Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerliche Behandlung eines von Zahnärzten betriebenen zahntechnischen Labors

 

Leitsatz (NV)

Zahntechnische Leistungen einer Zahnärzte-GbR unter Mithilfe angestellter Zahntechniker unterliegen dem ermäßigten Steuersatz, wenn die Leistungen mit der Heilbehandlung der Mitglieder zusammenhängen.

 

Normenkette

UStG 1967/1973 § 1 Abs. 1; UStG 1967/1973 § 2 Abs. 1; UStG 1967/1973 § 12 Abs. 2 Nr. 5

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafter die beiden Zahnärzte Dres. A und B sind. Ihr Gesellschaftszweck ist der gemeinsame Betrieb eines zahntechnischen Labors. Entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen wurden die zahntechnischen Arbeiten ausschließlich für die Einzelpraxen der Gesellschafter gefertigt. Gegenüber jedem Gesellschafter wurden die für seine Praxis erbrachten Leistungen nach der Gebührentabelle für praxiseigene Labors berechnet. Aus der Gesellschaftskasse wurden die laufenden Kosten des Labors bestritten, wie z. B. Miete, Personalkosten und Materialaufwendungen. Das Labor der Klägerin, in dem im Streitjahr 1977 zwei Zahntechniker beschäftigt waren, wurde in den Räumen der Praxis des Gesellschafters Dr. B betrieben.

Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der GbR für das Streitjahr stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit fest. Im Umsatzsteuerbescheid für 1977 unterwarf das FA die Leistungen der Klägerin dem vollen Steuersatz von 11 v. H. entgegen der Auffassung der Klägerin verneinte es das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes 1967/1973 (UStG).

Mit ihrer Sprungklage begehrte die Klägerin weiter die Steuerbegünstigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Es vertrat die Auffassung, § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG sei nicht anwendbar, weil die Klägerin als GbR selbst keinen freien Beruf ausübe. Sie könne daher nur mit einem Zahntechniker gleichgestellt werden. Der Feststellungsbescheid habe keine bindende Wirkung für die Umsatzsteuer.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG.

Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer auf 8 680,01 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin Unternehmerin ist.

a) Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Die GbR ist umsatzsteuerrechtlich ein von den einzelnen Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1984 V R 65/76, BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231, m. w. N.; vom 13. März 1987 V R 33/79, BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524).

Die Absicht, Einnahmen zu erzielen, ist nach § 2 Abs. 1 UStG dann Merkmal der unternehmerischen Betätigung, wenn eine darauf gerichtete (Leistungs-)Tätigkeit sich auf Leistungen gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bezieht (BFH-Urteil vom 20. Januar 1988 X R 48/81, BFHE 152, 556, BStBl II 1988, 557, m. w. N.).

Der Leistungsaustausch (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) ist gekennzeichnet durch die innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Stehen die einander gewährten Leistungen in dieser Wechselbeziehung, ist der Tatbestand der entgeltlichen Leistung erfüllt (BFH-Urteile vom 4. Juli 1985 V R 107/76, BFHE 145, 244, BStBl II 1986, 153; vom 28. Februar 1980 V R 90/75, BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535, und vom 7. Mai 1981 V R 47 /76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495).

b) Das Umsatzsteuerrecht hat für die Personengesellschaften keine besonderen Regelungen getroffen. Wie § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG belegt, ist ein Leistungsaustausch auch dann nicht ausgeschlossen, wenn eine Personengesellschaft nur gegenüber ihren Gesellschaftern tätig wird und mit der Tätigkeit nur satzungsgemäße Zwecke erfüllt werden. An einem Leistungsaustausch fehlt es nur dann, wenn die Mitglieder nicht Leistungspartner der Personenvereinigung sind (Urteil in BFHE 145, 244, BStBl II 1986, 153, m. w. N.).

Im Streitfall hat die Klägerin, wie im Gesellschaftsvertrag vereinbart, ihren Gesellschaftern gegenüber zahntechnische Leistungen gegen Entgelt erbracht. Die für die jeweilige Praxis ihrer Gesellschafter ausgeführten einzelnen Leistungen sind dem Gesellschafter nach Art und Umfang entsprechend der Gebührentabelle für praxiseigene Labors berechnet worden.

