[Ohne Titel]

StB Dipl.-Finw. Justus Dedden, M.A. (Taxation) / StB Philipp Glatz, M.A. (Taxation)[*]

In der Praxis existieren immer noch zahlreiche Anwendungsfragen i.R.d. sog. Familienheims, welche erst durch die Rspr. gelöst werden können. Die erfolgreiche Inanspruchnahme der vorgenannten Steuerbefreiungen für das erbschaftsteuerliche Familienheim gewinnt durch die i.R.d. JStG 2022 erfolgten umfassenden Anpassungen der Grundbesitzbewertung weiter an Bedeutung. Gegenstand des vorliegenden Beitrags sind deshalb die besonders praxisrelevanten Anwendungsfragen im Zusammenhang mit den Begriffen der "unverzüglichen Selbstnutzung" des Familienheims sowie die Aufgabe der Selbstnutzung aus "zwingenden Gründen" nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG. Die Problematik wird überblickartig anhand ausgewählter finanzgerichtlicher Verfahren dargestellt, wobei die Rspr. ausgewertet und analysiert wird. Der Beitrag schließt mit den wesentlichen Praxishinweisen.

[*] Justus Dedden ist bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft Dr. Bönkhoff & Gilbers PartG mbB in Oldenburg beschäftigt. Zudem ist er bundesweit in der Aus- und Fortbildung von Steuerberatern und Steuerberateranwärtern tätig. Philipp Glatz ist bei der Steuerberatungsgesellschaft Melzer & Kollegen GmbH & Co. KG in Lahr beschäftigt. Zudem ist er Lehrbeauftragter an der DHBW Villingen-Schwenningen.

I. Einleitung

Die Steuerbefreiungen für das sog. Familienheim in § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG wurden bereits mit dem JStG 1997 (BGBl. I 1996, 2049) eingeführt. In der Praxis existieren immer noch zahlreiche Anwendungsfragen, welche erst durch die Rspr. gelöst werden können. Die erfolgreiche Inanspruchnahme der vorgenannten Steuerbefreiungen für das erbschaftsteuerliche Familienheim wird durch das JStG 2022 weiter an Bedeutung gewinnen. Die umfassenden Anpassungen der Grundbesitzbewertung im BewG an die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) v. 14.7.2021 werden wohl zu einer erheblichen Erhöhung der Grundbesitzwerte für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke führen (vgl. Bräutigam, NWB-EV 2022, 374; s. auch Dedden/Glatz, NWB 2022, 3663, 3668, im Kontext des Gestaltungsmittels Kettenschenkung). Gegenstand des vorliegenden Beitrags sind deshalb die besonders praxisrelevanten Anwendungsfragen im Zusammenhang mit den Begriffen der "unverzüglichen Selbstnutzung" des Familienheims sowie die Aufgabe der Selbstnutzung aus "zwingenden Gründen" nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG. Die Problematik soll überblickartig anhand ausgewählter finanzgerichtlicher Verfahren dargestellt werden. Dabei werden sowohl die Vorinstanzen als auch die höchstrichterlichen Revisionsentscheidungen des BFH ausgewertet und analysiert. Der Beitrag schließt mit den wesentlichen Praxishinweisen.

II. Unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken

1. Problemstellung

Das Familienheim spielt bei der erbschaftsteuerlichen Gestaltungssuche eine entscheidende Rolle, da § 13 Abs. 1 Nr. 4a bis 4c ErbStG zusätzlich zu dem persönlichen Freibetrag eine wertunabhängige Steuerbefreiung für das Familienheim vorsieht (vgl. Mesbacher-Hönsch, ZEV 2015, 382, 386; Paus, ErbStB 2016, 189, 192; ausdrücklich auch die Finanzverwaltung in R E 13.3 Abs. 5 Satz 2 und 3 ErbStR; eine Ausnahme stellt nur die Wohnflächenbegrenzung auf 200 qm beim Erwerb von Todes wegen durch Kinder in § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG dar).

  • Voraussetzung für die Steuerbefreiung des im Inland oder in der EU/EWR belegenen Familienheims nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG ist u.a., dass der Erblasser bis zum Erbfall die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist.
  • Begünstigte Erwerber sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner (i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes) sowie Kinder bzw. Kinder verstorbener Kinder (i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2). Auslegungsschwierigkeiten bestehen in der Praxis im Tatbestandsmerkmal "unverzüglich", da die Vorschrift selbst keine zeitliche Bestimmung beinhaltet (vgl. Bruschke, ErbStB 2020, 203, 204).
  • Den folgenden, exemplarisch ausgewählten Verfahren vor den FG Münster (vgl. FG Münster v. 28.9.2016 – 3 K 3793/15 Erb, EFG 2016, 2079 m. Anm. Beidenhauser = ErbStB 2017, 2 [Rothenberger]; FG Münster v. 24.10.2019 – 3 K 3184/17 Erb, EFG 2020, 214 m. Anm. Lutter = ErbStB 2020, 39 [E. Böing]) und Düsseldorf (vgl. FG Düsseldorf v. 10.3.2021 – 4 K 2245/19 Erb, EFG 2021, 864 m. Anm. Münch = ErbStB 2021, 173 [Heinrichshofen]) lag in etwa der gleiche und v.a. in der Praxis häufig vorkommende Sachverhalt zugrunde:
  • Die Kläger erbten jeweils eine vom Erblasser selbst genutzte Wohnung. Für diese wurde die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG geltend gemacht. Die Kläger bezogen das sog. Familienheim erst nach umfangreichen Renovierungsarbeiten, in der Spitze sogar knapp drei Jahre nach dem Erbfall. Die beklagten FA versagten die beantragte Steuerbefreiung, da es an der "unverzüglichen" Selbstnutzung fehle.

2. Entscheidungen der FG (Vorinstanzen)

In den drei Entscheidungen folgten die FG im Wesentlichen der Auffassung der Finanzverwaltung un...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge