Wann sind Abweichungen zwischen Steuer- und Handelsbilanz vermeidbar?

[Ohne Titel]

Dipl.-Kfm. Dr. Timmy Wengerofsky[*]

Ein am 26.2.2021 publiziertes BMF-Schreiben setzt einen neuen Maßstab bei der Abschreibung von "digitalen" Wirtschaftsgütern und ermöglicht, diese über einen Zeitraum von einem einzigen Jahr abzuschreiben. Unklar sind die handelsbilanziellen Auswirkungen, die eine Ausübung dieses – BMF-seitig gewährten – Wahlrechts nach sich ziehen. Der folgende Aufsatz ordnet die neue Abschreibeoption kritisch ein und zeigt die handelsbilanziellen Folgen der Ausübung auf.

[*] Referent für Steuern und Gesellschaftsrecht bei der IHK zu Köln. Der Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

I. BMF räumt Wahlrecht ein

Am 26.2.2021 hat das BMF ein Schreiben zur Nutzungsdauer für "digitale Wirtschaftsgüter", d.h. für Computerhardware und Software, veröffentlicht[1]. Mit dem Schreiben wird dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht für die dort genannten Investitionen eingeräumt. So kann für die nach § 7 Abs. 1 EStG anzusetzende Nutzungsdauer für

  • die materiellen Wirtschaftsgüter "Computerhardware" sowie
  • die näher bezeichneten immateriellen Wirtschaftsgüter "Betriebs- und Anwendersoftware"

eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden, mit der Folge, dass die Anschaffungs-/Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung/Herstellung in voller Höhe

abgezogen werden können.

BMF greift keine handelsbilanziellen Folgen auf: Während das Schreiben spezifisch auf steuerrechtliche Aspekte der einjährigen Nutzungsdauerfiktion eingeht, werden handelsbilanzielle Folgen nicht aufgegriffen.

Wie wirkt sich das wahrgenommene Wahlrecht auf die Handelsbilanz aus? Von besonderer Relevanz für die Praxis dürfte indes sein, welche Auswirkungen sich durch die Wahrnehmung des Wahlrechts auf die Handelsbilanz ergeben. Insbesondere unter dem Aspekt

  • des seit BilMoG weggefallenen Grundsatzes der umgekehrten Maßgeblichkeit einerseits sowie
  • der unterschiedlichen Zielsetzungen von Handelsbilanz (Informations- und Gläubigerschutzfunktion) und Steuerbilanz (Zahlungsbemessungsfunktion) andererseits,

gilt es zu eruieren, inwiefern eine Nachbildung der einjährigen Nutzungsdauerfiktion handelsbilanziell überhaupt für digitale Vermögensgegenstände möglich ist.

[1] BMF v. 26.2.2021 – IV C 3 -S 2190/21/10002 :013 – DOK 2021/0231247, EStB 2021, 162 (Felten/Jäckel).

II. Zum Inhalt des neuen BMF-Schreibens

1. Betroffene Wirtschaftsgüter

Im einleitenden Teil des Schreibens erläutert das BMF, dass

  • Computerhardware inkl. der dazugehörigen Peripheriegeräte sowie
  • Betriebs- und Anwendersoftware

den Kernbereich der Digitalisierung darstellen. Da gerade diese Wirtschaftsgüter "aufgrund des raschen technischen Fortschritts einem immer schnelleren Wandel" unterliegen und "die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, die der Abschreibung nach § 7 EStG zugrunde zu legen ist, [...] für diese Wirtschaftsgüter seit rund 20 Jahren nicht mehr geprüft" wurde, bedürfe es "einer Anpassung an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse."

Sodann wird in Rz. 1 des BMF-Schreibens dargelegt, dass für die Wirtschaftsgüter "Computerhardware" und "Software" eine Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden kann. Es besteht damit die Wahl zwischen

  • einer Sofortabschreibung und
  • der Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer.

Die Begriffe "Computerhardware" sowie "Software" werden dann in Rz. 2 ff. weiter konkretisiert. Insbesondere dem ersten Begriff widmet sich ein Großteil des Schreibens.

"Computerhardware": So werden der "Computerhardware" gemäß den Ausführungen der Finanzverwaltung in Rz. 3 folgende Bestandteile zugerechnet:

  • Computer,
  • Desktop-Computer,
  • Notebook-Computer (wie z.B. Tablet, Slate oder mobiler Thin-Client),
  • Desktop-Thin-Client,
  • Workstation,
  • mobile Workstation,
  • Small-Scale-Server,
  • Dockingstation,
  • externes Netzteil,
  • Peripherie-Geräte (wie z.B. Tastatur, Maus, Scanner, Kamera, Mikrofon, Headset),
  • externe Speicher (Festplatte, DVD-/CD-Laufwerk, USB-Stick, Streamer),
  • Ausgabegeräte (wie z.B. Beamer, Plotter, Headset, Lautsprecher, Monitor oder Display), sowie
  • Drucker (Laser-, Tintenstrahl- oder Nadeldrucker).

Beachten Sie: Die Definition zeigt, dass anscheinend (sehr) große Server nicht hierunter fallen sollen, da lediglich von "Small-Scale-Servern" die Rede ist. Gemäß Rz. 4 ist für einen Teil der Computerhardware erforderlich, dass eine Ökodesign-Kennzeichnung erfolgt ist. Auffallend ist, dass

  • Komponenten eines Computer-Netzwerks (LAN-Kabel, Router oder ein Switch zur Verbindung mehrerer Komponenten) sowie
  • Tablets und
  • Smartphones

nicht explizit aufgeführt werden.

Beraterhinweis Es ist daher ratsam, im jeweils zugrunde liegenden Einzelfall genau zu prüfen, ob ein Wirtschaftsgut in den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens fällt oder nicht – auch wenn die Grenzen zwischen Laptops und Tablets in der Praxis fließend sein mögen.

"Software": Vom Begriff der "Software" werden i.S.d. knapp gefassten Rz. 5 des Schreibens "die Betriebs- und Anwendersoftware zur Da...

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