[Ohne Titel]

Dipl.-Finw. (FH) Christian Anemüller[*]

Der zweiteilige Beitrag greift die Fragestellungen auf, die die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag für im Privatvermögen gehaltene Kapitalanlagen betreffen. In Teil I (ErbStB 2021, 347) wurden im Zusammenhang damit auch auf die Grundzüge der Erklärungspflicht gem. § 32d Abs. 3 EStG eingegangen. Teil II nimmt relevante Einzelfragen zur Veranlagung bei fehlender Abgeltungswirkung in den Blick. Ausführungen zur aktuellen Rspr. des BFH zur Abgeltungswirkung des Steuerabzugs auf Scheinrenditen aus Schneeballsystemen runden die Darstellung ab.

[*] Der Autor ist in der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

I. Einzelfragen zur Veranlagungspflicht bei fehlender Abgeltungswirkung des Steuerabzugs

1. Allgemeines zur Veranlagungspflicht des § 32d Abs. 3 EStG

§ 32d Abs. 3 Satz 1 EStG regelt für steuerpflichtige Kapitalerträge, die nicht der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, die Deklarationspflicht des Stpfl. in seiner Einkommensteuererklärung.

Steuerpflichtige Kapitalerträge, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht dem Kapitalertragsteuerabzug unterlegen haben, hat der StPfl. nach § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG in seiner Einkommensteuererklärung anzugeben (BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004:017, BStBl. I 2016, 85 – Rz. 144 [im Folgenden BMF v. 18.1.2016]). Hierzu gehören insb. die folgenden Kapitalerträge (s. hierzu i.E. Kühner in HHR, EStG/KStG, § 32d EStG Rz. 67 m.w.N.):

  • verdeckte Gewinnausschüttungen,
  • Erträge aus ausländischen thesaurierenden Investmentfonds,
  • Zinsen aus Hypotheken und Grundschulden und Renten aus Rentenschulden sowie Gewinne aus der Übertragung von Hypotheken, Grund- und Rentenschulden,
  • Zinseinnahmen aus Privatdarlehen,
  • Zinsscheine bestimmter Fremdwährungsanleihen, z.B. der Afrikanischen Entwicklungsbank, der Asiatischen Entwicklungsbank, der International Finance Corporation, der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank, wenn die Zinsscheine im Tafelgeschäft bei Kreditinstituten eingelöst werden, die in den jeweiligen Emissionsbedingungen als Zahlstellen genannt sind. Dies gilt auch für die Einlösung der Anleihen (BMF v. 18.1.2016, BStBl. I 2016, 85, zul. geändert durch BMF v. 12.4.2018, BStBl. I 2018, 624 Rz. 160),
  • Gewinne aus der Veräußerung von GmbH-Anteilen,
  • Veräußerung oder Beendigung von partiarischen Darlehen oder stiller Gesellschaften,
  • Gewinne aus der Veräußerung von Ansprüchen aus Versicherungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG,
  • Kapitalerträge, die dem Stpfl. über eine ausländische Zahlstelle zufließen,
  • negative Quellensteuern (BMF v. 18.1.2016, BStBl. I 2016, 85 Rz. 241c).

2. Veranlagungspflicht auch bei zu niedrigem Steuerabzug

Unstrittig ist, dass Kapitalerträge, die im Inland steuerpflichtig sind, aber keinem inländischen Steuerabzug unterlegen haben, gesondert erklärt werden müssen (s. z.B. Kühner in HHR, EStG/KStG, § 32d EStG Rz. 66; Werth in Brandis/Heuermann, EStG, § 32d EStG Rz. 120; Levedag in Schmidt, EStG, § 32d EStG Rz. 22). Ausweislich der Begründung zum JStG 2010 v. 21.6.2010 trifft die Veranlagungspflicht i.S.d. § 32d Abs. 3 EStG jeden Kapitalertrag, für den keine (vollständige) Abgeltungswirkung eingetreten ist. Gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG tritt die Abgeltungswirkung nur insoweit ein, als die Erträge der Höhe nach dem Steuerabzug unterliegen. Für den darüberhinausgehenden Betrag besteht eine Veranlagungspflicht nach § 32d Abs. 3 EStG. Das heißt im Ergebnis, auch für Kapitalerträge, die zu Recht oder zu Unrecht nur teilweise dem Steuerabzug unterlegen haben, besteht eine Veranlagungspflicht (vgl. Moritz / Strohm in Frotscher/Geurts, EStG, Stand: 21.4.2016, § 32d EStG Rz. 68).

Rechtmäßig zu geringer Steuerabzug: Berechtigt ist der ggf. nur teilweise erfolgte Steuerabzug insb. in Fällen einer Ersatzbemessungsgrundlage gem. § 43a Abs. 2 Satz 7 ff. EStG. In solchen Fällen kennt die zum Steuerabzug verpflichtete Stelle nicht die tatsächlichen AK und kann daher die zutreffende BMG für den Steuerabzug nicht ermitteln. Im BMF-Schreiben v. 18.1.2016, BStBl. I 2016, 85 Rz. 144 wird explizit auf die Regelungen zur Deklarationspflicht in Fällen der Ersatzbemessungsgrundlage (BMF-Schreiben v. 18.1.2016 Rz. 183) verwiesen, sofern der Steuerabzug auf Ebene des Steuerabzugsverpflichteten geringer war, als der tatsächliche Gewinn.

Beraterhinweis Nach den Ausführungen im BMF-Schreiben v. 18.1.2016, BStBl. I 2016, 85 – Rz. 183 sieht die Finanzverwaltung von der (Nach-)Versteuerung des Veräußerungsgewinns aus Billigkeitsgründen ab, wenn die Differenz je Veranlagungszeitraum nicht mehr als 500 EUR beträgt und keine weiteren Gründe für eine Veranlagung nach § 32d Abs. 3 EStG vorliegen (krit. hierzu Moritz / Strohm in Frotscher/Geurts, EStG, Stand: 21.4.2016, § 32d Rz. 69).

Zu Unrecht ist ein Steuerabzug zu niedrig erfolgt, wenn er der Höhe nach nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Steuerbelastung gem. § 43a Abs. 1 EStG entspricht und diese nicht übersteigt.

Erklärungspflicht aus systematischen Gründen: Auch aus der Systematik der Vorschriften zur Abgeltungswirkung des Steuerabzugs einerseits und der korrespondierenden Erklärungspflicht des §...

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