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich dabei nicht um umsatzsteuerlich unbeachtliche Innenumsätze. Umsatzsteuerlich unbeachtlich sind nur ,,Umsätze" zwischen mehreren Betrieben desselben Unternehmers (vgl. z. B. Mößlang in Sölch / Ringleb / List, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 2 Anm. 4). Die Klägerin und ihre Gesellschafter sind jedoch umsatzsteuerlich zwei verschiedene Unternehmer.

d) Die Klägerin ist schließlich auch keine umsatzsteuerrechtlich unbeachtliche Innengesellschaft. Eine solche Innengesellschaft wäre sie nur, wenn sie gegenüber Dritten keine steuerbaren Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbracht hätte. Dritte in diesem Sinn können auch die Gesellschafter der Personengesellschaft selbst sein (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG).

Wird daher die Personengesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern im Rahmen eines Leistungsaustausches tätig, so scheidet die Annahme einer Innengesellschaft jedenfalls dann aus, wenn die Gesellschaft auch Dritten gegenüber aufgetreten ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Klägerin rechnete die jeweils für die Praxis des einzelnen Gesellschafters erbrachten zahntechnischen Leistungen nach deren konkretem Umfang nach der Gebührentabelle für praxiseigene Labors ab. Sie ist ferner, wie sich aus den geltend gemachten Vorsteuern ergibt, auch in sonstiger Weise nach außen hin aufgetreten.

2. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG ermäßigt sich die Steuer auf die Hälfte des allgemeinen Steuersatzes für die Lieferungen und sonstigen Leistungen sowie den Eigenverbrauch aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

a) Entgegen der Ansicht des FG entfällt die Steuerermäßigung nicht bereits deshalb, weil Steuersubjekt die GbR ist und diese selbst keinen freien Beruf ausüben kann. § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG begünstigt eine bestimmte Tätigkeitsart. Bei dieser Steuerbegünstigung sachlicher Art kommt es nicht darauf an, ob der Unternehmer, der die Umsätze aus der begünstigten Tätigkeitsart bewirkt, eine Person ist oder ob es mehrere Personen sind, denen zusammen Unternehmereigenschaft zukommt (vgl. BFH-Urteile vom 19. Januar 1961 V 85/59 U, BFHE 72, 473, BStBl III 1961, 172; vom 22. November 1963 V 295/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964, 222). Personengesellschaften sind deshalb für die Steuerbegünstigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG wie Angehörige eines freien Berufs zu behandeln, wenn sie aus der Tätigkeit ihrer Gesellschafter als Angehörige eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG Umsätze bewirken (Urteil in BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524).

b) Begünstigt sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG nur Umsätze aus einer für den jeweiligen Beruf typischen Tätigkeit (BFH-Beschluß vom 19. Februar 1981 V B 50/79, BFHE 132, 351, BStBl II 1981, 412, m. w. N.). Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor.

Zu der typischen Tätigkeit eines Heilberufs gehören jedenfalls die Tätigkeiten, die Gegenstand der Ausbildung und Prüfung sind (bereits BFH-Urteil vom 13. August 1953 IV 50/53 U, BFHE 58, 1, BStBl III 1953, 292). Dies ist bei zahntechnischen Arbeiten eines Zahnarztes der Fall; denn Ausbildung und Prüfung umfassen auch die Planung und Ausführung von Behandlungsmaßnahmen und die Herstellung der hierfür erforderlichen zahntechnischen Arbeiten (§§ 26, 28, 40, 49 bis 50 der Approbationsordnung für Zahnärzte vom 26. Januar 1955, BGBl I 1955, 37, zuletzt geändert durch § 48 der Röntgenverordnung vom 1. März 1973, BGBl I 1973, 173).

Zählt eine Tätigkeit zu den berufstypischen Tätigkeiten, so wird sie nicht allein deshalb gewerblich, weil sie auch von anderen Personen mit einer anderen, nicht vergleichbaren Vorbildung ausgeübt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, 19, BStBl II 1981, 118, unter 3 b). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die ausgeübte Tätigkeit für den Katalogberuf wesensfremd ist und nicht in einem engen Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit steht (BFH-Urteil vom 24. Januar 1985 IV R 249/82, BFHE 143, 75, BStBl II 1985, 676).

