Das Gesetz enthält keine Aussage dazu, welche Sachverhalte als begründete Ausnahmefälle einzustufen sind. Einigkeit im Schrifttum besteht jedoch darüber, dass die Ausnahmevorschrift nicht greift, soweit für einen Sachverhalt spezielle gesetzliche Bewertungsvorschriften gelten, da diese den allgemeinen Grundsätzen vorgehen.[20]

Zulässigkeit einer Bewertungsmethodenabweichung: Im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Bewertungsmethodenabweichung liegt laut Schrifttum u.a. ein begründeter Ausnahmefall i.S.d. § 252 Abs. 2 HGB

  • insbesondere dann vor, wenn allgemeine bilanzsteuerrechtliche Vergünstigungen oder Abschreibungsregelungen, welche keinen Subventionscharakter haben, wegfallen oder neu geschaffen werden, soweit diese als handelsrechtliche Grundsätze übernommen werden.[21]
  • Ferner kommt für Bewertungsfälle, auf welche die allgemeinen Bewertungsvorschriften anzuwenden sind, eine Abweichung nach Abs. 2 dann in Betracht, wenn die Gewichtung der Ziele und Zwecke des Jahresabschlusses verändert wird.[22]

Subventionscharakter der Sofortabschreibungsoption? Überprüft man den Subventionscharakter des neuen Wahlrechts, so ist festzustellen, dass mit dem Bund-Länder-Beschluss[23] vom 19.1.2021 angekündigt worden war, dass zur "Stimulierung der Wirtschaft und zur Förderung der Digitalisierung (...) bestimmte digitale Wirtschaftsgüter rückwirkend ab dem 1.1.2021 sofort abgeschrieben werden" können. Hingegen ist im finalen BMF-Schreiben nicht mehr erwähnt, dass die einjährige Nutzungsdauerfiktion durch die aktuelle wirtschaftliche Situation ausgelöst ist und der "Stimulierung der Wirtschaft" dienen soll.[24]Beachten Sie: Ein intendierter Subventionscharakter der Sofortabschreibungsoption kann damit zumindest infrage gestellt werden.

Aber auch bei dessen klarer Negierung kann m.E. nicht davon auszugehen sein, dass es die Intention des Gesetzgebers war, die steuerrechtlich ermöglichte Sofortabschreibung (auch) als einen handelsrechtlichen Grundsatz zu festigen. Ebenso ist nicht zu erkennen, dass durch die unterschiedlichen Unterstützungsmaßnahmen, die steuerrechtlich und handelsrechtlich sowohl verwaltungsseitig als auch gesetzlich zur Überwindung der Corona-Krise gewährt wurden bzw. werden, eine Veränderung der Jahresabschlussziele beabsichtigt ist. Beachten Sie: Argumente, welche für die generelle Übernahme der Einjahresfiktion bei digitalen Vermögensgegenständen gegenüber der Einhaltung der handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätze sprechen, sind daher nur schwer ersichtlich.

Einer pauschalen Übernahme der Sofortabschreibung digitaler Vermögensgegenstände und der Vermutung, dass im Falle einer zum Steuerrecht korrespondierenden Sofortabschreibung in der Handelsbilanz stets ein Ausnahmefall i.S.d. § 252 Abs. 2 HGB vorliegt, fehlt es daher an einer Begründung.

Fraglich ist jedoch, ob über den Grundsatz der Wesentlichkeit und Wirtschaftlichkeit eine solche hergeleitet werden kann.

[20] Vgl. ausführlich dazu Störk/Büssow in BeckBilKomm., 12. Aufl. 2020, § 252 Rz. 72 ff.; Ballwieser in MünchKomm/HGB, 4. Aufl. 2020, § 252 Rz. 96.
[21] Vgl. Förschle/Kropp, ZfB 1986, 885.
[22] Vgl. Kropp/Rade, WPg 2008, 13 ff. m.w.N.
[23] Beschluss von Bund und Ländern v. 19.1.2021, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bund-laender-beschluss-1841048.
[24] Vgl. dazu auch Endert, DStR 2021, 591.

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