Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltliche Vertretung des Mandanten läßt Belehrungspflicht des schadensersatzpflichtigen Steuerberaters wegfallen. Verpflichtungserklärung eines Steuerberaters wirkt auch verjährungsunterbrechend bzw. verjährungseinschränkend auf Steuerberatersozietät

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung wegen der Frage, ob der Steuerberater ihm durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat, anwaltlich vertreten, so entfällt die Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten auf die durch seinen Fehler eingetretene Schädigung und die kurze Verjährung nach § 68 StBerG hinzuweisen; das gilt auch, soweit der Steuerberater schon vorher Anlaß zur Prüfung der Regreßfrage hatte.

2. Die Erklärung des Mitglieds einer Steuerberatersozietät, durch die die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs des Mandanten unterbrochen oder eingeschränkt wird, wirkt regelmäßig auch gegenüber der Gesamthand sowie den persönlich auf Erfüllung des Schadensersatzanspruchs haftenden anderen Mitgliedern der Sozietät.

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch wenn eine die Haftung anerkennende Erklärung eines Mitglieds einer Steuerberatersozietät für die gesamte Sozietät wirkt, hindert dies den dem Mandanten gegenüber auftretenden Steuerberater nicht, sein Verhalten auf seine eigene Verbindlichkeit zu beschränken und deutlich zu machen, daß es nur für ihn persönlich und nicht für etwaige Ansprüche gegen seine Kollegen gelten solle. Eine solche Einschränkung muß aber in einer entsprechenden Erklärung oder aufgrund der Besonderheit der konkreten Umstände für den Mandanten deutlich hervortreten.

 

Normenkette

StBerG § 68; BGB § 208

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Teilurteil vom 10.11.1994; Aktenzeichen 13 U 57/93)

LG Düsseldorf (Urteil vom 19.01.1993; Aktenzeichen 6 O 518/91)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Teilurteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. November 1994 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer der F. M.gmbH (im folgenden: F. GmbH), über deren Vermögen inzwischen das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Die damals aus den Beklagten zu 2) und 3) bestehende Steuerberatersozietät, deren Tätigkeit inzwischen von der Beklagten zu 1), einer GmbH, übernommen worden ist, war beauftragt, für jene Gesellschaft die Finanzbuchhaltung zu führen und die Jahresabschlüsse aufzustellen. Diese Arbeiten erledigte der Beklagte zu 3). Im Jahre 1987 wurden andere Steuerberater mit der Überprüfung und Korrektur der Arbeiten beauftragt. Der Kläger hat mit der Behauptung, der Konkursverwalter der F. GmbH habe ihm die Ansprüche abgetreten, die Beklagten auf Ersatz der Überprüfungs- und Korrekturkosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Teilurteil zurückgewiesen, soweit sich die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) richtet. Mit der Revision verfolgt der Kläger insoweit den Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht, das festgestellt hat, daß der Konkursverwalter der F. GmbH dem Kläger etwaige Schadensersatzansprüche dieser Gesellschaft gegen die Beklagten abgetreten hat, hat die gegen die Beklagten zu 1) und 2) gerichtete Klage wegen Verjährung abgewiesen. Es hat – rechtsfehlerfrei und unangegriffen – angenommen, der gesamte vom Kläger geltend gemachte Schaden sei spätestens Anfang Mai 1988 entstanden. Deshalb, so hat es weiter ausgeführt, sei die dreijährige Verjährungsfrist nach § 68 StBerG abgelaufen gewesen, als der den Rechtsstreit einleitende Mahnbescheidantrag vom 17. Mai 1991 beim Amtsgericht eingereicht worden sei. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch, der sich daraus ergeben könnte, daß die Beklagten den Kläger nicht auf die drohende Verjährung hingewiesen hätten, bestehe deswegen nicht, weil der Kläger bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist anwaltlich beraten gewesen sei; dies ergebe ein Schreiben seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom 13. September 1988.

Das Berufungsgericht hat sein klageabweisendes Teilurteil auf die Beklagten zu 1) und 2) beschränkt, weil der Kläger behauptet hat, der Beklagte zu 3) habe anläßlich einer Besprechung am 17. Mai 1988 erklärt, er stehe für etwaige den Beklagten bis einschließlich 1986 unterlaufene Fehler gerade.

