Leitsatz

Zahlt die Familienkasse während des Klageverfahrens das begehrte Kindergeld aufgrund eines außergerichtlichen Eilverfahrens vorläufig aus, beginnt die Frist für die Festsetzung von Prozesszinsen nicht mit Ablauf des Jahrs der Auszahlung (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO), sondern erst mit Ablauf des Jahrs, in dem der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht. Erlässt die Familienkasse im weiteren Verlauf des Verfahrens den beantragten Kindergeldbescheid, entsteht der Anspruch auf Prozesszinsen zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der Rechtsstreit aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten erledigt (§ 236 Abs. 2 Nr. 1 AO).

 

Normenkette

§ 236, § 239 AO

 

Sachverhalt

Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag des Klägers zunächst ab, zahlte jedoch während des Klageverfahrens den streitigen Betrag im Weg der Aussetzung der Vollziehung vorläufig aus. Das Klageverfahren wurde durch Erledigung der Hauptsache beendet, nachdem die Familienkasse unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids das Kindergeld bewilligt hatte.

Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers auf Prozesszinsen ab Klageerhebung bis zum Zahlungseingang ab, da seit dem Ende des Auszahlungsjahrs mehr als ein Jahr verstrichen war.

 

Entscheidung

Der BFH verpflichtete die Familienkasse zur Zahlung der Prozesszinsen, da für den Lauf der Festsetzungsfrist nicht auf das Ende des Auszahlungsjahrs, sondern des Jahrs des Entstehens des Anspruchs auf Prozesszinsen abzustellen ist. Der Zinsanspruch entstand erst mit der Festsetzung des erstrebten Kindergelds. Der Kläger hatte den Zinsanspruch noch innerhalb der Jahresfrist geltend gemacht.

 

Hinweis

Ein Anspruch auf Prozesszinsen entsteht, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt wird. Die Erstattung bzw. Vergütung ist vom Tag der Rechtshängigkeit bis zum Auszahlungstag zu verzinsen, es sei denn, dem Kläger wären vom FG die Prozesskosten wegen verspäteten Tatsachenvortrags auferlegt worden.

Das gilt entsprechend, wenn sich der Prozess durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Bescheids oder durch Erlass des beantragten Bescheids erledigt hat. Die Prozesszinsen laufen auch hier ab Rechtshängigkeit (Klageerhebung) bis zum Auszahlungstag. Der Gläubiger soll für die Vorenthaltung des Kapitals eine Entschädigung erhalten.

Die einjährige Festsetzungsfrist für den Anspruch auf Prozesszinsen beginnt grundsätzlich mit dem Ablauf des Erstattungs- oder Auszahlungsjahrs (§ 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO).

Anders ist es, wenn eine Erstattung oder Vergütung vor dem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens vorläufig ausgezahlt wird. Da der Anspruch auf Prozesszinsen erst mit der stattgebenden gerichtlichen Entscheidung bzw. mit der Erledigung des Rechtsstreits durch einen abhelfenden Bescheid des FA bzw. der Familienkasse entsteht, ist dieser Zeitpunkt auch maßgeblich für den Beginn der Festsetzungsfrist. Die Festsetzungsfrist beginnt dann nicht bereits mit dem Ablauf des Erstattungs-/Auszahlungsjahrs, sondern erst mit Ablauf des Jahrs, in dem der Anspruch auf die Prozesszinsen entsteht. Denn der Fristbeginn setzt neben der Auszahlung auch die Entstehung des Zinsanspruchs voraus.

Eine vorherige vorläufige Auszahlung setzt somit die Frist für die Festsetzung der Prozesszinsen nicht in Lauf. Die vorläufige Auszahlung ist nur für die Dauer des Zinslaufs, nicht für den Beginn der Festsetzungsfrist bedeutsam. Durch eine vorläufige Auszahlung im Weg einer außergerichtlichen Eilentscheidung während eines u.U. mehrere Jahre dauernden Klageverfahrens kann somit dem berechtigten Anspruch auf Prozesszinsen nicht die Grundlage entzogen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.1.2007, III R 85/06

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