Diese Grundsätze gelten entsprechend auch für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung. Nach dem Bedeutungszusammenhang, in dem § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG steht, ist diese Vorschrift dahin auszulegen, das prothetische Leistungen einer aus Zahnärzten bestehenden GbR jedenfalls dann dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, wenn sie ausschließlich gegenüber den Mitgliedern der Gemeinschaft erbracht und für deren steuerfreie Umsätze verwendet werden.

Prothetische Leistungen eines Zahnarztes selbst, die im Zusammenhang mit der Heilbehandlung erbracht werden, sind nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerbefreit. Dies gilt auch dann, wenn sie von einer Gemeinschaft erbracht werden, deren Mitglieder Angehörige der in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG bezeichneten Berufe sind, soweit sie gegenüber ihren Mitgliedern erbracht und wenn die Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerbefreiten Umsätze verwendet werden (§ 4 Nr. 14 Satz 2 UStG 1973, eingeführt durch Art. 6 des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - vom 26. Juni 1973, BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545). Ausgelagerte Umsätze, die vor der Änderung des § 4 Nr. 14 UStG 1973 nicht steuerbefreit waren, weil sie nicht im Zusammenhang mit einer von demselben Steuerpflichtigen ausgeübten Heilbehandlung standen (vgl. das zu § 4 Nr. 14 UStG i. d. F. vor dem StÄndG ergangene Urteil des BFH vom 20. April 1972 V R 110/71, BFHE 105, 424, BStBl II 1972, 656), sind nach der Neufassung steuerbefreit, wenn sie ausschließlich in die Heilbehandlung der Mitglieder der Gemeinschaft Eingang finden. Zahnprothetische Leistungen eines Zahnarztes unter Mithilfe angestellter Zahntechniker sind gemäß § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG zwar von der Steuerbefreiung ausgenommen; sie unterliegen jedoch dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG. Die Auslegung des Senats entspricht damit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen hinsichtlich der Besteuerung von zahnärztlichen einschließlich der zahnprothetischen Leistungen.

c) Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG steht der Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegen, daß ein Angehöriger der in Satz 2 bezeichneten Berufsgruppen sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung ist dann aber, daß er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Dabei kommt nach dem Gesetzeswortlaut dem Tatbestandsmerkmal ,,eigenverantwortlich" gegenüber dem Tatbestandsmerkmal ,,leitend" eine selbständige und ergänzende Bedeutung zu (ständige Rechtsprechung, vgl. ausführlich BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1987 X B 54/87, BFHE 151, 147, BStBl II 1988, 17, m. w. N.).

Eine über die leitende Tätigkeit hinausgehende Mitarbeit des Steuerpflichtigen ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann eigenverantwortlich, wenn die persönliche Teilnahme an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist (z. B. BFH-Urteil vom 11. September 1968 I R 173/66, BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820). Gegenstand der eigenverantwortlichen Einflußnahme des Steuerpflichtigen ist dabei das einzelne, von ihm in Auftrag genommene Werk oder die einzelne Dienstleistung, zu deren ordnungsgemäßer Ausführung er vor allem die fachliche Verantwortung trägt (BFH-Urteil vom 25. November 1975 VIII R 116/74, BFHE 117, 247, BStBl II 1976, 155). Dabei ist nach der Rechtsprechung davon auszugehen, daß ein Steuerpflichtiger freiberufliche Arbeit nur leistet, wenn die Ausführung jedes einzelnen Auftrages auch ihm selbst - und nicht dem qualifizierten Mitarbeiter - zuzurechnen ist (ausführlich im Urteil in BFHE 117, 247, 250, BStBl II 1976, 155, 157; Beschluß in BFHE 151, 147, BStBl II 1988, 17). Dies gilt um so mehr, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die von den angestellten Mitarbeitern aufgrund ihrer Ausbildung und der berufsrechtlichen Vorgaben auch selbst eigenverantwortlich ausgeführt werden könnten.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat lediglich festgestellt, daß die Klägerin prothetische Leistungen nur gegenüber ihren Gesellschaftern für deren Einzelpraxen erbracht hat. Es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen zur Organisation des Arbeitsablaufes und zum Umfang der eigenverantwortlichen Einflußnahme der Zahnärzte auf die Ausführung der einzelnen, von den angestellten Zahntechnikern ausgeführten Aufträge. Das FG wird diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachholen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 743

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