Leitsatz (amtlich)

1. Erwirbt ein Rechtsanwalt, der einer Anwaltssozietät angehört, einen Pkw zu Eigentum, so kann die Anwaltssozietät die dem Rechtsanwalt als Käufer gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bei sich nicht als abziehbare Vorsteuer i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 behandeln.

2. Werden die Unterhaltungskosten des Pkw zunächst vom Rechtsanwalt getragen und danach in Höhe des betrieblichen Anteils als Sonderbetriebsausgaben bei der Gewinnfeststellung berücksichtigt, kann die hierauf entfallende (und dem Rechtsanwalt gesondert in Rechnung gestellte) Umsatzsteuer ebenfalls nicht von der Anwaltssozietät als abziehbare Vorsteuer i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 behandelt werden.

 

Normenkette

UStG 1967 § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Klägerin ist eine Anwaltssozietät, zu der sich die Rechtsanwälte und Notare W. und A. zusammengeschlossen haben. In das Jahr 1969 fiel der Ankauf eines Pkw durch den Rechtsanwalt A. Dieser setzte in diesem und im Folgejahr 1970 den in seinem Eigentum stehenden Pkw im erforderlichen Umfang im Rahmen seiner Tätigkeit als Mitglied der Sozietät ein. Sowohl der Kaufpreis als auch die für den Betrieb des Pkw erforderlichen Mittel wurden von ihm getragen.

Die Klägerin hat diesen Sachverhalt in den für die Jahre 1969 und 1970 abgegebenen Umsatzsteuererklärungen als einen Leistungsbezug für ihr Unternehmen behandelt. Demgemäß hat sie die auf den Anschaffungsvorgang des Rechtsanwalts A. entfallende und diesem gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bei sich als abziehbare Vorsteuer i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 behandelt und damit korrespondierend einen Selbstverbrauch i. S. des § 30 UStG 1967 angenommen. Im Umfang der privaten Nutzung des Pkw durch Rechtsanwalt A. hat sie einen Eigenverbrauchsvorgang i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b UStG 1967 der Besteuerung unterworfen. Soweit Rechtsanwalt A. den Pkw unternehmerisch im Bereich des Sozietätsgeschäfts eingesetzt hat, sind die hierdurch bei ihm entstandenen Kosten einkommensteuerrechtlich als Sonderbetriebsausgaben behandelt worden. Die hierauf entfallende Umsatzsteuer ist von der Klägerin als abziehbare Vorsteuer beurteilt worden.

Die hiervon abweichende Steuerfestsetzung des Finanzamts für die Jahre 1969 und 1970 geht davon aus, daß der von Rechtsanwalt A. käuflich erworbene Pkw nicht für das Unternehmen der Sozietät angeschafft worden ist. Dementsprechend verneinte das Finanzamt die Steuerpflicht bezüglich Eigenverbrauch und Selbstverbrauchsteuer. Ferner hielt es die aus Anschaffung und Nutzung des Pkw angefallene Umsatzsteuer nicht für nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 abziehbar. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der Klage begehrt die Klägerin eine abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer 1969 und 1970, und zwar unter Berücksichtigung der Vorsteuer, die auf Anschaffung und Nutzung des von Rechtsanwalt A. erworbenen Pkw ruht. Die Klägerin ist der Auffassung, daß bei einer nichtrechtsfähigen Personenvereinigung jedes Mitglied Unternehmer sei; es sei berechtigt und verpflichtet, die für das Unternehmen notwendigen Entscheidungen zu treffen, so z. B. auch einen Pkw und die erforderlichen Betriebsmittel zu kaufen. Es gehe nicht an, daß eine Anwaltssozietät bei gleichartigen Vorgängen schlechter behandelt werde als ein einzelner Anwalt.

Das FG hat die Klage abgewiesen (EFG 1976, 425).

Mit der hiergegen gerichteten Revision wiederholt die Klägerin im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Neben anderen Voraussetzungen erfordert die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967, daß die steuerpflichtigen Leistungen an einen Unternehmer erbracht werden. Die Unternehmereigenschaft einer Anwaltssozietät als einem nach außen auftretenden Zusammenschluß zweier oder mehrerer Rechtsanwälte zu gemeinschaftlicher Berufsausübung steht außer Frage und entspricht allgemeiner Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung (vgl. bereits RFH-Urteil vom 13, Februar 1931 V A 1133/30, RFHE 28, 99, RStBl 1931, 470; zuletzt BFH-Urteil vom 27. August 1970 V R 72/66, BFHE 100, 146, BStBl II 1970, 833). Die Klägerin ist demgemäß als Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1967 zu beurteilen und erfüllt damit diese von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 geforderte Voraussetzung.

2. Weitere Voraussetzung für die Vorsteuerabzugsberechtigung nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 auf der Leistungsbezugsseite ist, daß der Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern erbrachte Leistung für sein Unternehmen bezogen hat und ihm dementsprechend die auf die (steuerpflichtige) Leistung entfallende Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt worden ist. Dies ist bezüglich des im Jahre 1969 durch den Rechtsanwalt A. getätigten Kaufs eines Pkw zu verneinen. Nicht die Klägerin (als Anwaltssozietät), sondern Rechtsanwalt A. ist als Käufer des Pkw aufgetreten. Der Pkw wurde ihm übereignet und verblieb in seinem Eigentum. In Vollzug des Kaufvertrages hat der Verkäufer nicht der Klägerin, sondern dem Rechtsanwalt A. die auf die entgeltliche Pkw-Lieferung entfallende Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt.

3. Die Klägerin trägt demgegenüber sinngemäß vor, bei Personenzusammenschlüssen, die zwar umsatzsteuerrechtlich, aber nicht zivilrechtlich als Rechtssubjekt beurteilt würden, sei jeder der am Personenzusammenschluß Beteiligten selbst Unternehmer. Seine Anschaffungen müßten jedenfalls insoweit, wie sie im wirtschaftlichen Ergebnis für die unternehmerische Betätigung des (zivilrechtlich nichtrechtsfähigen) Personenzusammenschlusses bestimmt seien, als Anschaffungen des umsatzsteuerrechtlich als selbständiges Rechtssubjekt anerkannten Personenzusammenschlusses behandelt werden. Bei der Einkommensteuer würden auch Aufwendungen eines Gesellschafters, die im vorgezeichneten Rahmen für den Zusammenschluß getätigt würden, als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung berücksichtigt. Dem hier sichtbar werdenden Rechtsgedanken müsse auch bei der Umsatzsteuer Rechnung getragen werden.

Dieser Auffassung kann in Übereinstimmung mit dem FG nicht gefolgt werden. Der vom FG gegebenen Begründung, daß umsatzsteuerrechtlich streng zwischen der Personenvereinigung und ihren Mitgliedern geschieden werden müsse und bei Sonderbetriebsausgaben eine Vorsteuerabzugsberechtigung der Personenvereinigung nur dann entstehe, wenn sie Leistungsempfänger unter gesonderter Inrechnungstellung der Umsatzsteuer sei, ist das Folgende hinzuzufügen:

Der Zusammenschluß von Rechtsanwälten zu gemeinschaftlicher Berufsausübung in einer Sozietät ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH die vertragliche Begründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts i. S. der §§ 705 ff. BGB, bei der sich die Beteiligten gegenseitig verpflichten, anwaltlich tätig zu sein, für die GbR Einkünfte zu erwerben und den Ertrag zu teilen (vgl. für das Außenverhältnis BGH-Urteil vom 6. Juli 1971 VI ZR 94/69, BGHZ 56, 355, und für das Innenverhältnis BGH-Urteil vom 27. September 1971 II ZR 106/68, NJW 1972, 101).

Die Beitragspflicht der Gesellschafter (§§ 705, 706 BGB) besteht (bei Fehlen anderweitiger Abreden) im wesentlichen im Einsatz ihrer Arbeitskraft. Der Betrieb einer Anwaltskanzlei setzt aber die Vorhaltung anderer Arbeitskraft (Büropersonal) sowie sächlicher Mittel voraus (so neben Büromaschinen in der Regel auch einen Pkw). Diesen Erfordernissen kann im Rahmen der Beitragspflicht (also abgesehen vom Erwerb durch die Geschäftsführung der Gesellschaft; § 718 BGB) in verschiedener Weise genügt werden. In Erfüllung der Beitragspflicht kann der Gesellschafter gehalten sein, bestimmte Gegenstände zu Eigentum der Gesellschaft einzubringen. Dieser Fall liegt bezüglich des von Rechtsanwalt A. erworbenen Pkws nicht vor.

