das im Ausland verbracht wird, kann als Maßnahme zur Förderung der Fremdsprachenkenntnisse nur dann als Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG anerkannt werden, wenn der Aufenthalt von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit einem Umfang von wöchentlich mindestens 10 Stunden begleitet wird.

2. Durch die bloße Berücksichtigung und Förderlichkeit der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahrs im Auswahlverfahren für die Hochschulzulassung wird das gesetzliche Merkmal „für einen Beruf ausgebildet” nicht erfüllt.

3. Ein freiwilligs soziales Jahr nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 d EStG kann zwar auch im Ausland abgeleistet werden, wird steuerlich jedoch nur anerkannt, wenn der Träger die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 FSJG erfüllt und von der zuständigen Landesbehörde zugelassen ist.

4. Eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 d EStG auf von der Verweisung nicht erfasste Freiwilligenprogramme ist ausgeschlossen, da der Gesetzgeber durch die konkrete Bezugnahme deutlich gemacht hat, dass Sachverhaltskonstellationen, die die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bezugsnormen nicht erfüllen, keinen Anspruch auf Kindergeld auslösen sollen.

5. Art. 3 Abs. 1 GG fordert lediglich Gleichheit vor dem Gesetz, also Gleichheit im Recht. Eine Gleichheit im Unrecht kann es dagegen nicht geben.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2, § 32 Abs. 4 S. 1 Nrn. 1, 2a, 2d; FSJG §§ 3, 5 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.04.2011; Aktenzeichen III R 11/09)

BFH (Urteil vom 07.04.2011; Aktenzeichen III R 11/09)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Kindergeldaufhebungsbescheids der Beklagten (Bekl) vom 29. August 2005.

Der Kläger (Kl) ist der Vater der am 18. Dezember 1985 geborenen A.B.. Diese nahm nach ihrer im Juli 2005 mit der allgemeinen Hochschulreife abgeschlossenen Schulausbildung am 1. September 2005 bei der Ordensgemeinschaft der Pallottinerinnen einen Dienst als sog. „Missionarin auf Zeit” in der katholischen Mission der/Kamerun auf. Dort arbeitete sie bis zum 31. August 2006 unentgeltlich in einem Kindergarten, einem Internat, einem Zentrum für außerschulische Aktivitäten und in einer Gesundheitsstation. Als Gegenleistung erhielt sie – lediglich – freie Unterkunft und Verpflegung. Fahrt- und Flugkosten sowie Versicherungsbeiträge wurden vom Kl bzw. von seiner Tochter getragen. Nach Beendigung des Dienstes nahm die Tochter des Kl zum Wintersemester 2006/2007 ein Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule Y für die Fächer „Englisch, Französisch und Theologie” auf. Nach Aufgabe dieses Studiums absolvierte sie ab 1. April 2007 eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Krankenhaus in Z.

Mit Bescheid vom 29. August 2005 hob die Bekl die Festsetzung des Kindergelds für die Zeit ab August 2005 auf, da der Dienst als Missionarin auf Zeit nicht als Berufsausbildung im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) anerkannt werden könne.

Mit Schreiben vom 13. September 2005 legte der Kl gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Zur Begründung berief er sich auf das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts 5 K 9/01 vom 26. Februar 2004.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2006 wies die Bekl den Einspruch als unbegründet zurück, da sich die Tochter des Kl in der Zeit ab August 2005 nicht mehr in Berufsausbildung befunden habe.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24. Mai 2006 erhob der Kl Klage, mit der er weiterhin die Aufhebung des Aufhebungsbescheids vom 29. August 2005 und die Weitergewährung von Kindergeld für seine Tochter A begehrt. Zur Begründung lässt er im Wesentlichen vortragen, seine Tochter habe – abgesehen von ihrem sozialen Engagement – den Freiwilligendienst zum Zwecke der Berufsorientierung, um ihre soziale Kompetenz in ihrem späteren Beruf zu fördern und auch um ihre Französischkenntnisse auszubauen geleistet. Denn sie habe damals vorgehabt, entweder Sozialpädagogik, Medizin oder Lehramt zu studieren. Der Anspruch des Kl auf Zahlung des Kindergeldes für die Zeit des Freiwilligendienstes ergebe sich zumindest analog aus § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG. Denn der Freiwilligendienst, den seine Tochter abgeleistet habe, entspreche bezüglich der Trägerschaft der Entsendeorganisation, der Tätigkeit der Dienstleistenden und der Dauer des Dienstes im Wesentlichen einem freiwilligen sozialen Jahr im Ausland, bei dessen Ableistung ein Kindergeldanspruch gegeben sei. Bezüglich des streitgegenständlichen Freiwilligendienstes bestehe allenfalls eine Regelungslücke. Denn es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber Freiwilligendienste, die er bisher nicht ausdrücklich als Berücksichtigungstatbestand im Sinne des § 32 Abs. 4 EStG definiert habe, von der kindergeldrechtlichen Förderun...

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