Leitsatz (amtlich)

Ein Erstattungsanspruch kann nur dann im Finanzrechtsweg verfolgt werden, wenn eine sich aus den Steuergesetzen ergebende Verpflichtung erfüllt wurde. Der an das Finanzamt leistende Bürge erfüllt eine solche Verpflichtung nicht.

 

Normenkette

FGO §§ 33-34; AO § 120 Abs. 2, § 330 Abs. 1

 

Tatbestand

Im Jahre 1962 erwarb die A-GmbH (GmbH) mehrere Grundstücke. Durch Bescheid vom 22. Oktober 1962 setzte das FA (Beklagter) die Grunderwerbsteuer fest. Auf Antrag der GmbH wurde die Steuer gestundet. Die GmbH verpflichtete sich, die Steuerschuld in monatlichen Raten ab 1. Januar 1963 zu tilgen. Zur Sicherung der Grunderwerbsteuerschuld übernahm u. a. die B-Bank (Bank) eine selbstschuldnerische Bürgschaft mit der Maßgabe, daß sich die Bürgschaftsverpflichtung jeweils um die Hälfte der von der GmbH an das FA gezahlten Raten der Grunderwerbsteuer ermäßige. Zur Umschreibung der genannten Grundstücke im Grundbuch kam es nicht mehr, denn die GmbH beantragte am 22. Juli 1963 die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens; am 9. August 1963 wurde der Anschlußkonkurs eröffnet. Da die GmbH nur die erste Rate der Grunderwerbsteuer bezahlt hatte, nahm das FA am 26. Juli 1963 nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens die Bank aus der Bürgschaft in Anspruch. Die verlangte Summe wurde am 29. Juli 1963 überwiesen. Der Konkursverwalter trat in den Grundstückskaufvertrag der GmbH nicht ein, sondern verlangte am 12. November 1963 die Erstattung der bereits entrichteten Grunderwerbsteuer und Verrechnung mit den sonstigen Steuerschulden der GmbH. Das FA teilte dem Konkursverwalter daraufhin mit Schreiben vom 25. März 1964 mit, daß gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG die festgesetzte Grunderwerbsteuer unerhoben bleibe, bzw. die bereits gezahlte Steuer zu erstatten wäre, aber gegen andere rückständige Steuerschulden der Erwerberin aufgerechnet werden müsse.

Unabhängig davon stellte der Kläger, ein Gesellschafter der GmbH, am 6. August 1963 beim FA einen Antrag auf Erstattung des von der Bank gezahlten Betrages an ihn. Zur Begründung trug er vor, er sei Bürge für die Grunderwerbsteuer gewesen, für die die Bank inzwischen den genannten Betrag überwiesen habe. Das FA teilte ihm hierauf am 9. August 1963 zunächst mit:

"Wenn das Grundstücksgeschäft rückgängig gemacht ist und die Voraussetzungen des § 17 GrEStG erfüllt sind, wird der Betrag an die B-Bank zurückgezahlt."

Mit Schreiben vom 8. November 1963 verweigerte das FA die beantragte Erstattung an den Kläger, da nicht er, sondern die Bank Bürge gewesen sei. Die Auskunft vom 9. August 1963 sei demnach an ihn, den Kläger, als Nichtberechtigten ergangen; an dem Inhalt dieses Schreibens vom 9. August 1963 könne nicht festgehalten werden. Am 25. März 1964 erließ das FA einen mit Rechtsmittelbelehrung versehenen förmlichen Bescheid gegenüber dem Kläger, worin die Erstattung nochmals abgelehnt wurde.

Die auf Erstattung des genannten Betrages gerichtete Sprungklage wies das FG als unbegründet zurück, "soweit sie auf einen steuerlichen Erstattungsanspruch gestützt wird" (Nr. I a des Tenors). Soweit die Klage "auf das Bürgschaftsverhältnis zwischen der B-Bank und dem Land X, vertreten durch das FA C, gestützt wird" verwies das FG den Rechtsstreit zuständigkeitkhalber an das Landgericht D (Nr. I b des Tenors).

