Besteuerung der Umsätze eines Freizeitparks
Hintergrund: Eintritt in einen Freizeitpark
Zu entscheiden war im Revisionsverfahren nur noch, ob der Eintritt in einen Freizeitpark mit diversen Fahrgeschäften dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
Die X ist alleinige Gesellschafterin und seit 2011 umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der N-GmbH. Die X betrieb in 2011 einen Freizeitpark mit diversen Fahrgeschäften. Die Eintrittskarten verkaufte sie vor Ort und online.
Daneben verkaufte die N-GmbH sog. Kombitickets, die zum Besuch des Freizeitparks sowie zur Übernachtung in einem Hotel berechtigten. Dazu erwarb die N-GmbH von der X Eintrittskarten. Die Hotelbetreiber stellten der N-GmbH ihre Beherbergungsleistungen in Rechnung.
X machte für die Umsätze aus dem Verkauf der Eintrittskarten den ermäßigten Steuersatz geltend. Für die Umsätze der N-GmbH beantragte sie die Margenbesteuerung für Reiseleistungen (§ 25 UStG), da die von der X bezogenen Eintrittskarten und Beherbergungsleistungen der Hoteliers als Reisevorleistungen i.S. des § 25 Abs. 3 Satz 1 UStG anzusehen seien.
Dem widersprach das FA und ihm folgend wies das FG die Klage ab.
Der BFH hatte das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in dem Vorabersuchen des FG Köln v. 25.8.2020, 8 K 1072/17 (EFG 2020, S. 1638) angeordnet. Nach Ergehen des EuGH-Urteils Phantasialand v. 9.9.2021, C-406/20 (EU:C:2021:720, BFH/NV 2021, S. 1455) konnte der BFH nun über die Revision entscheiden.
Entscheidung: Kein ermäßigter Steuersatz für die Umsätze eines Freizeitparks
Der BFH wies die Revision zurück. Die an die N-GmbH verkauften Eintrittsberechtigungen sind keine Reisevorleistungen. Die Eintrittsberechtigungen sind nicht ermäßigt zu besteuern.
Organschaft zwischen X und N-GmbH
Die Umsätze der N-GmbH (Organgesellschaft) sind der X als Organträgerin zuzurechnen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Umsatzsteuerrechtlich gehen die Eintrittsberechtigungen in die Reiseleistungen an die Erwerber der Kombitickets ein. Insoweit ist der Verkauf der Kombitickets als Innenumsatz der X an die N-GmbH nicht steuerbar. Da bei Organschaft nur die von Dritten bezogenen Leistungen Reisevorleistungen i.S. des § 25 Abs. 1 und 3 UStG sein können, sind die hier streitigen Innenumsätze nicht in die Margenbesteuerung einzubeziehen. Auf die verbleibenden Leistungen der X an die Erwerber der Kombitickets, die unter § 25 Abs. 1 UStG fallen, ist der Regelsteuersatz anzuwenden, weil Reiseleistungen weder in § 12 Abs. 2 UStG noch in Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL als ermäßigt zu besteuernde Umsätze aufgeführt sind (EuGH-Urteil Alpenchalets Resorts v. 19.12.2018, C-552/17, EU:C:2018:1032, Rz. 36 ff., 39; BFH v. 27.3.2019, V R 10/19 (V R 60/16), BStBl II 2021, S. 497).
Keine ermäßigte Besteuerung als "Schausteller"
Die Einräumung der Eintrittsberechtigung in den Freizeitpark ist nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG ermäßigt zu besteuern. Nach § 30 UStDV gelten als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen. Dementsprechend hat der BFH "Schausteller" als Personen definiert, die mit ihren der Unterhaltung dienenden Unternehmen gewerbsmäßig Jahrmärkte, Volksfeste usw. beschicken, damit von Ort zu Ort ziehen (z.B. BFH v. 5.11.2014, XI R 42/12, BStBl II 2017, S. 849, Rz. 23).
Tätigkeitsbezogene Leistung
Begünstigt ist nur eine tätigkeitsbezogene (nicht eine personenbezogene) Leistung. Das setzt voraus, dass der Umsatz auf einer ambulanten, d.h. nicht ortsfest ausgeführten schaustellerischen Leistung beruht (BFH v. 2.8.2018, V R 6/16, BStBl II 2019, S. 293, Rz. 23). Diese tätigkeitsbezogene Differenzierung ist mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität vereinbar (BFH v. 2.8.2018, V R 6/16, BStBl II 2019, S. 293, Rz. 23). Auf dieser Grundlage unterliegen Eintrittsberechtigungen in einen ortsgebundenen Freizeitpark nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG. Die von der X erbrachten Leistungen sind zwar Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten, aber sie werden nicht auf Jahrmärkten, Volksfesten oder ähnlichen Veranstaltungen erbracht; denn der Freizeitpark der Klägerin als Schaustellungsunternehmen ist ortsgebunden.
Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht
Dem steht (entgegen der Auffassung des FG Köln in seinem Vorlagebeschluss v. 25.8.2020, 8 K 1092/17, EFG 2020, S. 1638) das Unionsrecht nicht entgegen. Die Leistungen des Betreibers eines Vergnügungsparks und die im Zusammenhang mit einem zeitlich beschränkten Volksfest oder Jahrmarkt ausgeführten Leistungen sind aus Sicht eines Leistungsempfängers nicht gleichartig. Die Unterschiede stehen einer Vergleichbarkeit der Leistungen entgegen. Für die Leistungsempfänger ist es ein Unterschied, ob ein Schausteller seine Attraktion auf einer Veranstaltung temporär "vor Ort" beschränkt auf ein übliches Einzugsgebiet anbiete oder hierfür einen festen und dauerhaften Ort auswähle. Die Leistung von Schaustellern wird den Leistungsempfängern "wohnortnah" angeboten. Dadurch unterscheidet sich die Leistung der ortsgebundenen von den ortsungebundenen Unternehmern.
Hinweis: Feststellung der Sicht des Durchschnittsverbrauchers durch das FG als Tatsacheninstanz
Der BFH ergänzt, dass der Unterschied im Hinblick auf das Einzugsgebiet für große Veranstaltungen wie das Münchner Oktoberfest oder das Cannstatter Volksfest in Stuttgart wegen deren Größe, Bekanntheit und überregionalen Einzugsgebiets geringer sein könnte. Diese Feste stellen jedoch wegen ihrer Größe eine Ausnahme dar.
Das FG hat (für den BFH bindend) bei seiner Darstellung der Unterschiede zwischen ortsgebunden und ortsungebundenen Veranstaltungen auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abgestellt. Dazu bemerkt der BFH, dass das nationale FG im Allgemeinen in der Lage ist, die Sicht des Durchschnittsverbrauchers aufgrund eigener Sachkunde festzustellen (vgl. EuGH-Urteil Phantasialand, EU:C:2021:720, Rz. 47). Gehören die entscheidenden Richter (wie hier die Richter des FG) selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es im Allgemeinen keines (durch eine Meinungsumfrage o.Ä. untermauerten) Sachverständigengutachtens.
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