Keine Bestandskraft: Dies gilt auf jeden Fall, wenn die Veranlagungen für diese VZ noch nicht bestandskräftig sind (also für die VZ 2022 und 2023[59]).

Bestandskraft: Soweit bereits (formelle) Bestandskraft bestünde (also für die VZ 2021 und früher[60]), wäre eine Berichtigung der Erklärungen nur unter den Voraussetzungen der §§ 172 ff. AO möglich. Nähme man an, dass diese Voraussetzungen nicht vorlägen, wäre eine rückwirkende Korrektur auf der Grundlage der Gutgläubigkeit vermutlich nicht mehr möglich.[61]

Korrektur "ex nunc": Im Fall der Bestandskraft könnte V aber das Korrekturverfahren gem. § 14c Abs. 1 S. 2 UStG anwenden (sich also nicht auf die Gutgläubigkeit und deren rückwirkende Berücksichtigung berufen). Die Berichtigung des Steuerbetrags gegenüber dem Leistungsempfänger gem. § 14c Abs. 1 S. 2 UStG ist nämlich in zeitlicher Hinsicht unbegrenzt möglich. Da die Berichtigung keine rückwirkende Kraft entfaltet, ist eine eventuell eintretende Festsetzungsverjährung für das Jahr der Entstehung der § 14c-Schuld für die Korrektur ohne Bedeutung.[62] Wäre also z.B. die Veranlagung für den VZ 2021 bei V bereits bestandskräftig, könnte er – nach der Berichtigung der Rechnungen – im VZ 2024 die im VZ 2021 entstandene Steuerschuld gem. § 14c Abs. 1 S. 1 UStG berichtigen.[63]

[59] Im unter V. aufgeführten Beispielsfall.
[60] Im unter V. aufgeführten Beispielsfall.
[61] Das wäre allerdings eine Folge dessen, dass dieser Fall im deutschen Gesetz nicht geregelt ist (s. oben VI. 3. a) aa)). Es wäre zu prüfen, ob eine solche Schlechterstellung des gutgläubigen Rechnungsausstellers ggü. einem nicht gutgläubigen Rechnungsaussteller (dieser könnte die Korrektur zeitlich unbegrenzt durchführen; vgl. die nachfolgenden Ausführungen) unionsrechtlich zulässig wäre.
[62] FG München v. 27.5.2020 – 3 K 654/18, juris Rz. 41; FG Düsseldorf v. 4.12.2020 – 1 K 1510/18 AO, juris Rz. 127; FG Münster v. 27.6.2022 – 15 K 2327/20 AO, juris Rz. 36; Weymüller in BeckOK UStG, 37. Ed. 18.6.2023, § 14c UStG Rz. 168; Neeser in Wäger, § 14c UStG Rz. 51.
[63] Entsprechendes würde für alle VZ vor 2021 gelten, wenn V sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen würde. Nicht geklärt ist, ob V die Steuerschuld für diese VZ auch dann korrigieren dürfte, wenn er sich auf die Einrede der Verjährung berufen würde. Der XI. Senat des BFH ging in seinem Urt. v. 16.5.2018 (BFH v. 16.5.2018 – XI R 28/16, juris; entgegen dem Wortlaut des Gesetzes) davon aus, dass für die Berichtigung einer Steuerschuld i.S.d. § 14c Abs. 1 UStG "neben der Rechnungskorrektur gegenüber dem Leistungsempfänger grundsätzlich auch erforderlich ist, dass der Unternehmer [...] den vereinnahmten Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat" (Rz. 59; darauf, in welcher Höhe diese Rückzahlung zu erfolgen habe, ging der BFH nicht ein, s. hierzu unten VI.4.). Zahle er den Betrag nicht an den Leistungsempfänger zurück, sei der Leistende "doppelt begünstigt; denn einerseits hat er das Entgelt zzgl. Umsatzsteuer regelmäßig bereits vereinnahmt und andererseits könnte er im Fall einer bedingungslosen Erstattung den berichtigten Steuerbetrag vom FA nochmals verlangen" (Rz. 52). Hierbei wird allerdings nicht klar, warum der Leistende "doppelt begünstigt" sein soll; die MwSt, die er vom Leistungsempfänger vereinnahmt hat, hat er an das FA abgeführt. Erhielte er sie zurück, wäre er "einfach begünstigt". Auch im Fall von sog. Festpreisen ist nicht einsehbar, warum der Leistende sein Geld vom FA nur dann erstattet bekommen soll, wenn er die entsprechenden Beträge an den Leistungsempfänger zurückzahlt; hierfür gäbe es keine Anspruchsgrundlage. Kritisch zum "Rückzahlungserfordernis" s. auch Streit, Steuerschuld durch Steuerausweis, Hamburg 2017, S. 266; Prätzler, jurisPR-SteuerR 39/2018 Anm. 5; Reiß, MwStR 2018, 835 (844); Streit, DB 2019, 148; Marchal, MwStR 2018, 835 (841); Haupt, DStR 2018, 1953 (1956); Oldiges, NWB 42/2018, 3074; Grambeck/Albrecht UR 2018, 865; von Streit/Streit, UR 2021, 689 ff.

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