Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag einer Personengesellschaft auf Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen nach § 3a EStG bezüglich vor dem 9.2.2017 erlassener Schulden: Antrag nach § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG bzw. § 36c Abs. 2c Satz 3 GewStG kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Anwendungsbereich von § 3a Abs. 4 Satz 4 EStG. Weitergeltung der aufgehobenen Anwendungsregelung in § 36 Abs. 2c GewStG. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IV R 2/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Regelung in § 3a Abs. 4 Satz 4 EStG über die Feststellungsfrist betrifft nur Änderungen nach § 3a Abs. 4 Satz 3 EStG, ermöglicht nach dem eindeutigen Wortlaut also ausschließlich eine Änderung von Feststellungsbescheiden über verrechenbare Verluste und Verlustvorträge. Ein Erlass bzw. eine Änderung der gesonderten Feststellung über den Sanierungsertrag nach § 3a Abs. 4 Satz 1 AO kann dagegen nur nach den allgemeinen (Korrektur-)Vorschriften erfolgen.

2. Der Antrag nach § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG bzw. § 36c Abs. 2c Satz 3 GewStG stellt kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar und führt daher nicht zum erneuten Anlaufen der Festsetzungsfrist nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO.

3. Durch § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG wird dem Steuerpflichtigen zwar das Wahlrecht eingeräumt, § 3a EStG über seinen originären zeitlichen Anwendungsbereich (Neufälle mit Schuldenerlass nach dem 8.2.2017) hinaus anzuwenden. Diese Wahlrecht stellt aber nicht selbst ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands dar, sondern ist lediglich formelle Voraussetzung der rückwirkenden Anwendung des § 3a EStG auf den (Alt-)Fall. § 52 Abs. 4a EStG ist nicht Teil des gesetzlichen Steuertatbestands des § 3a EStG, sondern regelt als Übergangsvorschrift lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich des § 3a EStG.

4. Aus dem sogenannten Sanierungserlass und vorangegangenen erfolglosen Billigkeitsverfahren einer Personengesellschaft sowie ihres Gesellschafters folgt keine schutzwürdige verfahrensrechtliche Stellung in einem nunmehr auf gesetzlicher Grundlage des § 3a EStG stehenden, auf Steuerfreistellung eines Schuldenerlasses gerichteten Verfahren.

5. § 36 Abs. 2c GewStG als Anwendungsregelung für § 7b GewStG gilt nach allgemeinen Grundsätzen fort, obwohl § 36 GewStG durch Art. 8 Nr. 6 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl. 2019 I S. 2451 zwischenzeitlich neu gefasst und § 36 Abs. 2c GewStG aufgehoben wurde.

 

Normenkette

EStG § 3a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Sätze 1, 3-4, § 52 Abs. 4a S. 3; GewStG § 7b Abs. 1 S. 1, § 36 Abs. 2c S. 1, Abs. 2 S. 3; AO § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 181 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die gesonderte und einheitliche Feststellung eines steuerfreien Sanierungsertrags für Zwecke der Einkommensteuer sowie dessen Berücksichtigung beim Gewerbesteuermessbetrag gemäß § 3a, § 52 Abs. 4a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes und § 7b, § 36c Abs. 2c Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl. I 2018, 2338; im Folgenden nur noch EStG bzw. GewStG) im Streitjahr 2009.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft. Gegenstand ihres Unternehmens ist die […]. Daraus erzielt sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Alleiniger Kommanditist der Klägerin ist Herr B. Einzige Komplementärin der Klägerin ist die D GmbH (im Folgenden: GmbH). Die GmbH vertritt die Klägerin, ist aber nicht am Kapital beteiligt (…). Alleiniger Geschäftsführer der Komplementärin ist B.

Eine Gläubigerin der Klägerin verzichtete im Jahr 2009 auf eine Forderung gegen die Klägerin in Höhe von … EUR (…).

Die Klägerin gab am 31.12.2010 sowohl ihre Feststellungserklärung 2009 (…) als auch ihre Gewerbesteuererklärung 2009 (…) ab. Der Gewerbesteuermessbescheid 2009 erging am 10.02.2011, der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2009 (im Folgenden: Gewinnfeststellungsbescheid) erging am 21.02.2011 (…), jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und ohne Berücksichtigung eines Sanierungsgewinns. Am 11.04.2011 begann eine Außenprüfung der Jahre 2005 bis 2009, die mit der Mitteilung vom 28.08.2015, dass sich keine Änderungen der Besteuerungsgrundlagen ergeben hätten, endete (…). In den Änderungsbescheiden vom 24.11.2015 wurde jeweils der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben; nachrichtlich gab der Beklagte (das Finanzamt) im Gewinnfeststellungsbescheid an, dass ein Sanierungsgewinn in Höhe von 0 EUR enthalten sei (…).

Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin am 23.12.2015 Einspruch, in dem sie sich gegen die Nichtberücksichtigung eines Sanierungsgewinns in Hö...

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