Leitsatz (amtlich)

Steuerberater und Steuerbevollmächtigte üben als Testamentsvollstrecker keine berufstypische und damit keine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 aus.

 

Normenkette

UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 5; StBerG 1961 §§ 2, 22; StBerG 1975 §§ 33, 57

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater. Er berechnet seine Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 des Umsatzsteuergesetzes - UStG 1967 -). Im Jahre 1974 hat er für eine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker Honorare vereinnahmt und für diese im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1974 den ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG1967 in Anspruch genommen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hielt dagegen die Anwendung des allgemeinen Steuersatzes für geboten und setzte die Umsatzsteuer entsprechend fest (Mehrsteuer von 583,95 DM).

Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe, die Entscheidung vielmehr auf den konkreten Umständen des Einzelfalles beruhe und von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht abweiche.

Der Kläger begehrt mit der Beschwerde die Zulassung der Revision. Zum einen weiche das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH ab. Mit seiner Auffassung, die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker sei für einen Steuerberater keine berufstypische Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil sie von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfaßt werde, setze sich das FG in Widerspruch zu den Grundsätzen des BFH Urteils vom 28. Juni 1973 IV R 77/70 (BFHE 110, 34, BStBl II 1973, 729). Zum anderen hält der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage für gegeben. Klärungsbedürftig sei, ob es der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG1967 im Vergleich mit § 18 Abs. 1 Nr. 1, EStG erlaube, bei Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG1967 die Tätigkeiten eines Steuerberaters in solche nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und solche nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aufzuspalten mit der Folge, daß die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker für einen Steuerberater nicht als berufstypisch anzusehen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet.

Eine Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor. Auch ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu verneinen, weil sowohl feste Rechtsgrundsätze gegeben sind (vgl. Beschluß des BFH vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196) als auch die Rechtsfrage so zu beantworten ist, wie dies in der anzufechtenden Entscheidung in Übereinstimmung mit der allgemeinen Meinung im Schrifttum geschehen ist und die widersprechende Auffassung des Klägers abwegig erscheint (vgl. Beschluß des BFH vom 11. Juli 1972 IV B 61/71, BFHE 106, 276, BStBl II 1972, 792).

1. Die Gewährung der Steuerbegünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 setzt zweierlei voraus: Zum einen muß der Unternehmer Angehöriger eines der von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfaßten freien Berufe sein. Zum anderen erfordert die Gesetzesformulierung "aus der Tätigkeit als ...", daß die Umsätze des Berufsangehörigen für seinen Beruf charakteristisch, d. h. berufstypisch sind (ständige Rechtsprechung; vgl. Urteile des BFH vom 12. August 1971 V R 49/71, BFHE 103, 276, BStBl II 1971, 789; vom 28. Oktober 1971 V R 101/71, BFHE 103, 451, BStBl II 1972, 102; vom 27. Juli 1978 V R 66/76, BFHE 126, 239, BStBl II 1978, 686, sowie vom 4. Dezember 1980 V R 120/73 und V R 27/76, beide zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. ferner zu der insoweit gleichlautenden Gesetzesformulierung des § 4 Nr. 14 UStG 1967 das Urteil vom 26. Mai 1977 V R 95/76, BFHE 123, 199, BStBl II 1977, 879). Während das subjektive Merkmal der Zugehörigkeit zu einem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Beruf nach den Verhältnissen des Besteuerungszeitraums zu beurteilen ist, ist das objektive Merkmal der berufstypischen Tätigkeit maßgebliches Kriterium für die Begünstigung des einzelnen Umsatzes. Folglich können bei einem Angehörigen eines freien Berufes begünstigte neben nichtbegünstigten Umsätzen stehen (so zuletzt Urteil vom 4. Dezember 1980 V R 27/76).