Ein weitere Art der Einbringung stellt die Gebrauchsüberlassung durch den Gesellschafter dar. Hier soll der Gesellschaft nicht die Substanz der Sache zugewendet, sondern nur deren Gebrauch ermöglicht werden, wobei der Umfang der Nutzungsbefugnis (der Gesellschaft) durch den Gesellschaftszweck begrenzt wird (vgl. Ulmer in MünchKomm. zum BGB, § 706 Rdnr. 10; Schulze-Wenck in Erman, BGB, 7. Aufl., § 706 Rdnr. 7). In dieser Weise ist Rechtsanwalt A. mit dem von ihm erworbenen Pkw verfahren, denn er hat ihn der Sozietät in dem Rahmen zur Verfügung gestellt, wie dies die betrieblichen Zwecke der Sozietät erforderten. Belegt wird diese Wertung dadurch, daß Rechtsanwalt A. die auf die betriebliche Nutzung entfallenden Aufwendungen festgehalten und als Sonderbetriebsausgaben bei der Gewinnermittlung berücksichtigt hat.

4. Es kann der Klägerin allerdings nicht darin zugestimmt werden, daß die ertragsteuerliche Behandlung der Sonderbetriebsausgaben für eine Berücksichtigung der mit ihnen angefallenen Umsatzsteuern als abziehbare Vorsteuerbeträge bei der Gesellschaft spräche. Sonderbetriebsausgaben sind nicht Aufwand der Gesellschaft selbst. Sie sind vielmehr Aufwendungen des einzelnen Gesellschafters, die durch seine Beteiligung an der Gesellschaft ausgelöst werden und die die Einkünfte des Gesellschafters mindern. Es handelt sich bei ihnen um persönliche Aufwendungen des Gesellschafters, die unmittelbar das Ergebnis der Gesellschaft nicht berühren, sondern in eine Sonderbilanz des Gesellschafters eingehen.

Für die Umsatzsteuer ist an dieser Behandlung von Bedeutung, daß es sich bei den Sonderbetriebsausgaben um persönlichen Aufwand des Gesellschafters handelt; hieran ändert ihre spätere Berücksichtigung bei der Gewinnermittlung der Gesellschaft nichts. Die Sonderbetriebsausgaben verlieren dadurch ihren Charakter als persönlicher Aufwand auf das Sonderbetriebsvermögen nicht. Es liegt kein betrieblicher Aufwand der Gesellschaft vor, den sie selbst ausgelöst hat. Bei dieser Sachlage kann aus der ertragsteuerlichen Behandlung nicht abgeleitet werden, umsatzsteuerrechtlich müsse der Leistungsbezug des Gesellschafters als solcher der Gesellschaft behandelt werden.

5. Der Beitrag eines Gesellschafters durch Gebrauchsüberlassung ist auch kein zum Vorsteuerabzug führender Leistungsbezug der Gesellschaft, sondern ist aus der Sicht des Beitragspflichtigen ein auf Leistungsvereinigung gerichteter Vorgang (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 17. Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622). Derartige nichtsteuerbare Vorgänge sind auf seiten des Leistungsempfängers (der Personenvereinigung) kein Leistungsbezug i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967. Auch eine Vorsteuerabzugsberechtigung des Gesellschafters könnte hier nur entstehen, wenn ein Unternehmer seine Beteiligung im Rahmen seiner unternehmerischen Betätigung hielte. Da dies nach dem Berufsrecht für Rechtsanwälte schlechthin nicht vorstellbar ist, eröffnet sich der Zugang zum Vorsteuerabzug nur bei der Sozietät und hier bezüglich des Erwerbs eines unternehmerisch genutzten Gegenstandes (bzw. einer sonstigen Leistung) nur durch einen Erwerbsvorgang im Rahmen der Geschäftsführung der Gesellschaft nach § 718 BGB (zur gesamten Hand). Wollen Rechtsanwälte aus Erwägungen, die sie für zweckmäßig halten, Eigentum und Verfügungsbefugnis über einen teils privat, teils unternehmerisch genutzten Gegenstand nicht aus der Hand geben, müssen die dargestellten nachteiligen Folgen für den Vorsteuerabzug hingenommen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74900

BStBl II 1984, 231

BFHE 1984, 121

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