Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht bei Wohnsitzen in mehreren Staaten. Einkommensteuervorauszahlungen für 1996 aufgrund Einkommensteuervorauszahlungsbescheids vom 11.09.1995

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Steuerpflichtige einen Wohnsitz in verschiedenen Staaten, so hat derjenige das vorrangige Besteuerungsrecht, in dem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 1; AO 1977 § 8

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.01.2001; Aktenzeichen I R 100/99)

 

Tenor

1. Der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid vom 11.09.1995 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29.01.1997 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

5. Das Urteil wird hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger in der Bundesrepublik unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind.

Der Kläger ist von Beruf Textilingenieur und hat die Bundesrepublik Deutschland nach Abschluß seiner Ausbildung im April 1963 verlassen und sich in Hongkong niedergelassen, wo er sich eine berufliche Existenz aufgebaut hat. Seine einzigen Verbindungen zur Bundesrepublik sind die ihm gehörenden Häuser A-Str. 15 und B-Str. 25 in X. Im Streitjahr lebten noch der Vater des Klägers, der inzwischen verstorben ist, sowie sein Bruder in X. Der Kläger heiratete seine Ehegattin, eine in Shanghai/Volksrepublik China geborene und in Hongkong aufgewachsene Chinesin, im Jahre 1965. Die Eheleute leben überwiegend in Hongkong und hielten sich nach ihren Angaben im Streitjahr lediglich 59 Tage im Inland auf (vgl. Aufstellung Bl. 167 FG-Akten); in 1995 75 Tage und in 1997 68 Tage. Die Kläger verfügen ferner über ein ihnen zur Verfügung stehendes Haus in London.

Das Haus A-Str. 15, ein Mehrfamilienhaus, hat der Kläger 1978 erworben, um einer etwaigen Kündigung des Mietverhältnisses des Eigentümers mit seinen Eltern zu verhindern. Das Ladengeschäft im Erdgeschoß ist fremdvermietet; die Wohnung im zweiten Obergeschoß haben im Streitjahr unverändert die Eltern des Klägers bewohnt. Die Wohnung im ersten Obergeschoß diente dem Kläger und, sofern sie ihn begleitete, seiner Ehefrau bei seinen / ihren Aufenthalten im Inland als Bleibe: während seiner Abwesenheit wurde die Wohnung teilweise von den Eltern mitbenutzt. Diese Wohnung war teilmöbliert; ferner enthielt sie alle für einen Aufenthalt notwendigen Utensilien wie Bett- und Tischwäsche, Handtücher, Toilettenartikel, Kleidung usw. Inzwischen ist sie, wie sich bei dem Augenschein im Juni 1999 herausstellte, im wesentlichen geräumt und steht leer.

Das Haus B-Str. 25 wurde 1992 fertiggestellt. Die Baukosten betrugen 5.737.000 DM, die Kosten der Außenanlage 1.330.600 DM. Es handelt sich um ein Mehrfamilienhaus mit insgesamt 4 Wohnungen in herausgehobener Wohnlage in X (Grundstück direkt am Bodensee); drei Wohnungen sind fremdvermietet und eine Wohnung ist eigengenutzt. Die eigengenutzte Wohnung umfaßt neben einer Garage, in der sich ein auf den Kläger zugelassener Pkw – 1990 angeschafft als Neufahrzeug, Fahrleistung bis September 1998 26.975 Kilometer– befindet, 297 qm Wohnfläche über drei Stockwerke sowie eine großen Garten. Die Wohnung ist voll möbliert und eingerichtet und steht den Klägern jederzeit zur Nutzung zur Verfügung; die teilweise kostbaren Möbel sind bei Abwesenheit der Kläger, was auch der Augenschein bestätigt hat, mit Schutzbezügen überzogen. In ihr befanden sich sowohl nach Feststellungen der Steuerfahndung als auch im Zeitpunkt der Augenscheinseinnahme im Juni 1999 Kleidung, Toilettenartikel und sonstige zum Leben erforderliche Dinge; alle Anschlüsse –Wasser, Elektrizität, Abwasser– sind voll funktionsfähig. Sie verfügt sie über einen Telefonanschluß. Eine Zugehfrau versorgt die Wohnung und bereitet sie jeweils zur Nutzung für die Kläger auf vorherigen Telefonanruf vor.

Im Jahre 1995 wurde bei den Klägern eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt. Anlaß war der Verdacht, daß der Kläger im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sei. Im Rahmen einer tatsächlichen Einigung über den Sachverhalt i. S. von § 201 Abgabenordnung (AO) wurden zwischen den Beteiligten vereinbart, daß für die Zeit 1992 bis 1994 unbeschränkte Einkommensteuer- und Vermögensteuerpflicht bestehe.

Für 1995 und das Streitjahr erließ das beklagte Finanzamt –FA– mit Datum 11.09.1995 an die Kläger einen Bescheid über die Vorauszahlungen von vierteljährlich 25.000 DM Einkommensteuer. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 29.01.1997, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 27.02.1997 erhobene Klage, die am 28.02.1997 bei Gericht eingegangen ist.

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens hat das FA für 1995 einen Einkommensteue...

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