Bezüglich des objektiven Merkmals der berufstypischen Tätigkeit ergibt sich aus den genannten Urteilen, daß die umsatzsteuerrechtliche Beurteilungsweise auch im Bereich des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 allein einer Unterscheidung nach Tätigkeitsarten folgt. Sie folgt weder einer Unterscheidung nach Vermögensarten (vgl. Urteil vom 19. April 1979 V R 11/72 BFHE 127, 447, BStBl II 1979, 420) noch nach Einkunftsarten (vgl. Urteil vom 2l. Februar 1980 V R 113/73, BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613). Von dieser geht das Einkommensteuerrecht aus; das mag die Zurechnung von Einkünften i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu denjenigen aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG rechtfertigen (vgl. dazu Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., Bd. II, § 18 Anm. 74, Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftssteuer, § 18 EStG Anm. 126 ff. mit weiteren Nachweisen zur einkommensteuerrechtlichen Zurechnungstheorie).

Das zu § 34 Abs. 3 EStG ergangene BFH-Urteil vom 28. Juni 1973 IV R 77/70 (BFHE 110, 34, BStBl II 1973, 729), auf das sich der Kläger zur Begründung der Divergenz beruft, setzt sich - wenn auch aus Gründen der Tarifermäßigung - ebenfalls mit der Zuordnung von Einkünften auseinander und hat im Zusammenhang mit einer mehrjährigen Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers als Testamentsvollstrecker hierin keine Sondertätigkeit gesehen, die von der übrigen Tätigkeit ausreichend abgrenzbar sei und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehöre. Hieraus erhellt, daß die Ausführungen dieses Urteils von dem einkommensteuerlichen gedanklichen Ausgangspunkt geprägt sind und für das Umsatzsteuerrecht keine Bedeutung besitzen. Der verschiedenartige systematische Ausgangspunkt von Einkommensteuer und Umsatzsteuer bringt für das objektive Merkmal der berufstypischen Tätigkeit keine gemeinsamen Ansatzpunkte. Damit beschränkt sich die Bezugnahme des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG im wesentlichen auf die Gemeinsamkeiten, die in Form des subjektiven Merkmals der Zugehörigkeit zum Enumerativkatalog der freien Berufe gegeben sind.

2. Angesichts der einhelligen Meinung im berufsrechtlichen Schrifttum ist nicht zweifelhaft, daß die Tätigkeit eines Steuerberaters als Testamentsvollstrecker nicht zu seinem Berufsbild gehört und mithin nicht als berufstypische Tätigkeit anzusehen ist.

Die maßgeblichen Vorschriften sind enthalten in §§ 2 und 22 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG 1961) und den inhaltsgleichen §§ 33 und 57 StBerG 1975. Nach § 2 StBerG 1961 (= § 33 StBerG 1975) haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Nach allgemeiner Auffassung wird in den angesprochenen Bereichen die Beschreibung der dem Steuerberater und Steuerbevollmächtigten zugewiesenen Berufsaufgabe und damit des Berufsbildes gesehen. § 2 StBerG 1961 und § 33 StBerG 1975 werden mit § 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung und § 2 der Wirtschaftsprüferordnung verglichen (vgl. Bühring, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz 1961, § 2 Anm. 1; Klöcker/Mittelsteiner/ Späth, Handbuch der Steuerberatung, Stand Juli 1979, Steuerberatungsgesetz 1975, § 33 Anm. 1; Mittelsteiner/Gehre, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz 1975, § 33 Anm. 1; Kolbeck/Peter/Rawald, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz 1975, § 33 Anm. 1). Die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker ist von diesem Berufsbild nicht abgedeckt.

