Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Lieferung, Übertragung einer Immobilie durch eine Gemeinde auf den Staat, Immobilienübertragung durch eine Gemeinde für Zwecke des Straßenbaus, Steuerbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und Art. 14 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass die kraft Gesetzes und gegen Zahlung einer Entschädigung erfolgte Übertragung des Eigentums an einer Immobilie eines Mehrwertsteuerpflichtigen auf den Fiskus eines Mitgliedstaats in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der dieselbe Person gleichzeitig das enteignende Organ und die enteignete Gemeinde vertritt und in der Letztere in der Praxis die betreffende Immobilie weiterhin verwaltet, auch dann einen mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz darstellt, wenn die Leistung der Entschädigung nur in einer internen Umbuchung im Rahmen des Gemeindehaushalts besteht.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2 Buchst. a

 

Beteiligte

Minister Finansów

Gmina Wroclaw

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 14.09.2016; ABl. EU 2017, Nr. C 112/15)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 2 Abs. 1 Buchst. a ‐ Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt ‐ Art. 14 Abs. 1 ‐ Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen ‐ Art. 14 Abs. 2 Buchst. a ‐ Zum Zweck des Baus einer Nationalstraße und gegen Zahlung einer Entschädigung erfolgte Übertragung des Eigentums an einem einer Gemeinde gehörenden Gegenstand auf den Fiskus ‐ Begriff ‚Entschädigung‘ ‐ Mehrwertsteuerpflichtiger Umsatz“

In der Rechtssache C-665/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 14. September 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 2016, in dem Verfahren

Minister Finansów

gegen

Gmina Wrocław

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Minister Finansów, vertreten durch J. Kaute und M. Kowalewska,

‐ der Gmina Wrocław, vertreten durch A. Januszkiewicz, radca prawny, und J. Martini, doradca podatkowy,

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und A. Kramarczyk-Szaładzińska als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Gossement und L. Baumgart als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Februar 2018

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Minister Finansów (Finanzminister, Polen, im Folgenden: Minister) und der Gmina Wrocław (Gemeinde Wrocław, Polen, im Folgenden: Gemeinde) über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit eines Umsatzes, in dessen Rahmen das Eigentum an der Gemeinde gehörenden Immobilien im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und gegen Zahlung einer Entschädigung zum Zweck des Baus einer Nationalstraße auf den Fiskus übertragen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;

…“

Rz. 4

Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

Rz. 5

Art. 13 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Beh...

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