Entscheidungsstichwort (Thema)

Lebensversicherungsvertrag, EU-ausländisches Versicherungsunternehmen, Versicherungsteuer auf Lebensversicherung einer in das Inland umgezogenen natürlichen Person

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 50 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, eine indirekte Steuer auf Lebensversicherungsprämien zu erheben, die von natürlichen Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat haben, als Versicherungsnehmer gezahlt werden, wenn die betreffenden Versicherungsverträge in einem anderen Mitgliedstaat abgeschlossen wurden, in dem diese Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten.

 

Normenkette

EGRL 83/2002 Art. 50

 

Beteiligte

RVS Levensverzekeringen

RVS Levensverzekeringen NV

Belgischer Staat

 

Verfahrensgang

Rechtbank van eerste aanleg te Bruxelles (Belgien) (Urteil vom 06.05.2011; ABl. EU 2011, Nr. C 252/13)

 

Tatbestand

„Direktversicherung (Lebensversicherung) ‐ Jährliche Steuer auf Versicherungsverträge ‐ Richtlinie 2002/83/EG ‐ Art. 1 Abs. 1 Buchst. g und Art. 50 ‐ Begriff des Mitgliedstaats der Verpflichtung ‐ In den Niederlanden niedergelassenes Versicherungsunternehmen ‐ Versicherungsnehmer, der in den Niederlanden einen Versicherungsvertrag abgeschlossen und nach Vertragsschluss seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Belgien verlegt hat ‐ Freier Dienstleistungsverkehr“

In der Rechtssache C-243/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel (Belgien) mit Entscheidung vom 6. Mai 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Mai 2011, in dem Verfahren

RVS Levensverzekeringen NV

gegen

Belgische Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič, E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der RVS Levensverzekeringen NV, vertreten durch S. Lodewijckx und A. Claes, advocaten,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J. C. Halleux als Bevollmächtigte,

‐ der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,

‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Yerrell, K.-P. Wojcik und F. Wilman als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. September 2012

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 Abs. 1 Buchst. g und 50 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. L 345, S. 1) sowie der Art. 49 AEUV und 56 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RVS Levensverzekeringen NV (im Folgenden: RVS) und dem belgischen Staat über die Entrichtung der jährlichen Steuer auf Lebensversicherungsverträge.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Richtlinie 2002/83 wurde mit Wirkung vom 1. November 2012 durch die Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. L 335, S. 1) aufgehoben. Im Ausgangsrechtsstreit findet jedoch weiterhin die Richtlinie 2002/83 Anwendung.

Rz. 4

Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/83 lautet:

„Der Binnenmarkt im Bereich der Direktversicherung (Lebensversicherung) muss unter dem doppelten Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs in den Mitgliedstaaten vollendet werden, um es den Versicherungsunternehmen mit Sitz in der Gemeinschaft zu erleichtern, innerhalb der Gemeinschaft Verpflichtungen einzugehen und es den Versicherungsnehmern zu ermöglichen, sich nicht nur bei in ihrem Land niedergelassenen Versicherungsunternehmen, sondern auch bei solchen zu versichern, die ihren Geschäftssitz in der Gemeinschaft haben und in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind.“

Rz. 5

Im 13. Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:

„Aus praktischen Gründen ist es angezeigt, den Dienstleistungsverkehr unter Berücksichtigung einerseits der Niederlassung des Versicherungsunternehmens und andererseits des Ortes, in dem die Verpflichtung eingegangen wird, zu definieren. Deshalb muss auch die Verpflichtung definiert werden. …“

Rz. 6

Der 55. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/83 lautet:

„In einigen Mitgliedstaaten werden Versicherungsverträge keiner indirekten Steuer unterworfen, während die Mehrheit der Mitgliedstaaten auf Versicherungsverträge besondere Steuern oder andere Abgaben erhebt. Zwischen den Mitgliedstaaten, die diese Steuern und Abgaben erheben, bestehen...

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