2. Die Revision greift diese rechtliche Beurteilung insoweit zu Unrecht an, als es um den sogenannten Sekundäranspruch geht. Der Steuerberater ist ebenso wie der Rechtsanwalt, wenn er vor Ablauf der Verjährungsfrist begründeten Anlaß zur Prüfung hat, ob er dem Mandanten durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat, und wenn er dabei eine hierdurch eingetretene Schädigung des Mandanten erkennen muß, verpflichtet, hierauf und auf die kurze Verjährungsfrist hinzuweisen (BGHZ 83, 17, 22 ff; Senatsurt. v. 11. Mai 1995 – IX ZR 140/94, WM 1995, 1450, 1452 m.w.N., zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Wird diese Pflicht schuldhaft verletzt, so steht dem Geschädigten der sogenannte Sekundäranspruch zu. Er ist dann so zu stellen, als wäre die Verjährung des Primäranspruchs nicht eingetreten. Wird der Mandant jedoch rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung wegen der Haftungsfrage anwaltlich beraten oder erhält er auf anderem Wege von dem Schadensersatzanspruch und dessen Verjährung Kenntnis, dann entfällt jene Belehrungspflicht, und zwar auch, soweit der Steuerberater schon vorher Anlaß zur Prüfung der Regreßfrage hatte. Die Hinweispflichten eines mit der Prüfung von Regreßansprüchen betrauten Rechtsanwalts treten an die Stelle derjenigen des Beraters, der die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen hat; der Mandant ist dann durch die Haftung des (neuen) Anwalts hinreichend gesichert (Senatsurt. v. 14. November 1991 – IX ZR 31/91, WM 1992, 579, 581 f u. v. 11. Mai 1995 aaO m.w.N.).

Im vorliegenden Fall war, wie sich aus dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien ergibt, der Kläger bereits bei der schon erwähnten Besprechung vom 17. Mai 1988 anwaltlich vertreten. Dabei ging es auch um etwaige Regreßansprüche des Klägers gegen die damalige Sozietät der Beklagten zu 2) und 3). Das zeigt gerade die vom Kläger behauptete Erklärung des Beklagten zu 3), er stehe für etwaige Fehler gerade. Der Beklagte zu 3), der zu jenem Zeitpunkt erstmals Anlaß zur Prüfung hatte – etwas anderes ist insoweit nicht vorgetragen –, ob dem Kläger gegen die Sozietät ein Schadensersatzanspruch zustand, war deshalb von vornherein nicht verpflichtet, noch seinerseits den Kläger auf den möglicherweise bestehenden Regreßanspruch und dessen Verjährung hinzuweisen. Das Berufungsgericht durfte aber auch das Schreiben der Anwälte des Klägers vom 13. September 1988, mit dem bereits ein bezifferter Schadensersatzanspruch mit Fristsetzung und Klageandrohung geltend gemacht wurde, seiner Beurteilung zugrunde legen. Spätestens ab Zugang dieses Schreibens bestand, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ein Belehrungsbedürfnis des Klägers nicht mehr.

3. Die Revision wendet sich jedoch zu Recht dagegen, daß das Berufungsgericht der vom Kläger behaupteten Erklärung des Beklagten zu 3) vom 17. Mai 1988 für die gegen die Beklagten zu 1) und 2) gerichteten Ansprüche keine rechtliche Bedeutung beigemessen hat.

a) Hiernach soll sich der Beklagte zu 3) in dem Sinne geäußert haben, daß er für etwaige den Beklagten unterlaufene Fehler aus der Zeit bis einschließlich 1986 geradestehe. Das Berufungsgericht will dies offenbar, soweit es um die Ersatzverpflichtung des Beklagten zu 3) persönlich geht, als verjährungsunterbrechende oder -einschränkende Erklärung werten; denn es hat anscheinend aus diesem Grunde die Berufung – nur – hinsichtlich der gegen den Beklagten zu 3) gerichteten Klage bisher nicht zurückgewiesen. Die Revisionserwiderung meint, das sei rechtsfehlerhaft, weil wegen der Beschränkung des Schuldeingeständnisses auf „etwaige” Fehler in jener Erklärung nicht die für ein Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB erforderliche eigene Überzeugung vom Bestehen der Schuld zum Ausdruck komme. Dieser Einwand der Revisionsbeklagten ist nicht begründet. Es trifft zwar zu, daß ein Anerkenntnis nur vorliegt, wenn sich aus dem Verhalten des Schuldners das Bewußtsein seiner Verpflichtung eindeutig ergibt. Entscheidend ist jedoch, ob der Berechtigte darauf vertrauen darf, daß sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen wird (BGH, Urt. v. 30. September 1993 – VII ZR 136/92, NJW-RR 1994, 373). Im vorliegenden Fall kann die Äußerung des Beklagten zu 3) möglicherweise auch so zu verstehen gewesen sein, daß er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt – etwa bis zum Abschluß einer Überprüfung der Rechtslage durch seine eigenen Rechtsberater – auf die Erhebung der Verjährungseinrede „verzichte” (vgl. BGH, Urt. v. 21. Dezember 1989 – IX ZR 234/88, WM 1990, 695, 699 und vom 26. Mai 1994 – IX ZR 57/93, WM 1994, 1848, 1849; MünchKomm-BGB/von Feldmann, 3. Aufl. § 225 Rdnr. 3). Welchen Inhalt die vom Beklagten zu 3) seinerzeit abgegebene Erklärung aus der Sicht des Klägers und der diesen damals vertretenden Anwälte hatte und welche Folgen sich daraus für den Lauf der Verjährungsfrist ergeben, ist in erster Linie eine Tatsachenfrage, die zunächst das Berufungsgericht zu beurteilen haben wird. Dieses hat hierzu bereits einen Teil der angetretenen Beweise erhoben, ohne daß insoweit bislang eine abschließende tatrichterliche Würdigung stattgefunden hätte. Für die Rechtsprüfung in der Revisionsinstanz ist deshalb davon auszugehen, daß die Verjährungsfrist bei Einreichung der Mahnbescheidanträge am 17. Mai 1991 noch nicht abgelaufen war. Damit wäre die Verjährung rechtzeitig unterbrochen worden. Die Mahnbescheide sind zwar erst am 12. Juni 1991 zugestellt worden. Der Kläger hat aber durch seine Anwälte die ihm vom Amtsgericht mit Verfügung vom 22. Mai 1991 erteilte Auflage, die „Anlagen”, auf die in den drei einzelnen Mahnbescheidanträgen zur näheren Bezeichnung der jeweils anderen beiden Beklagten als Mitverpflichteten Bezug genommen war, nachzureichen, mit einem am 31. Mai 1991 bei Gericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz rechtzeitig (vgl. BGH, Urt. v. 1. Dezember 1993 – XII ZR 177/92, NJW 1994, 1073 f) dadurch erfüllt, daß er die drei Beklagten als in Anspruch genommene Gesamtschuldner – nochmals – aufgeführt hat. Die Zustellung der Mahnbescheide ist danach „demnächst” im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO bewirkt worden.

b) Das Berufungsgericht hat offenbar angenommen, eine vom Beklagten zu 3) am 17. Mai 1988 abgegebene, für die Verjährungsfrage erhebliche Erklärung sei nur für die Verjährung der gegen ihn selbst gerichteten Forderung bedeutsam und habe keine Wirkung hinsichtlich der Ansprüche gegen die Beklagten zu 1) und 2). Dies trifft indessen nach dem für die Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht zu. Verjährungsunterbrechende oder -einschränkende Erklärungen können auch durch einen Bevollmächtigten des Schuldners abgegeben werden (für das Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB vgl. BGH, Urt. v. 17. März 1970 – VI ZR 148/68, NJW 1970, 1119; BGB-RGRK/Johannsen, 12. Aufl. § 208 Rdnr. 4). Eine freiberufliche Sozietät, wie die Beklagten zu 2) und 3) sie als Steuerberater eingegangen waren, ist rechtlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Deren Mitglieder können zwar nach den §§ 714, 709 Abs. 1 BGB die Gesamthand grundsätzlich nur gemeinschaftlich vertreten. Diese Regelung ist aber, wie § 710 BGB zu entnehmen ist, nicht zwingend; der Gesellschaftsvertrag kann ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes bestimmen. Aus der Eigenart einer Steuerberatersozietät ergibt sich, daß nach außen hin, soweit es um das Verhältnis zu den Mandanten geht, jeder Sozius befugt ist, für die Gesellschaft zu handeln und damit diese zu berechtigen und zu verpflichten. Das gilt nicht nur für die Annahme eines Mandats (vgl. für die Anwaltssozietät BGHZ 56, 355, 359), sondern grundsätzlich für jede Maßnahme, die der einzelne Anwalt oder Steuerberater im Rahmen der Mandantenbetreuung ausführt. Begeht er dabei einen den Mandanten schädigenden Fehler, dann haftet nicht er allein, sondern die Gesamtheit als solche auf Schadensersatz. Daraus wiederum folgt, daß für ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten eines Sozius auch die anderen persönlich haften (BGHZ 56, 355, 361 ff; BGHZ 70, 247, 248 f); denn jedenfalls bei Erwerbsgesellschaften werden durch rechtsgeschäftliches Handeln für die Gesellschaft nicht nur die Gesamthand, sondern auch die einzelnen Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen verpflichtet (vgl. MünchKomm-BGB/Ulmer, 2. Aufl. § 714 Rdnr. 30 m.w.N.). Jede Pflichtwidrigkeit und jede sonstige Maßnahme eines Sozius wirken damit zugleich für und gegen jeden anderen Gesellschafter (Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht 1989 Rdnr. 314). Für die sich daraus neben der Gesamthandsschuld ergebenden persönlichen Verpflichtungen der einzelnen Mitglieder der Sozietät gilt grundsätzlich nicht § 425 BGB (BGHZ 56, 355, 362; MünchKomm-BGB/Ulmer aaO § 714 Rdnr. 39; Kornblum, BB 1973, 218, 226). Das hat auch Bedeutung für verjährungsunterbrechende oder -einschränkende Erklärungen oder Handlungen auf der Schuldnerseite. Ein derartiges Verhalten eines Sozietätsmitglieds wirkt grundsätzlich auch gegenüber der Gesamthand sowie den persönlich auf Erfüllung des Schadensersatzanspruchs haftenden anderen Mitgliedern der Sozietät. Das hindert den dem Mandanten gegenüber auftretenden Steuerberater freilich nicht, sein Verhalten auf seine eigene Verbindlichkeit zu beschränken und deutlich zu machen, daß es nur für ihn persönlich und nicht für etwaige Ansprüche gegen seine Kollegen gelten solle. Eine solche Einschränkung muß aber in einer entsprechenden Erklärung oder aufgrund der Besonderheit der konkreten Umstände für den Mandanten deutlich hervortreten.

Im vorliegenden Fall ist auf dieser rechtlichen Grundlage für die Revisionsinstanz davon auszugehen, daß die behauptete Erklärung des Beklagten zu 3) auch die Verjährung der gegen den Beklagten zu 2) und die damals von ihnen gebildete Gesamthand beeinflußt hat. Daß der Beklagte zu 3) bei jener Äußerung die Ich-Form verwendet hat, rechtfertigt für sich allein eine Beschränkung ihrer Wirkung auf ihn persönlich nicht. Da Aktivvermögen und Schulden der Gesamthand auf die Beklagte zu 1) als Rechtsnachfolgerin übergegangen sein sollen, ist für das Revisionsverfahren weiter anzunehmen, daß dem Kläger der Klageanspruch auch gegen diese Beklagte unverjährt zusteht.

4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit zum Inhalt der Äußerung des Beklagten zu 3) vom 17. Mai 1988 die bislang fehlenden tatsächlichen Feststellungen getroffen werden können. Die Beklagte zu 1) erhält dadurch Gelegenheit, ihre Einwendungen zur Frage ihrer Passivlegitimation dem Berufungsgericht vorzutragen. Sodann wird dieses auch hierzu – gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag des insoweit darlegungsbelasteten Klägers – die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2016043

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