Rn 3

Nach der Grundregel des § 94 muss die Aufrechnungslage zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Insolvenzgläubiger bestehen.

Die Regelung bezieht sich vorwiegend auf die Insolvenzgläubiger i.S.d. § 38, da zum einen die Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2 erst nach Verfahrenseröffnung entstehen und zum anderen die Befriedigung nachrangiger Insolvenzforderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 regelmäßig der Anfechtung nach § 134 unterliegen dürfte. Im Übrigen verbleibt es aber bei den bisher schon anerkannten gesellschaftsrechtlichen Aufrechnungsverboten. Insbesondere dürfte entgegen der in einer früheren Auflage vertretenen Meinung die Aufrechnung mit einer Forderung aus einem eigenkapitalersetzenden Darlehen nicht nur anfechtbar nach § 135 oder unwirksam nach § 96 Abs. 1 Nr. 3, sondern generell unzulässig sein. Zwar kann der Gläubiger eines eigenkapitalersetzenden Darlehens unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 als nachrangiger Insolvenzgläubiger nunmehr abweichend von der früheren Rechtslage am Insolvenzverfahren teilnehmen. Dies bedeutet aber nicht, dass er deswegen bei Bestehen von Aufrechnungslagen auch die Möglichkeit bekommen soll, sich wegen seiner absolut nachrangigen Ansprüche bevorzugt zu befriedigen. Im Übrigen beabsichtigt die Vorschrift des § 94 nur die Erhaltung von schutzwürdigen Aufrechnungslagen in der Insolvenz. Es bleibt also trotz der nach der InsO geänderten Gläubigerstellung dabei, dass mit Forderungen aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen nicht gegen Gesellschaftsforderungen aufgerechnet werden kann.[3]

§ 94 gilt auch nicht für Massegläubiger, deren Ansprüche nach § 55 in jedem Fall, also auch ohne Aufrechnungsmöglichkeit, vorab aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind. Es ist daher bei diesen Gläubigern auch völlig gleichgültig, ob die Aufrechnungslage vor oder nach Verfahrenseröffnung entsteht und welcher Art die massezugehörige Forderung ist, gegen die aufgerechnet werden soll.[4] Dagegen umfasst die Vorschrift die Aufrechnung durch Absonderungsgläubiger, soweit sie nach § 52 als Insolvenzgläubiger anzusehen sind.

Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208) sind auch auf die Aufrechnung eines Massegläubigers die §§ 94 ff. (analog) anzuwenden, wobei diese Anzeige als zeitliche Zäsur an die Stelle der Verfahrenseröffnung tritt.[5] Danach bleibt die Aufrechnung eines Massegläubigers bei einer vor der Anzeige entstandenen Aufrechnungslage, also die Aufrechnung mit einer "Altforderung" gegen eine "Altverbindlichkeit", zulässig (§ 94 analog). Dagegen ist die Aufrechnung mit (Alt-)Forderungen gegen nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründete Forderungen der Masse analog § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO und die Aufrechnung mit einer Masseforderung, die der Aufrechnungswillige erst nach der Anzeige von einem anderen Gläubiger erworben hat, analog § 96 Abs. 1 Nr. 2 unzulässig.

 

Rn 4

Geschützt wird nach § 94 zunächst die Aufrechnungslage, die kraft Gesetzes zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestand, d.h., zur Prüfung ist auf die allgemeinen gesetzlichen Aufrechnungsvoraussetzungen nach den §§ 387 ff. BGB abzustellen.

Demnach muss bei Verfahrenseröffnung die Gegenseitigkeit der aufzurechnenden Forderungen gegeben sein, d.h., der Schuldner der einen Forderung muss gleichzeitig Gläubiger der anderen Forderung sein. Tritt diese Gegenseitigkeit erst nach Verfahrenseröffnung ein, ist die Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 unzulässig. Hat dagegen der Gläubiger die ihm zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung aufrechenbar zustehende Forderung nach Verfahrenseröffnung abgetreten und fällt sie wieder an ihn zurück – entweder durch Eintritt einer auflösenden Bedingung oder Rückabtretung –, so steht § 96 Abs. 1 Nr. 2 nicht entgegen.[6] Trotz fehlender Gegenseitigkeit kann ein Gläubiger mit der gegen einen Dritten gerichteten Forderung gegenüber dem Verwalter aufrechnen, wenn er gegenüber diesem Dritten eine Aufrechnungsmöglichkeit hatte und die Gegenseitigkeit erst durch Abtretung der gegen ihn gerichteten Forderung des Dritten an den Insolvenzverwalter entfallen ist oder wenn er beim Erwerb seiner Forderung gegen den Dritten keine Kenntnis davon hatte, dass dieser die gegen ihn (den Aufrechnungswilligen) gerichtete und später fällig werdende Hauptforderung bereits an den Insolvenzverwalter oder an den späteren Insolvenzschuldner abgetreten hatte. Hier wird der aufrechnungswillige Gläubiger nach § 406 BGB auch gegenüber dem Insolvenzverwalter geschützt. § 96 Abs. 1 Nr. 1 steht (auch bei einer erst nach Verfahrenseröffnung erfolgten Abtretung) ebenfalls nicht entgegen, da die allgemeine Schutzvorschrift des § 406 BGB vorgeht.[7] S. auch § 96 Rn. 6.

 

Rn 5

Als weitere gesetzliche Voraussetzung der Aufrechnung müssen die einander gegenüberstehenden Forderungen auf gleichartige Leistungen gerichtet sein. Da § 95 Abs. 1 Satz 2 entgegen der bisherigen konkursrechtlichen Regelung es für die Aufrechnung unbeachtlich sein lä...

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