Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit, Abtretung eines Grundstücks an den Staat durch eine öffentliche Einrichtung, Abtretung eines Grundstücks zur Begleichung von Steuerschulden, Begriff der Lieferung

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass die Übertragung des Eigentums an einem unbeweglichen Gegenstand, die, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, zur Begleichung von Steuerrückständen von einem Mehrwertsteuerpflichtigen zugunsten des Fiskus oder einer Gebietskörperschaft eines Mitgliedstaats vorgenommen wird, keine der Mehrwertsteuer unterliegende Lieferung eines Gegenstands gegen Entgelt darstellt.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1

 

Beteiligte

Posnania Investment

Minister Finansów

Posnania Investment SA

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 21.09.2015; ABl. EU 2016, Nr. C 145/17)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 2 Abs. 1 Buchst. aArt. 14 Abs. 1 ‐ Steuerbare Umsätze ‐ Begriff ‚Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt‘ ‐ Abtretung eines Grundstücks an den Staat oder an eine Gebietskörperschaft zur Begleichung einer Steuerschuld ‐ Nichteinbeziehung“

In der Rechtssache C-36/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 21. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Januar 2016, in dem Verfahren

Minister Finansów

gegen

Posnania Investment SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Februar 2017

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Minister Finansów (Finanzminister, Polen, im Folgenden: Minister) und der Posnania Investment SA (im Folgenden: Posnania) über die Mehrwertsteuerpflichtigkeit eines Vorgangs, in dessen Rahmen diese Gesellschaft das Eigentum an einem Grundstück als Ausgleich für eine Steuerschuld an eine Gebietskörperschaft übertragen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;

…“

Rz. 4

Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

Rz. 5

Nach Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie gilt als „Lieferung von Gegenständen“ die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

Rz. 6

Art. 16 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

Jedoch werden einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt nicht gleichgestellt Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster für die Zwecke des Unternehmens.“

Polnisches Recht

Rz. 7

Art. 2 Nr. 6 der Ustawa o podatku od towarów i usług (Gesetz über die Steuer auf Gegenstände und Dienstleistungen) vom 11. März 2004 in geänderter Fassung (Dz. U. 2011, Nr. 177, Position 1054, im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) bestimmt:

„Wenn in den weiteren Bestimmungen die Rede ist von: … Gegenständen ‐ so sind darunter Sachen und ihre Teile sowie E...

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