Entscheidungsstichwort (Thema)

Adressierung eines Feststellungsbescheides

 

Leitsatz (NV)

Für eine zutreffende Adressierung genügt, daß aus dem Gesamtinhalt des Bescheides erkennbar ist, für welche Personen die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden sollen und wie hoch diese sind.

 

Normenkette

AO 1977 § 179 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Erben des im Jahre 1969 verstorbenen Kaufmanns A. A war Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH und der B-GmbH. Beide Gesellschaften unterhielten ihre Betriebe auf Grundstücken, die sie von A gepachtet hatten.

Im Jahre 1971 setzten sich die Erben des A, zu denen außer den Klägern noch eine weitere Person gehörte, über den Nachlaß auseinander; die Kläger erwarben dabei die Betriebsgrundstücke je zur ideellen Hälfte sowie die Anteile des A an der A-GmbH und der B-GmbH.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte die Vermietung der Betriebsgrundstücke durch die Kläger an die beiden GmbH als gewerbliche Tätigkeit im Rahmen einer Betriebsaufspaltung und erließ gegen die Kläger einen Feststellungsbescheid für 1981, in dem er die erklärten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb behandelte und den Klägern je zur Hälfte zurechnete. Er richtete den Bescheid ,,an die Erbengemeinschaft A, z. Hd. Herrn A". In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, daß er gegen den Empfänger als Empfangsbevollmächtigten ergehe mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten.

Gegen den Feststellungsbescheid, der dem Kläger zu 2. nach seinen eigenen Angaben am 12. September 1983 zugegangen ist, legten die Kläger am 10. Oktober 1983 Einspruch ein. Das FA wies den Einspruch als verspätet zurück, da der Bescheid ausweislich der Akten am 5. September 1983 zur Post gegeben worden sei.

Die Klage, mit der die Kläger begehrten, die Nichtigkeit des Bescheides wegen fehlerhafter Adressierung festzustellen, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stellte die Nichtigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides und der Einspruchsentscheidung fest und führte zur Begründung aus: Der Bescheid sei unwirksam, weil er sich an eine nicht existente Erbengemeinschaft richte. Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners könnten nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden. Eine Erbengemeinschaft A gebe es seit der Erbauseinandersetzung im Jahre 1971 nicht mehr. Diese Tatsache sei dem FA auch bekannt gewesen. Der Bescheid sei jedenfalls in sich widersprüchlich. Er richte sich inhaltlich zwar an die Kläger als Einzelrechtsnachfolger einzelner Wirtschaftsgüter, nach dem Anschriftenfeld aber an eine nicht mehr existente Erbengemeinschaft, zu deren Vermögen eine Vielzahl von Wirtschaftsgütern gehört habe.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Unter dem 8. Mai 1991 hat das FA einen geänderten Feststellungsbescheid erlassen, den die Kläger zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 127 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Ungeachtet der Streitfrage, ob eine Erklärung gemäß § 68 FGO auch bei Nichtigkeit des vorangegangenen Verwaltungsaktes zulässig ist (vgl. Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., 1987, § 68 Rz. 16; vgl. ferner Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. April 1988 I R 41/82, BFHE 153, 530, BStBl II 1988, 868), konnten die Kläger den Bescheid vom 8. Mai 1991 zum Gegenstand des Verfahrens machen, da der vorangegangene Feststellungsbescheid entgegen der Auffassung des FG nicht nichtig war.

Ein (einheitlicher) Feststellungsbescheid, der einkommensteuerpflichtige Einkünfte von Gesellschaftern oder Gemeinschaftern (§§ 705, 741 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) zum Gegenstand hat, wird durch Angabe der einzelnen Gesellschafter / Gemeinschafter (Gesellschafter) und Bezeichnung des Gemeinschaftsverhältnisses gekennzeichnet. Die Gesellschafter (und nicht die Gesellschaft als solche) sind daher notwendige Adressaten eines solchen Feststellungsbescheides (BFH-Urteil vom 7. April 1987 VIII R 259/84, BFHE 150, 331, BStBl II 1987, 766; so auch Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 8. April 1991 IV A 5 - S 0284 - 1/91, BStBl I 1991, 398, 405 unter 2. 5. 1). Für eine zutreffende Adressierung genügt, daß aus dem Gesamtinhalt des Bescheides erkennbar ist, für welche Personen die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden sollen und wie hoch diese sind (vgl. BFH-Urteile vom 28. März 1979 I R 219/78, BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718 und vom 6. Dezember 1983 VIII R 203/81, BFHE 140, 22, BStBl II 1984, 318). Steuerbescheide sind auslegungsfähig (BFH-Urteil vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293). Das gilt auch hinsichtlich der Bezeichnung des Gemeinschaftsverhältnisses. Deshalb ist die Angabe einer nicht mehr bestehenden Personengesellschaft im Anschriftenfeld des Bescheides nicht schädlich (BFH-Urteile vom 12. August 1976 IV R 105/75, BFHE 120, 129, BStBl II 1977, 221 und vom 27. April 1978 IV R 187/74, BFHE 126, 114, BStBl II 1979, 89). Im Streitfall ergibt sich eindeutig, daß die Gewinnfeststellung die Kläger als Miteigentümer der Grundstücke und Mitunternehmer des Besitzunternehmens, nicht aber das weitere Mitglied der früheren Erbengemeinschaft betraf.

Der auch in frühere Gewinnfeststellungsbescheide aufgenommene Hinweis auf die Erbengemeinschaft erweist sich als überflüssig, aber nicht als irreführend, zumal auch der angefochtene Bescheid auf eine Feststellungserklärung der Grundstücksgemeinschaft ergangen ist.

Das FG beruft sich zu Unrecht auf den Beschluß des Großen Senates vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84 (BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230); diese Entscheidung betraf einen Fall, in dem die Personengesellschaft selbst Steuerschuldner war.

2. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen läßt sich nicht beurteilen, ob die Bescheide wirksam bekanntgegeben worden sind, ob der Einspruch gegen den ursprünglichen Feststellungsbescheid zulässig war und ob der geänderte Bescheid dem materiellen Recht entspricht. Dies wird vom FG aufzuklären sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418439

BFH/NV 1992, 718

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