Rn 43

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 bestehen auch Dienstverträge und insbesondere Arbeitsverträge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort und begründen daher Masseverbindlichkeiten.[92] Der Insolvenzverwalter kann auch hier die Erfüllung nicht ablehnen nach § 103 und damit das Entstehen von Masseverbindlichkeiten nicht verhindern. Der Insolvenzverwalter hat lediglich ein Sonderkündigungsrecht nach § 113.

 

Rn 44

Masseverbindlichkeiten sind nach § 108 Abs. 2 nur die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden Ansprüche,[93] also nicht eine Abfindung nach § 9, 10 KSchG auf Basis eines vor Eröffnung geschlossenen Vergleichs oder eine seinerzeit vertraglich mit dem Schuldner vereinbarte Abfindung.[94] Auch im Falle der (regelmäßig unter Anrechnung auf den noch vorhandenen Urlaub) Freistellung[95] der Arbeitnehmer von ihrer Arbeitspflicht bleiben die Lohn- bzw. Gehaltsansprüche als sonstige Masseverbindlichkeiten bestehen.[96] Betriebliche Sonderzahlungen sind Masseverbindlichkeiten, soweit der maßgebliche Stichtag nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt.[97] Wertguthaben im Rahmen von Arbeitszeitkonten der Altersteilzeit[98] zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind keine Masseverbindlichkeiten, weshalb in § 7e Abs. 2 SGB IV zwingend eine Insolvenzabsicherung vorgeschrieben ist.[99] Soweit ein Wertguthaben im Insolvenzverfahren erarbeitet wird, ist diese Forderung Masseverbindlichkeit.[100] Eine Halteprämie ist Masseverbindlichkeit, wenn der Stichtag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt; auch wenn die Halteprämie nicht vom Insolvenzverwalter selbst vereinbart wurde.[101]

 

Rn 45

Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche entstehen einheitlich am Ende des Kalenderjahres bzw. der Beendigung des Arbeitsverhältnisses[102] und sind daher nicht ohne Weiteres in einen Teil vor und einen Teil nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufzuteilen.[103] Das Urlaubsgeld teilt insolvenzrechtlich den Charakter des Urlaubs(abgeltungs-)anspruchs.[104]

 

Rn 46

Ebenso wie die Lohn- oder Gehaltsverpflichtungen sind die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge sonstige Masseverbindlichkeiten. Die pflichtwidrige Nichtabführung ist – auch für den Insolvenzverwalter – nach § 266a StGB strafbewehrt.[105] Nicht zulässig ist aber im Falle der Masseunzulänglichkeit (§ 207, 208) die Festsetzung von Säumniszuschlägen.[106]

[92] Zu Arbeitnehmerforderungen in der Insolvenz insgesamt: Schelp, NZA 2010, 1095 ff.
[93] Uhlenbruck-Sinz, § 55 Rn. 10.
[94] BAG ZIP 2007, 2173 [BAG 19.07.2007 - 6 AZR 1087/06]; FK-Bornemann, § 55 Rn. 31. Es entstehen Masseverbindlichkeiten, wenn der Vergleich durch Verpfändung dinglich gesichert wurde (BGH, a. a. O).
[95] Hierzu Marotzke, InVo 2004, 301 (303 ff.) sowie kritisch zu den Rechtsgrundlagen Seifert, DZWIR 2002, 407 (408 f.).
[96] LAG Köln NZI 2011, 299 [LAG Köln 31.01.2011 - 5 Sa 1224/10]; NZI 2002, 224 [LAG Köln 30.07.2001 - 2 Sa 1457/00]; Zu Masseverbindlichkeiten bei Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers: LAG Baden-Württemberg ZInsO 2012, 1579.
[98] Siehe insgesamt: Hinrichs/Tholuck, ZInsO 2011, 1961; Nimscholz, ZInsO 2005, 522 ff.
[99] Visch/Ulbrich, BB 2009, 550.
[103] Schelp, NZA 2010, 1095, 1100; Düwell/Pulz, NZA 2008, 786 ff.
[105] MünchKomm StGB-Radtke, § 266a Rn. 37; Richter, NZI 2002, 121, 124 f. und kritisch gegenüber § 266a StGB Schmitt, NZI 2002, 146, 146 f.
[106] OVG Berlin-Brandenburg NZI 2011, 954, 955 f.; Mitlehner, NZI 2003, 189 ff.

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