[Ohne Titel]

Stefanie Guerra, RAin / Chiara Krafft[*]

Erbfälle mit Auslandsberührung sind alltäglich geworden. Die Europäische Erbrechtsverordnung hat die Rechtslage aus zivilrechtlicher Sicht in vielen Punkten vereinfacht. An der Schnittstelle zum Erbschaftsteuerrecht ist vieles jedoch noch ungeklärt.

Der BFH hat sich nunmehr mit Urteil vom 17.11.2021 – II R 39/19, DStR 2022, 759 mit Anm. Kugelmüller-Pugh, mit der Frage der Einbettung italienischen Erbrechts in das deutsche Erbschaftsteuerrecht beschäftigt. Um den für die Besteuerung maßgeblichen Zeitpunkt zu bestimmen, ist das ausländische materielle Recht zu analysieren und mittels Vergleichs mit dem deutschen Recht eine Art funktionelle Übersetzung für Zwecke des Erbschaftsteuerrechts zu finden.

Die Entscheidung des BFH hat nicht nur für das italienische Erbrecht Bedeutung. Für den Berater ist es wichtig, die maßgeblichen (ausländischen) zivilrechtlichen und steuerlichen Kriterien zu kennen, um die Steuerpflicht im Einzelfall zu erkennen und dementsprechend berücksichtigen zu können.

[*] Stefanie Guerra ist als Rechtsanwältin bei Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft in Stuttgart tätig. Chiara Krafft ist dort als Wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig.

I. Einführung

Die Erbschaftsteuer entsteht bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Als Erwerb von Todes wegen gilt u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB) oder durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB), § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Das ErbStG knüpft mithin für die Besteuerung expressis verbis an die Vorschriften des deutschen BGB an.

Auf Erbfälle mit Auslandsberührung ist jedoch nicht immer deutsches Erbrecht anzuwenden. Vielmehr ist stets im Einzelfall zu prüfen, nach dem Erbrecht welchen Landes sich die zivilrechtliche Rechtsnachfolge vollzieht. Mit Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung und der EU-Güterrechtsverordnung haben sich im Bereich des Zivilrechts grundlegende Änderungen vollzogen, die jedoch keine entspr. Änderungen oder Klarstellungen im ErbStG nach sich gezogen haben.

Es entspricht stetiger höchstrichterlicher Rspr., dass das deutsche ErbStG auch Erbfälle erfasst, auf die nicht deutsches Erbrecht Anwendung findet, sondern die sich nach ausländischem Erbrecht vollziehen. (Als Prämisse vorweggenommen in BFH v. 15.5.1964 – II 177/61 U, BFHE 79, 481 = BStBl. III 1964, 408; BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462; BFH v. 28.2.1979 – II R 165/74, BFHE 127, 432 = BStBl. II 1979, 438; BFH v. 7.5.1986 – II R 137/79, BFHE 147, 70 = BStBl. II 1986, 615. Ausdrücklich BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, BStBl. II 2012, 782 Rz. 20 mit Verweis auf § 3 I Nr. 1 ErbStG = ErbStB 2012, 296 [Esskandari/Bick]. Vgl. auch BFH v. 19.10.1956 – III 128/55 U, BFHE 63, 431 = BStBl. III 1956, 363 Rz. 2, mit Verweis auf den RFH v. 25.10.1922/10.1.1923 – VI A 199/22 (Steuer und Wirtschaft 1923 Nr. 254 bzw. 309); BFH v. 2.2.1977 – II R 150/71, BFHE 121, 500 = BStBl. II 1977, 425 Rz. 8; BFH v. 8.6.1988 – II R 243/82, BFHE 153, 422 = BStBl. II 1988, 808: "[...] ist es für die Zurechnung eines Wirtschaftsguts unerheblich, aufgrund welcher Rechtsordnung es erworben worden ist.")

Das ErbStG ist zwar vom deutschen Zivilrecht geprägt und darauf zugeschnitten, jedoch muss Vermögen, das ausländischem Erbrecht unterfällt, wirtschaftlich betrachtet vom deutschen Steuerrecht umfasst sein (BFH v. 19.10.1956 – III 128/55 U, BFHE 63, 431 = BStBl. III 1956, 363; BFH v. 20.7.1960 – II 262/57, BStBl. III 1960, 385; BFH v. 15.5.1964 – II 177/61 U, BFHE 79, 481 = BStBl. III 1964, 408; BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462; BFH v. 8.6.1988 – II R 243/82, BFHE 153, 422 = BStBl. II 1988, 808; BFH, U. v. 7.5.1986 – II R 137/79, BFHE 147, 70 = BStBl. II 1986, 615; davor bereits RFH v. 8.10.1929 – V e A 62/28, StuW 1929, Nr. 996).

Nach der sog. zweistufigen Objektsqualifikation ist in diesen Fällen auf der ersten Stufe zunächst zu ermitteln, ob das ausländische Rechtsinstitut den entspr. deutschen Rechtsinstituten zuzuordnen ist (dargestellt von Folttmann, ZErb 2021, 4, 7. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, 62. EL 7/2021, § 2 Rz. 92). Gelingt dies nicht, ist auf der zweiten Stufe nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise darüber zu entscheiden, welches Rechtsinstitut dem ausländischen am ehesten entspricht. Die dazu erforderliche Vergleichbarkeit ist anhand des Tatbestandes, aber auch anhand der Rechtsfolgen und wirtschaftlichen Bedeutung der Rechtsinstitute für den Erbanfall zu bestimmen. Es gilt zu ermitteln, welchem durch das ErbStG erfassten Erwerb der jeweilige Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung gleichkommt (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, 62. EL 7/2021, § 2 Rz. 92, 95, mit Verweis auf RFH v. 8.10.1929 – V e A 62/28, StuW 1929, Nr. 996; BFH v. 19.10.1956 – III 128/55 U, BFHE 63, 431 = BStBl. III 1956, 363; BFH v. 15.5.1964 – II 177/61 U, BFHE 79, 481 = BStBl. III 1964, 408; BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462; BFH v. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge