Leitsatz (amtlich)

1. Der Wortlaut von Rechnungen stellt ein gewichtiges Indiz dafür dar, ob die berechnete Leistung für den die Vorsteuer geltend machenden Unternehmer erbracht wurde (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG). Ein Steuerberater ist deshalb verpflichtet, den zum Vorsteuerabzug berechtigten Mandanten zur Vorlage von Rechnungen zu veranlassen, die ausschließlich an ihn – den vorsteuerabzugsberechtigten Mandanten – gerichtet sind, sofern dies nach den tatsächlichen Verhältnissen den Leistungsempfänger nicht unzutreffend wiedergibt.

2. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG wird bei einer vor Erlass eines Steuerbescheids begangenen Pflichtverletzung des Steuerberaters mit der Bekanntgabe des belastenden Bescheids gem. den §§ 122, 155 AO in Lauf gesetzt. Von der Verjährung ist auch ein Anspruch des Mandanten auf Erstattung von Aussetzungszinsen erfasst. Die Verjährung bleibt in diesem Sinne einheitlich als mit dem Zugang des Ursprungsbescheids beginnend auch dann zu beurteilen, wenn einzelne Schadenspositionen (Steuerbelastung aus dem Ursprungsbescheid) inzwischen entfallen, andere dagegen (Aussetzungszinsen und Gerichtskosten) verblieben sind.

3. Die Erklärung des Mitglieds einer Steuerberatersozietät, durch die die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs des Mandanten unterbrochen oder eingeschränkt wird, wirkt regelmäßig auch ggü. der Gesamthand sowie den persönlich auf Erfüllung des Schadensersatzanspruchs haftenden anderen Mitgliedern der Sozietät (BGH v. 28.9.1995 – IX ZR 227/94, MDR 1996, 641 = NJW-RR 1996, 313).

Das gilt nicht, wenn das die Erklärung abgebende Sozietätsmitglied die Aussage nicht auf die Sozietät bezieht. Das ist dann der Fall, wenn zum Ausdruck gebracht wird, dass nicht die Sozietät insgesamt, sondern nur ein anderes Mitglied der Sozietät, nicht aber der Erklärende selbst hafte.

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 01.10.2002; Aktenzeichen 3 O 443/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 1.10.2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Kleve geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg. Das LG hat der Klage zu Unrecht im wesentlichen stattgegeben. Die Entscheidung des LG beruht auf einer Rechtsverletzung, §§ 513, 546 ZPO. Der Anspruch des Klägers ist nämlich verjährt.

Soweit es auf die Anwendung bürgerlichen Rechts ankommt, ist das bis zum 31.12.2001 geltende Recht maßgeblich, Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB.

I. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den beklagten Steuerberater aus positiver Verletzung des Steuerberatervertrages ist entstanden.

1. Der Beklagte hat seine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag dadurch verletzt, dass er bei der Erstellung der Buchführung für die Jahre 1987 und 1989, spätestens bei Anfertigung der Umsatzsteuererklärungen für diese Jahre es versäumte, den Kläger zur Vorlage von Rechnungen zu veranlassen, die ausschließlich an ihn – den Kläger – adressiert waren. Das hat bereits das LG in der angefochtenen Entscheidung, auf die Bezug genommen werden kann, zutreffend ausgeführt. Eine Pflichtverletzung entfällt entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht deshalb, weil die Rechnungen selbst nicht zusammen mit der Umsatzsteuererklärung beim Finanzamt eingereicht wurden. Der Beklagte hätte bei seiner steuerlichen Beratung vielmehr auch berücksichtigen müssen, dass das Finanzamt gleichwohl von den Rechnungen Kenntnis erlangen könnte – wie hier im Rahmen der späteren Betriebsprüfung im Jahre 1993 tatsächlich geschehen. Dass der Wortlaut der Rechnung zumindest ein gewichtiges Indiz dafür darstellt, ob die berechnete Leistung für den die Vorsteuer geltend machenden Unternehmer erbracht worden war (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG), liegt auf der Hand.

Der Beklagte war nicht verpflichtet, dem Kläger ein bestimmtes Vorgehen zu empfehlen. Er musste ihn aber über die steuerrechtlichen Folgen bzw. Risiken der vorliegenden Rechnungen aufklären. Dann wäre dem Kläger die Möglichkeit eröffnet gewesen, rechtzeitig für die Ausstellung geänderter Rechnungen zu sorgen. Dabei hätte es sich auch nicht um Scheinrechnungen gehandelt, wie die Berufungsbegründung zu Unrecht ausführt, zu deren Ausstellung der Beklagte nicht hätte raten dürfen. Wie sich spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren gezeigt hat, waren die Leistungen tatsächlich für den Kläger allein ohne Beteiligung seiner Ehefrau bestimmt. Die geänderten Rechnungen sind nach Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens auch vom Finanzamt akzeptiert worden.

2. Diese Pflichtverletzung war ursächlich für die Versagung des Vorsteuerabzugs für 1987 und 1989 mit Bescheid vom 14.7.1993. Der Beklagte beruft sich zwar nicht ganz zu unrecht darauf, dass das Finanzamt seine Entscheidung (s. die Einspruchsentscheidung vom 7.4.1995, Bl. 22 ff. GA) noch auf weitere Umstände stützte. So spielte das gemeinsame Auftreten der Ehe...

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