Zur Begründung dieser Entscheidung führte das FG aus, dem Kläger stehe kein Erstattungsanspruch nach steuerrechtlichen Vorschriften zu. Zwar sei nicht ausdrücklich bestimmt, wem ein Steuerrückzahlungsanspruch zustehe, es sei jedoch in Übereinstimmung mit Literatur und Rechtsprechung anzunehmen, daß nur der Steuerschuldner berechtigt sei, nicht dagegen ein Dritter, der die Steuer an Stelle des Steuerschuldners bezahlt habe. Der Kläger nehme zu Unrecht an, der Erstattungsanspruch sei bereits kraft Gesetzes auf ihn übergegangen, weil die Bank sich in seinem Auftrage verbürgt habe und sich in Höhe der Bürgschaftssumme bei ihm schadlos gehalten habe. Dem könne schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil auch der Bank kein Erstattungsanspruch gegen das FA zustehe (vgl. Urteil des BFH vom 14. Dezember 1955 II 54/55, BFHE 62, 122, BStBl III 1956, 46). Der Kläger könne auch nicht die Erstattungsansprüche der AO (§§ 150 f.) geltend machen. Ein Anspruch aus § 151 AO scheitere daran, daß die Steuerfestsetzung nicht durch Aufhebung, Rücknahme oder Änderung des früher erlassenen Bescheides berichtigt worden sei. Ein Erstattungsanspruch aus § 152 AO stehe, wie der Erstattungsanspruch gemäß § 17 GrEStG, nur dem Steuerpflichtigen, nicht aber einem Dritten zu.

Soweit der Rechtsstreit an das Landgericht D verwiesen wird, begründet das FG seine Entscheidung damit, daß Ansprüche des Fiskus aus einem Bürgschaftsvertrag nicht unter das Abgabenrecht fielen. Könne der Fiskus aber seine Ansprüche aus dem Bürgschaftsverhältnis nur im zivilen Rechtsweg geltend machen, so könnten umgekehrt die Ansprüche aus diesem Verhältnis gegen den Fiskus auch nur vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden. Auch soweit der Kläger seinen Anspruch aus dem Schreiben des FA vom 9. August 1963 herleite, sei die Zuständigkeit der FG nicht gegeben, weil dieses Schreiben nur im Rahmen des Bürgschaftsverhältnisses gewürdigt werden könne. Schließlich sei für Ansprüche, die dem Kläger aus einem angeblich schuldhaften Verhalten des FA entstanden sein könnten, der Rechtsweg vor den FG unzulässig, da es sich insofern ebenfalls nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über Abgabenangelegenheiten handeln würde. Die Amtshaftungsansprüche seien im bürgerlichen Recht begründet und stellten mithin keine Steuersachen dar. Auf Antrag des Klägers werde daher insoweit der Rechtsstreit an das Landgericht D verwiesen.

Mit der Revision beantragt der Kläger, den Erstattungs-Ablehnungsbescheid des FA und das Urteil des FG ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung wird vorgetragen, der Erstattungsanspruch sei auf Grund des im Schreiben des FA vom 9. August 1963 enthaltenen Schuldanerkenntnisses gerechtfertigt, denn auch öffentlich-rechtliche Verträge seien als Anspruchsgrundlage geeignet (BVerfGE 14, 163). Man könne derartige Erklärungen nicht nur unter dem Deliktgesichtspunkt rechtlich relevant werden lassen. Der Erstattungsanspruch des § 17 GrEStG sei mit dem nach § 774 BGB auf den Kläger übergegangenen "koinzident". Es sei demnach nicht möglich, mit dem Urteil zwischen diesen beiden Ansprüchen, die inhaltlich identisch seien, einen Unterschied zu machen. Nach allgemeinen Grundsätzen für die Revisionsinstanz müsse zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß die Bank etwaige Ansprüche gegen die Verwaltung an ihn abgetreten habe. Eine irgendwie geartete Unsicherheit für die Verwaltung trete nicht ein; selbst wenn sie bestünde, könne sich die Verwaltung durch Hinterlegung des Betrages helfen (analog zu §§ 372 f. BGB) oder es den streitenden Prätendenten überlassen, untereinander sich zunächst über die subjektive Rechtszuständigkeit zu verständigen. Nach Entscheidungen des BGH (Wertpapier-Mitteilungen Teil IV Bd. 61 S. 204) stehe dem Garanten ein eigener Rückforderungsanspruch zu, wenn sich später herausstelle, daß der Garantiefall nicht eingetreten sei. Hinzukomme, daß das FA gegen Treu und Glauben verstoßen habe, denn ihm sei bei Anforderung der Bürgschaft die Insolvenz bereits bekanntgewesen. Das FA habe erkennen müssen, daß es nach allen Regeln der Lebenswahrscheinlichkeit zu einem Vollzuge der Grunderwerbe nicht mehr kommen werde. Die Treu- und Glauben-Prüfung werde nicht dadurch überflüssig, daß man an ihrer Stelle die Frage nach einem schuldhaften Verhalten eines oder mehrerer Veranlagungsbeamten prüfe.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision. Es hebt hervor, daß der berechtigte Erstattungsanspruch des Steuerschuldners durch Aufrechnung erfüllt sei und der Kläger nicht dargetan habe, daß diese Erstattung bzw. Aufrechnung zu Unrecht erfolgt sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist gegeben, denn der Kläger macht einen Anspruch nach den Steuergesetzen geltend.