Die Vorschriften des § 22 Abs. 3 Nr. 3 StBerG 1961 und des § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG 1975, nach denen u. a. die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker mit dem Berufe eines Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten vereinbar ist, können an dieser Beurteilung nichts ändern. § 22 StBerG 1961 und § 57 StBerG 1975enthalten keine Ergänzung der Berufsbildbeschreibung des § 2 StBerG 1961 (= 33 StBerG 1975), sondern weitergehende Regelungen zur Berufsausübung. Es ist von dem in § 22 Abs. 2 StBerG 1961 (= 57 Abs. 2 StBerG 1975) beschriebenen Grundsatz auszugehen, daß sich Steuerberater und Steuerbevollmächtigte jeder Tätigkeit zu enthalten haben, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen ihres Berufes nicht vereinbar sind. Es handelt sich hier um eine Generalklausel, die durch die sog. Positivliste des Absatzes 3 (vereinbare Tätigkeiten) und die sog. Negativliste des Absatzes 4 (nichtvereinbare Tätigkeiten) beispielhaft und nicht abschließend verdeutlicht ist. Bei der in Betracht kommenden ersten Alternative (mit dem Berufe vereinbare Tätigkeiten) ist ein Maßstab anzulegen, der sich aus dem Berufsbild des steuerberatenden Berufs ergibt (so Klöcker/Mittelsteiner/Späth, a. a. O., § 57 Anm. 8; Kolbeck/Peter/Rawald, a. a. O., § 57 Anm. 114). Es muß gewährleistet sein, daß der Steuerberater in seiner Tätigkeit unabhängig und objektiv ist. Deshalb soll sowohl und den Pflichten aus einer anderen Tätigkeit vermieden werden als auch eine Tätigkeit ausgeschlossen sein, die sich nicht mit den (durch das Berufsbild vorgeprägten) Berufspflichten verträgt (vgl. Klöcker/ Mittelsteiner/Späth, a. a. O., § 57 Anm. 8). Diese Forderung sieht das Gesetz insbesondere als erfüllt an bei einer Tätigkeit in den angrenzenden Berufen eines Rechtsanwalts und eines Wirtschaftsprüfers. Auch bei den übrigen erlaubten Tätigkeiten geht das Gesetz davon aus, daß deren Ausübung keinen Gegensatz zu den in § 22 Abs. 1 und 2 StBerG 1961 (= § 57 Abs. 1 und 2 StBerG 1975) genannten allgemeinen und besonderen Berufspflichten ergibt (vgl. Mittelsteiner/Gehre, a. a. O. , § 57 Anm. 2). Zur Negativliste des § 22 Abs. 4 StBerG 1961 (= § 57 Abs. 4 StBerG 1975) hat der Bundesgerichtshof dementsprechend mit Urteil vom 23. Oktober 1980 IV a ZR 28/80 (Neue Juristische Wochenschrift 1981 S. 399) erkannt, daß es sich bei dieser Vorschrift um ein (allein) gegen den Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten gerichtetes Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB handelt. Es diene dem Ziel, vom Beruf des Steuerberaters als eines gehobenen freien Berufes die damit wesensfremden Tätigkeiten fernzuhalten und somit die Voraussetzungen sachgerechter Steuerberatung zu stärken.

Daß es sich bei § 22 StBerG 1961 (= § 57 StBerG 1975) lediglich um eine in diesem Sinne zu verstehende Berufsausübungsregelung zur Wahrung der Anforderungen, die an die Tätigkeit eines gehobenen freien Berufs zu stellen sind, handelt, ergibt sich auch aus der Zusammensetzung des Katalogs der vereinbaren Tätigkeiten. Nicht jede der in § 22 Abs. 3 StBerG 1961 § 57 Abs. 3 StBerG 1975) aufgeführten Einzeltätigkeiten kann ohne weiteres von jedem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ausgeübt werden. Sie setzen z. T. zusätzliche Qualifikationen voraus. Tätigkeitskataloge, die nur im Einzelfall ihre Wirkung entfalten können, sind aber nicht geeignet, das Berufsbild eines Berufsstandes zur Gänze zu prägen. Dieses Berufsbild ergibt sich mithin allein als § 2 StBerG 1961 § 33 StBerG 1975). Diese Beurteilung schließt nicht aus, daß der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte im Rahmen der vereinbaren Tätigkeit Einzelleistungen erbringt, die als abgrenzbare sonstige Leistungen i. S. des § 3 Abs. 8 UStG 1967 den Anforderungen einer berufstypischen Leistung entsprechen (z. B. ein Steuerberater, der im Rahmen einer Tätigkeit als Testamentsvollstrecker eine steuerberatende Tätigkeit i. S. des § 2 StBerG 1961 [= § 33 StBerG 1975] entfaltet und hierüber gesondert abrechnet).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413578

BStBl II 1981, 412

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