Rn 1

§ 96 zeigt unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten die Grenzen der nach den §§ 94, 95 in der Insolvenz zulässigen Aufrechnung auf und rundet damit das Regelwerk ab, indem das zu einer Aufrechnung grundsätzlich berechtigende Gegenseitigkeitsverhältnis nach den insolvenzspezifischen Bedürfnissen eingeschränkt wird. Grundsätzlich folgt die Regelung den schon in § 55 KO niedergelegten Grundsätzen, nimmt aber gleichzeitig erhebliche redaktionelle Vereinfachungen und Ergänzungen vor, die die notwendige Klarstellung herbeiführen. Anknüpfungspunkt für den Regelungsinhalt ist neben dem Schutz der Insolvenzmasse wiederum vorrangig der Vertrauensschutzgedanke.

Fehlt die zur Aufrechnung erforderliche erfüllbare Hauptforderung oder Gegenseitigkeit bei Verfahrenseröffnung, so kann ein schutzwürdiges Vertrauen des Insolvenzgläubigers auf eine Befriedigung im Wege der Aufrechnung nicht entstanden sein. Ebenso wenig ist ein Vertrauen schutzwürdig, das sich auf eine in anfechtbarer Weise erworbene Aufrechnungslage bei Verfahrenseröffnung stützt. Schließlich wird klargestellt, dass mit Verfahrenseröffnung eine klare Trennung zwischen insolvenzfreiem Schuldnervermögen und Insolvenzmasse vorgenommen wird, die auch nicht im Wege der Aufrechnung durchbrochen werden soll, was aber im Hinblick auf die Einbeziehung des Neuerwerbs in die Insolvenzmasse nach § 35 als nicht ganz unproblematisch erscheint.

 

Rn 2

§ 96 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 verbieten die Aufrechnung für den Fall, dass die Aufrechnungslage nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist. Für das Eröffnungsverfahren gibt es entsprechende Aufrechnungsschranken auch dann nicht, wenn das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 InsO getroffen hat.[1] Eine dem § 24, der gewisse erst mit Verfahrenseröffnung eintretende Wirkungen ausdrücklich in das Eröffnungsverfahren vorverlagert, entsprechende Regelung ist für die Aufrechnungsverbote nicht getroffen worden. Die §§ 94 bis 96 stellen eine umfassende und abschließende Regelung der Aufrechnungsausschlüsse dar, die auch nicht über eine entsprechende Anwendung von § 394 BGB erweitert werden kann.[2]

 

Rn 3

Die in § 96 enthaltenen Aufrechnungsbeschränkungen gelten auch nicht für Massegläubiger. Diesen bleibt es unbenommen, sich durch Aufrechnung mit ihrer Masseforderung von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der Insolvenzmasse zu befreien. Eine systemwidrige Schmälerung der Insolvenzmasse ist damit nicht verbunden.[3] Dies gilt auch, soweit die Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 aus dem Eröffnungsverfahren herrühren oder gemäß § 123 Abs. 2 durch Abschluss eines Sozialplans begründet werden. Einschränkungen dieses Grundsatzes können sich aber nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Verwalter gemäß § 208 ergeben (vgl. näher § 94 Rn. 3 a. E.).

§ 96 Abs. 2 wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditrechtlicher Vorschriften v. 8. 12. 1999[4] und geändert durch Gesetze vom 5. 4. 2004 und vom 29. 7. 2009 (s. Rn. 16).

[1] BGHZ 159, 388 (390 ff.) = NJW 2004, 3118 f. = ZIP 2004, 1558 (1559); BGH ZInsO 2005, 94 = ZIP 2005, 181; BGH NJW-RR 2012, 1004 Rn. 24 [BGH 15.03.2012 - IX ZR 249/09], 25 = ZInsO 2012, 693 = ZIP 2012, 737; OLG Rostock ZIP 2003, 1805 (1808) [OLG Rostock 21.08.2003 - 1 U 197/01]; weitere ausführliche Nachweise, auch zur Gegenmeinung, bei § 94 Rn. 11 in Fn. 32 und 33.
[2] BGHZ 159, 388 – weitere Nachweise dieser Entscheidung in Fn. 1.
[3] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 278 a. E.; BGH NJW-RR 2004, 50 (52) = ZIP 2003, 2166; Bork, Rn. 274.
[4] BGBl. I 1999, S. 2384, Art. 1 Nr. 1.

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