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der vom Kläger behauptete öffentlich-rechtliche Anspruch besteht nicht, denn Erstattung kann nur verlangen, wer eine ihm nach den Steuergesetzen obliegende Verpflichtung erfüllt hatte. Der Bürge erfüllt eine solche Verpflichtung nicht. Die von einem Bürgen gegenüber dem FA erbrachte Leistung ist vielmehr, wie sich aus § 120 Abs. 2 AO ergibt, bürgerlichrechtlicher Art, denn sie erfolgt in Erfüllung eines zwischen dem Bürgen und dem Steuerfiskus geschlossenen Vertrages.

Der Kläger kann die Zahlung an sich selbst auch nicht auf Grund einer evtl. Abtretung eines möglicherweise bestehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs der GmbH verlangen. Das FG hat festgestellt, daß ein Abtretungsvertrag zwischen dem Kläger und der GmbH nicht abgeschlossen wurde. Diese Feststellung ist für den Senat bindend, da Verfahrensverstöße des FG nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gerügt wurden. Die allgemeine Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht hinlänglich spezifiziert, um eine Nachprüfung dieser Frage durch das Revisonsgericht zu ermöglichen.

Der Kläger kann sich ferner nicht darauf berufen, daß der Bank ein sich aus dem öffentlichen Recht ergebender Rückforderungsanspruch zustehe, weil das FA unter Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben Zahlung aus der Bürgschaft verlangt habe, obgleich die Rückgängigmachung des Vertrages abzusehen gewesen sei. Es mag dahinstehen, ob in einem solchen besonderen Fall die Bank einen sich aus den Steuergesetzen ergebenden Rückforderungsanspruch hätte, denn einen solchen Anspruch könnte der Kläger allenfalls dann mit Erfolg geltend machen, wenn er von der Bank an ihn abgetreten und diese Abtretung dem FA von der Bank angezeigt worden wäre (§ 159 AO). Hieran fehlt es.

Auf ein öffentlich-rechtliches Schuldanerkenntnis des FA kann der Kläger seinen Anspruch ebenfalls nicht stützen, denn das FA hat im Schreiben vom 9. August 1963 keine Zahlung an den Kläger in Aussicht gestellt. Sofern durch dieses Schreiben überhaupt eine öffentlichrechtliche Erstattungsforderung begründet werden konnte - was dahinstehen kann -, wäre diese zugunsten der Bank, nicht aber zugunsten des Klägers entstanden. Eine wirksame (§ 159 AO) Abtretung an den Kläger wurde nicht festgestellt.

2. Die vom FG unter Nr. I b des Tenors ausgesprochene Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht D ist bislang nicht in Rechtskraft erwachsen, der Rechtsstreit daher insoweit auch noch nicht bei diesem Gericht anhängig geworden (§§ 41 Abs. 3 Satz 3, 180 VwGO; § 34 Abs. 3 Satz 3 FGO). Trotz der zunächst erklärten Beschränkung der Revision auf Nr. I a des Tenors des Urteils des FG (Verneinung eines Erstattungsanspruchs nach den Steuergesetzen) unterliegt mangels einer betragsmäßigen Einschränkung des Revisionsantrags die gesamte Vorentscheidung, somit auch der Verweisungsausspruch, der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.

Die nunmehr vom Kläger vorgetragene Auffassung, daß auch das Bestehen eines bürgerlich-rechtlichen Anspruchs im finanzgerichtlichen Verfahren zu prüfen sei, ist unzutreffend. § 330 AO erfaßt auch in der durch das Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes 1965 geschaffenen Fassung nur die Fälle, in denen Personen nach bürgerlichem Recht kraft Gesetzes verpflichtet sind, eine Steuerschuld zu begleichen. Der Kläger behauptet selbst nicht, daß die Bank kraft Gesetzes verpflichtet war, den Betrag an das FA zu entrichten. Die Inanspruchnahme der Bank durch das FA und der offenbar von der Bank durchgeführte Rückgriff auf den Kläger beruhen vielmehr ausschließlich auf vertraglichen Vereinbarungen.

Auch die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch auf Grund einer Amtspflichtverletzung berechtigt ist, kann nicht von den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit geprüft werden (Art. 34 Satz 3 GG).

Das FG hat im Tenor des angefochtenen Urteils die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht D nur insoweit ausgesprochen, als die Klage auf das Bürgschaftsverhältnis zwischen der Bank und dem Land X gestützt wird. Dieser Verweisungsausspruch war zu erweitern, denn auch soweit andere zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen (z. B. Amtspflichtverletzung), ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Die Verweisung an das Landgericht D wird nicht dadurch berührt, daß für das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten möglicherweise nicht der Vorsteher des FA C, sondern eine andere Behörde zur Vertretung des Landes X zuständig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70959

BStBl II 1974, 557

BFHE 1974, 220

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