vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbsteuerbefreiung eines Familienheims: Aufnahme der Selbstnutzung der Wohnung nach Ablauf von sechs Monaten – Bestimmung zur Selbstnutzung bei Verzögerung durch vorhersehbare Renovierungsarbeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Erwerb einer vom Erblasser als Teils seines Grundvermögens genutzten Wohnung ist mangels der unverzüglichen Bestimmung zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht steuerfrei, wenn der Entschluss zur Selbstnutzung der Wohnung aufgrund im Einflussbereich des Erwerbers liegender vorhersehbarer Umstände (Erforderlichkeit der Räumung und der Durchführung von Renovierungsarbeiten) erst 18 Monate nach dem Erbfall umgesetzt wird.

 

Normenkette

ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4c S. 1; BGB § 121

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.03.2022; Aktenzeichen II R 6/21)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Tochter der Erblasserin.

Die Erblasserin war Eigentümerin eines mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks. Eine der Wohnungen nutzte die Erblasserin selbst, die andere Wohnung hatte die Tochter der Klägerin angemietet. Die Gesamtwohnfläche beträgt 250 m2.

Die Erblasserin verstarb am 23.7.2016. Sie wurde von der Klägerin allein beerbt.

Die Klägerin bezog gemeinsam mit ihrem Ehemann nach der Durchführung von Renovierungsarbeiten Anfang 2018 die von der Erblasserin bis zu ihrem Tod genutzte Wohnung in dem Haus.

Am 26.1.2017 reichte die Klägerin eine Erbschaftsteuererklärung ein. Eine Steuerbefreiung für das Grundvermögen wurde nicht geltend gemacht, insbesondere wurde die Anlage ”Steuerbefreiung Familienheim“ nicht beigefügt. Der Beklagte setzte im Februar 2017 zunächst 3.927 € Erbschaftsteuer gegen die Klägerin fest, wobei das streitgegenständliche Grundstück erklärungsgemäß mit einem Wert von 261.000 € als steuerpflichtig behandelt wurde. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Unter Verweis auf den Feststellungsbescheid des Finanzamtes vom 10.12.2018 änderte der Beklagte den ursprünglichen Bescheid nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO ab und setzte unter dem 1.3.2019 gegen die Klägerin nunmehr 79.380 € Erbschaftsteuer fest. Dabei setzte es das streitgegenständliche Grundstück mit dem vom Finanzamt festgestellten Wert von 734.148 € an.

Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Ihr stehe für die von der Erblasserin genutzte Wohnung mit einer Wohnfläche von 185 m2 die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zu. Sie habe mit der Selbstnutzung der von der Erblasserin bewohnten Wohnung erst am 15.1.2018 beginnen können. Zuvor hätten der Hausrat und teilweise hochwertiges Inventar ausgeräumt sowie veräußert werden müssen. Das habe sich bis in den Januar 2017 hingezogen. Die Arbeiten hätten sich wegen ihrer Hüftprobleme verzögert. Da sich seit dem Tod des Ehemannes der Erblasserin im Jahr 2007 ein erheblicher Renovierungsbedarf angestaut habe, habe die Wohnung vor der von ihr im Zeitpunkt des Erbfalls beabsichtigten Selbstnutzung erst in einen zeitgemäßen Zustand gebracht werden müssen. Deshalb hätten die Fußböden erneuert, die Fenster ausgetauscht und die Bäder renoviert werden müssen. Ferner hätten Elektro- und Malerarbeiten ausgeführt werden müssen. Im Zeitraum von Februar bis März 2017 habe sie Gespräche mit Handwerkern geführt und Angebote eingeholt. Die Abgabe der Angebote durch die Handwerker habe sich wegen der guten Auslastung im Ausbaugewerbe bis zum April 2017 verzögert. Erste Aufträge habe sie im Mai 2017 erteilt. Durch ihre fortschreitenden Hüftprobleme sei ihr die gebotene Bauüberwachung nicht immer möglich gewesen. Deshalb seien die Arbeiten nicht entsprechend dem vorgesehenen Zeitplan ausgeführt worden. Die Renovierung des Bads sei erst im November 2017 abgeschlossen worden.

Die Klägerin übersandte eine tabellarische Übersicht hinsichtlich der durchgeführten Arbeiten, wobei neben Ausräum- und Entrümpelungsarbeiten im Wesentlichen der Einbau einer neuen Küche, neuer Fenster und eines Treppenlifts sowie Installations- und Bodenarbeiten ausgewiesen wurden. Als Einzugsdatum gab sie darin den 19.2.2018 an.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 17.7.2019 zurück und führte aus: Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG lägen nicht vor, weil die Klägerin erst am 19.2.2018 und damit nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall in die von der Erblasserin genutzte Wohnung eingezogen sei. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihr ein früherer Einzug aus zwingenden, von ihr nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich gewesen sei. Die Auslastung des Baugewerbes sei ein allgemein bekanntes Problem gewesen. Es sei der Klägerin anzulasten, dass sie nicht auf eine zeitnahe Erstellung der Angebote gedrängt und keine weiteren Angebote eingeholt habe. Die Arbeiten an den Fußböden hätten erst am 19.10.2017 beginnen können, weil die Ausräumarbeiten verzögert durchgeführt worden sein. Die Klägerin hätte für das Ausräumen der Wohnung ei...

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