Betriebsstätte/feste Einrichtung im Dienstleistungsbereich

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.

Es geht darum, dass die eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird ("Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit). Diesen Anforderungen, die auch für den abkommensrechtlichen Begriff der Betriebsstätte/festen Einrichtung (hier: DBA-Großbritannien 1964/1970 und 2010) prägend sind, wird entsprochen, wenn dem Dienstleistenden (hier: Flugzeugmechaniker/-ingenieur) im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung (hier: Wartungsarbeiten an Flugzeugen) personenbeschränkte Nutzungsstrukturen an ortsbezogenen Geschäftseinrichtungen (hier: Spind und Schließfach in Gemeinschaftsräumen auf dem Flughafengelände) zur Verfügung gestellt werden.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Gemäß § 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Der Begriff der festen Geschäftseinrichtung und Anlage i.d.S. umfasst sowohl eine örtliche als auch eine zeitliche Komponente und erfordert diesbezüglich auch eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung oder Anlage.

Sachverhalt: Wann liegt eine Betriebsstätte/feste Einrichtung im Zusammenhang mit der Zuordnung des Besteuerungsrechts i.S.d. DBA-Großbritannien vor?

Der Kläger hatte in den Streitjahren neben seinem Wohnsitz im Inland noch einen Wohnsitz in Großbritannien. Er war als Flugzeugmechaniker bzw. Flugzeugingenieur tätig. Zudem war er Inhaber von Lizenzen zur Wartung von Flugzeugen. Zugleich war er alleiniger Gesellschafter und Direktor der X Ltd. mit (Satzungs-)Sitz in Großbritannien.

Mit der ebenfalls in Großbritannien ansässigen Y Ltd., die mit der A GmbH, einem inländischen Betreiber und Charterer von Flugzeugen, sogenannte Line Maintenance Agreements mit dem Gegenstand abgeschlossen hatte, lizenziertes Flugzeugwartungspersonal (und deren Werkzeug) zu überlassen, vereinbarte der Kläger auf standardisierter Vertragsgrundlage einen "Freelancer Contract", worin der "Freelancer" verpflichtet wurde, flugzeugbezogene Wartungsleistungen als Subunternehmer des Auftraggebers zu erbringen. Der Vertrag wurde vom Kläger mit seinem Namen (ohne Zusatz, als Organ der X Ltd. zu handeln) unterzeichnet.

Der Kläger übte seine Tätigkeit als Flugzeugingenieur auf dem Flughafengelände der A GmbH aus. Für die im Auftrag der Y Ltd. tätigen Ingenieure und Mechaniker waren auf diesem Gelände Umkleide-, Verwaltungs- und Gemeinschaftsflächen vorhanden. Die Mitarbeiter hatten unter anderem einen verschließbaren Spind, um ihre Kleidung aufzubewahren. Die Dokumentation der am Flugzeug durchgeführten Arbeiten erfolgte im sogenannten Log-Buch des Flugzeugs in einem mit Computern ausgestatteten Raum der Y Ltd. neben dem Hangar. In diesem Raum hatte jeder Mitarbeiter ein mit seinem Namen und dem Namen der Y Ltd. beschriftetes Schließfach, in dem er persönliche Gegenstände wie Handy, Schlüssel, Geld etc. aufbewahren konnte. Der Kläger war Inhaber eines Sicherheitsausweises für den Flughafen. Der Zutritt war unabhängig von der schichtplanorganisierten Einteilung zum Dienst technisch möglich. Die für die Y Ltd. tätigen Mitarbeiter buchten sich bei Arbeitsbeginn und -ende im Zeiterfassungssystem der A GmbH ein und aus.

Der Kläger trug vor, dass er als Ingenieur die Wartung von Flugzeugen durchgeführt habe. Die Einnahmen hieraus seien von ihm bereits in Großbritannien versteuert worden. In Deutschland habe es keine Betriebsstätte gegeben.

Das Finanzamt behandelte die Vergütungen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Einkünfte.

Das FG schloss sich der Auffassung des Klägers an und gab der Klage unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide statt, da der Kläger seine Tätigkeit nicht durch Benutzung einer ihm in Deutschland regelmäßig zur Verfügung stehenden Einrichtung bzw. Betriebsstätte ausgeübt habe.

Entscheidung: BFH gibt dem Finanzamt Recht

Der BFH hat entschieden, dass der Kläger in Deutschland nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 EStG mit Blick auf den inländischen Wohnsitz (§ 8 AO) unbeschränkt steuerpflichtig war.

Er ist Zurechnungssubjekt der vermittels der vertraglichen Vereinbarung („Freelancer Contract“) erzielten Einkünfte.

DBA hindert Besteuerung in Deutschland nicht

Die Besteuerung in Deutschland ist nicht durch Maßgaben des jeweils geltenden DBA gehindert. Zwar sind nach DBA-Großbritannien Einkünfte, die eine in einem der Gebiete ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, nur in diesem Gebiet besteuert; dies gilt jedoch nicht, wenn die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Gebiet regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt – in diesem Fall kann der Teil der Einkünfte, der dieser Einrichtung zuzurechnen ist, in dem anderen Gebiet besteuert werden. Entsprechendes gilt mit Blick auf das Vorliegen einer Betriebsstätte für den Zeitraum, in dem die Einkünfte als gewerblich zu qualifizieren sind.

Kläger verfügte über feste Einrichtung bzw. Betriebsstätte in Deutschland

Zwar war der Kläger in Großbritannien abkommensrechtlich ansässig, jedoch hat er die Tätigkeitseinkünfte durch Nutzung einer ihm in Deutschland regelmäßig zur Verfügung stehenden festen Einrichtung beziehungsweise einer Betriebsstätte erzielt.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Für die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann ("selbständiger Nutzungsanspruch"). Es reichen weder eine tatsächliche Mitbenutzung noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit aus; allerdings muss die Verfügungsmacht keine alleinige sein.

Darüber hinaus muss die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen. Dazu muss dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt werden und sich in der Bindung eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrücken.

Eine Verfügungsmacht des Klägers im Sinne einer Nutzungsmöglichkeit über die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung unerlässlichen Räumlichkeiten (Hangar, Computerraum, Verwaltungs-/Aufenthalts- und Umkleideraum) hat jedenfalls mittelbar als unabdingbare Voraussetzung seiner Tätigkeit bestanden; dass die Verfügungsmacht keine alleinige war und dass sie hätte entzogen werden können, beeinträchtigt seine Position für die Dauer der noch nicht aufgekündigten Vereinbarung ebenso wenig wie eine (fremde) Sicherheitskontrolle beim Betreten des Geländes.

Spind und Schließfach in Gemeinschaftsräumen als ortsbezogenen Geschäftseinrichtungen

Darüber hinaus fehlt es auch nicht an der durch die Überlassung personenbeschränkter Nutzungsstrukturen bei Geschäftseinrichtungen vermittelten ortsbezogenen "Verwurzelung" des Unternehmens des Klägers mit dieser Örtlichkeit.

Dabei ist zu beachten, dass der Kläger zwar in dem ihm persönlich zugewiesenen Schließfach sein Werkzeug nicht aufbewahrt hat, eine betriebsbezogene Nutzung des personenbezogenen Spinds (Aufbewahren der Arbeitskleidung und dem Arbeitsschutz dienender Gegenstände) aber denkgesetzlich nicht ausgeschlossen ist.

Vielmehr ist der Spind auf der Grundlage betriebsbezogener Erfordernisse dazu geeignet und bestimmt, die private Kleidung während der Einsatzzeit und die Arbeitskleidung des Klägers außerhalb der Einsatzzeit aufzubewahren. Entsprechendes gilt für private Gegenstände und das Schließfach. Auch wenn die Werkzeuge nach dem jeweiligen Abschluss der Tätigkeit nicht "am Ort" deponiert gewesen sein sollten, ist damit nur ein Teil der der Tätigkeit dienenden unerlässlichen Arbeitsmittel angesprochen.

Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die "Verwurzelung" im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung nur durch Komponenten vermittelt wird, die einen unmittelbaren Leistungsbezug aufweisen, wobei im Rahmen einer solchen Gesamtwürdigung auch zu berücksichtigen ist, dass zumindest die Möglichkeit bestand, die persönliche Werkzeugkiste im Hangar zu deponieren.

Hinweis: Anforderungen des DBA-Begriffs der Betriebsstätte

Entgegen der Ansicht des Klägers stehen diesem Ergebnis auch nicht die Anforderungen des DBA-Begriffs der Betriebsstätte entgegen. Denn es liegen keine als Rückausnahme anzusehenden Funktionen untergeordneter Art vor; insoweit blieb der klägerische Hinweis auf "eine Nutzung ausschließlich zur Lagerung … von Gütern" i.S.d. DBA-Großbritannien durch das Vorhandensein eines "Warenlagers" bei der Aufbewahrung von Gegenständen, die zur Leistungserbringung verwendet werden, und auf eine "ausschließliche Unterhaltung für andere Tätigkeiten, die vorbereitender Art sind oder Hilfstätigkeiten darstellen" i.S.d. DBA-Großbritannien ohne Erfolg. Denn die Gesamtsituation der (Mit-)Verfügungsmacht und der "Verwurzelung" an diesem Ort der Leistungserbringung entspricht der unmittelbaren unternehmerischen Tätigkeitsausübung des Klägers ("Haupttätigkeit").

BFH, Urteil v. 7.6.2023, I R 47/20; veröffentlicht am 17.8.2023

Alle am 17.8.2023 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen