Gesetzestext

 

Ist ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, so wird dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt.

Bisherige gesetzliche Regelungen: § 53 KO, § 54 VerlO, § 7 Abs. 5 GesO§ 106 RegE, § 101 RefE

1. Allgemeines

 

Rn 1

Ebenso wie die Absonderungsrechte an einzelnen Massegegenständen oder die Abwicklung schwebender Verträge zu Verminderungen der Insolvenzmasse führen, entzieht auch eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mögliche Aufrechnung der Masse Forderungen und damit Substanz, da im Gegenzug bei einer Aufrechnung durch einen Insolvenzgläubiger die Schuldenmasse nur um eine Insolvenzforderung reduziert wird, mit der ohnehin meist nur eine Quotenerwartung verbunden ist. Da mit den dargestellten Instrumentarien einzelne Insolvenzgläubiger gegenüber anderen auf Kosten der Insolvenzmasse bevorteilt werden, müssen die Ausnahmen vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auf die nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften geschützten Fälle beschränkt werden. Folgerichtig hat der Gesetzgeber mit der Neufassung der insolvenzrechtlichen Vorschriften zur Aufrechnung in den §§ 9496 die ursprünglich noch in der KO und VerglO jeweils in § 54 enthaltenen teilweise erheblichen Vorzugsstellungen abgebaut.

Wegen des in den allgemeinen Vorschriften der §§ 389, 392 und 406 BGB enthaltenen Schutzes einer einmal begründeten Aufrechnungslage verbleibt es dabei auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, d.h., wer vor Verfahrenseröffnung aufrechnen konnte, kann dies auch noch nach Verfahrenseröffnung tun. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der neuen insolvenzrechtlichen Vorschrift sind von diesem Schutz nunmehr auch vertraglich vereinbarte Aufrechnungslagen umfasst.[1] Eingeschränkt wird dieser umfassende Schutz einer bei Verfahrenseröffnung bestehenden Aufrechnungslage nur durch die Gläubigergleichbehandlungsmaxime, so dass in anfechtbarer Weise erlangte Aufrechnungslagen gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 keinen Bestand haben, ohne dass es einer aktiven Anfechtung durch den Insolvenzverwalter nach den §§ 130 ff. bedarf.

 

Rn 2

Entgegen dem an manchen Stellen missverständlichen Gesetzeswortlaut enthalten die §§ 9496 keine Regelungen zu einer Aufrechnung durch den Insolvenzverwalter.

Die Vorschriften sind ausschließlich auf die Aufrechnung durch einen Insolvenzgläubiger bzw. Neugläubiger (§ 96 Abs. 1 Nr. 4) ausgerichtet. Die Aufrechnungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters richten sich dagegen nach allgemeinen insolvenzrechtlichen oder zivilrechtlichen Vorschriften.[2]

[1] Vgl. BegrRechtsA, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 275.
[2] Vgl. dazu § 95 Rn. 9 f.

2. Voraussetzungen der geschützten Aufrechnungslage

 

Rn 3

Nach der Grundregel des § 94 muss die Aufrechnungslage zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung zwischen dem Insolvenzschuldner und dem Insolvenzgläubiger bestehen.

Die Regelung bezieht sich vorwiegend auf die Insolvenzgläubiger i.S.d. § 38, da zum einen die Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2 erst nach Verfahrenseröffnung entstehen und zum anderen die Befriedigung nachrangiger Insolvenzforderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 regelmäßig der Anfechtung nach § 134 unterliegen dürfte. Im Übrigen verbleibt es aber bei den bisher schon anerkannten gesellschaftsrechtlichen Aufrechnungsverboten. Insbesondere dürfte entgegen der in einer früheren Auflage vertretenen Meinung die Aufrechnung mit einer Forderung aus einem eigenkapitalersetzenden Darlehen nicht nur anfechtbar nach § 135 oder unwirksam nach § 96 Abs. 1 Nr. 3, sondern generell unzulässig sein. Zwar kann der Gläubiger eines eigenkapitalersetzenden Darlehens unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 als nachrangiger Insolvenzgläubiger nunmehr abweichend von der früheren Rechtslage am Insolvenzverfahren teilnehmen. Dies bedeutet aber nicht, dass er deswegen bei Bestehen von Aufrechnungslagen auch die Möglichkeit bekommen soll, sich wegen seiner absolut nachrangigen Ansprüche bevorzugt zu befriedigen. Im Übrigen beabsichtigt die Vorschrift des § 94 nur die Erhaltung von schutzwürdigen Aufrechnungslagen in der Insolvenz. Es bleibt also trotz der nach der InsO geänderten Gläubigerstellung dabei, dass mit Forderungen aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen nicht gegen Gesellschaftsforderungen aufgerechnet werden kann.[3]

§ 94 gilt auch nicht für Massegläubiger, deren Ansprüche nach § 55 in jedem Fall, also auch ohne Aufrechnungsmöglichkeit, vorab aus der Insolvenzmasse zu befriedigen sind. Es ist daher bei diesen Gläubigern auch völlig gleichgültig, ob die Aufrechnungslage vor oder nach Verfahrenseröffnung entsteht und welcher Art die massezugehörige Forderung ist, gegen die aufgerechnet werden soll.[4] Dagegen umfasst die Vorschrift die Aufrechnung durch Absonderungsgläubiger, soweit sie nach § 52 als Insolvenzgläubiger anzusehen sind.

Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208) sind auch auf die Aufrechnung eines Massegläubigers die §§ 94 ff. (analog) anzuwenden, wobei diese Anzeige als zeitliche Zäsur an...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge