Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur möglichen Wirksamkeit eines verspäteten Antrags auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich für das folgende Wirtschaftsjahr

 

Leitsatz (NV)

Hat ein Landwirt den Antrag auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG 1980 zu spät gestellt, so kann darin ein wirksam gestellter Antrag für das folgende Wirtschaftsjahr zu sehen sein, wenn der Landwirt bislang seinen Gewinn stets durch Bestandsvergleich ermittelt hat und bereits feststeht, daß er seinen Betrieb danach aufgegeben hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 141 Abs. 1-2; EStG § 13a Abs. 1; RAO § 161 Abs. 1 Nr. 1e

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Kinder und Erben der am 10. September 1983 verstorbenen ... Diese hatte mit ihrem bereits 1978 verstorbenen Ehemann, dem Vater der Kläger, den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart. Die Eheleute bewirtschafteten gemeinsam den ca. 23 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb in A. Für diesen war ein Einheitswert von 38200 DM festgesetzt. Im Streitjahr 1980 war die Mutter alleinige Eigentümerin des von ihr selbstbewirtschafteten Betriebes in A. Außerdem gehörte ihr ein verpachteter ca. 60 ha großer landwirtschaftlicher Betrieb in B mit einem Einheitswert von 151000 DM, den ihr Ehemann am 16. August 1977 erworben hatte. Beide Betriebe stellten nach Auffassung der Beteiligten einen einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb dar, den die Mutter zum 1. April 1980 auf den Kläger zu 1 übertrug.

Seit 1954 waren für den landwirtschaftlichen Betrieb in A freiwillig Bücher geführt und deren Ergebnisse jeweils der Besteuerung zugrunde gelegt worden. Ein entsprechender Antrag wurde letztmalig am 31. Dezember 1975 gestellt; demgemäß wurden die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1974/75 durch Vermögensvergleich ermittelt. Ausdrücklich wurde danach ein entsprechender Antrag nicht mehr gestellt.

Die steuerlich beratene Mutter der Kläger ermittelte für das Wirtschaftsjahr 1979/80 bis zum 31. März 1980 einen Verlust in Höhe von 24165 DM. Der auf das Jahr 1980 entfallende Verlust betrug 8055 DM. Die Gewinnermittlung 1979/80 wurde zusammen mit der Einkommensteuererklärung 1979 am 30. November 1981 abgegeben.

Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, für die Wirtschaftsjahre nach dem 30. Juni 1978 sei ein Antrag gemäß § 13a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht fristgemäß gestellt worden. Der Gewinn sei daher nach § 13a EStG zu ermitteln. Das FA änderte die Einkommensteuerbescheide 1979 und 1980 entsprechend. Der Einspruch der Kläger für das Streitjahr 1980 blieb erfolglos, das Einspruchsverfahren für 1979 ruht.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision, mit der die Kläger die Verletzung von Bundesrecht rügen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Aufgrund der Revision der Kläger sind das angefochtene Urteil und der Einkommensteuerbescheid 1980 sowie die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). FA und FG sind zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Gewinn gemäß § 13a EStG a.F. nach Durchschnittsätzen ermittelt werden könne. Die Voraussetzungen dafür lagen nicht vor. Die Mutter der Kläger hatte nämlich für das Wirtschaftsjahr 1979/80 rechtzeitig und fristgerecht beantragt, den Gewinn durch Bestandsvergleich zu ermitteln (§ 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F.). Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob sie im Streitjahr auch buchführungspflichtig war.

1. Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG in der für die bis 30. Juni 1980 endenden Wirtschaftsjahre geltenden Fassung (EStG a.F.) ist der Gewinn für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen zu ermitteln, wenn der Steuerpflichtige nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist, für seinen Betrieb Bücher zu führen. Doch ist auf Antrag des Steuerpflichtigen der Gewinn für vier aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln, wenn für das erste dieser Wirtschaftsjahre Bücher geführt werden und ein Abschluß gemacht wird (§ 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F.). Der Antrag ist spätestens sechs Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, auf das er sich bezieht, schriftlich zu stellen (§ 13a Abs. 1 Satz 3 EStG a.F.).

2. Im Streitfall durfte das FA den Gewinn der Mutter aus Land- und Forstwirtschaft nicht gemäß § 13a EStG a.F. nach Durchschnittsätzen ermitteln, sondern mußte das anteilige Ergebnis des Betriebsvergleichs ansetzen. Zwar war die durch den für das Wirtschaftsjahr 1974/75 gestellten Antrag auf vier Jahre begründende Pflicht, den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln, ausgelaufen. Die steuerlich beratende Mutter der Kläger hatte jedoch erneut einen Antrag für das Wirtschaftsjahr 1979/80 gestellt. Sie hatte nämlich zusammen mit der am 30. Juli 1980 eingegangenen und unterzeichneten Einkommensteuererklärung 1978 die Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1978/79 eingereicht. Entgegen der Auffassung des FG ist darin der rechtzeitig und wirksam i.S. des § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. gestellte Antrag zu sehen, auch den Gewinn für das folgende Wirtschaftsjahr 1979/80 durch Bestandsvergleich zu ermitteln.

Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 28. Januar 1988 IV R 12/86 (BFHE 152, 476, BStBl II 1988, 530) entschieden hat, kann eine eindeutige Antragstellung bereits dann angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige der Steuererklärung für ein bestimmtes Jahr den entsprechenden Jahresabschluß beifügt und in der Anlage L den unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Bestandsvergleichs berechneten Jahresgewinn angibt. Es ist dann unschädlich, wenn er das für die Antragstellung in der Anlage L vorgesehene Kästchen nicht ankreuzt. Daran hat der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 4. Juni 1992 IV R 123-124/91 (BFHE 169, 132, BStBl II 1993, 125) festgehalten. Für eine unangebrachte Förmelei besteht kein Anlaß, wenn der Steuerpflichtige Jahr für Jahr seine Gewinne durch Bestandsvergleich ermittelt hat.

Es begegnet im Streitfall keinen Bedenken, den für das Wirtschaftsjahr 1978/79 gestellten Antrag als auch für das folgende Wirtschaftsjahr gestellt anzusehen. Das hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Oktober 1981 IV R 214/79 (BFHE 134, 347, BStBl II 1982, 161) in einem vergleichbaren Fall angenommen. Auch wenn es in § 13a Abs. 1 Satz 3 EStG a.F. heißt: Der Antrag ist spätestens sechs Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, auf das er sich bezieht, schriftlich zu stellen, kann der Antrag schon vorher gestellt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - in BFHE 134, 347, BStBl II 1982, 161). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Steuerpflichtige einen Betrieb eröffnet und bereits vor Betriebseröffnung den Antrag stellt, den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln. Entscheidend ist dann allerdings, daß tatsächlich - wie hier geschehen - ein Abschluß gemacht wird (§ 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F.).

Das FA konnte die Einkommensteuererklärung 1978 im Zusammenhang mit den in Zeile 2 und 3 der Anlage L für die Wirtschaftsjahre 1977/78 und 1978/79 angegebenen Verluste nur dahin verstehen, daß die Mutter der Kläger auch für die folgenden Wirtschaftsjahre die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wählen wolle. Denn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte und erklärte Verluste sind nur dann der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sich der Steuerpflichtige gegen die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen entschieden hat. Davon, daß auch die steuerlich beratene Mutter der Kläger dies bewußt so wollte, mußte das FA ausgehen. Dem FA war bekannt, daß die Eltern der Kläger seit 1954 für ihren Betrieb Bücher geführt und den Gewinn immer durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt hatten. Zudem waren diese Bücher für das streitige Wirtschaftsjahr 1979/1980 weitergeführt worden. Der Überlegung des FG, daß wegen der Bindung an die Buchführungspflicht auf vier Jahre die Interessenlage des Steuerpflichtigen sich verändern und deshalb nicht angenommen werden könne, daß er einen Antrag auf für den um ein weiteres Wirtschaftsjahr verlängerten Zeitraum habe stellen wollen, kann der Senat in dieser Form nicht beipflichten. Denn der Antrag setzt nicht voraus, daß sich der Steuerpflichtige erkennbar für vier Jahre binden will (BFH-Urteil in BFHE 152, 476, BStBl II 1988, 530). Der Überlegung des FG kommt zudem im Streitfall keine Bedeutung zu. Denn die Mutter der Kläger hatte ihren Betrieb bereits zum 1. April 1980 dem Kläger zu 1 übergeben, so daß ihre Buchführungspflicht dann endete. Das war dem FA bei Abgabe der Einkommensteuererklärung 1978 am 30. Juli 1980 bereits aufgrund der Veräußerungsanzeige bekannt.

3. Im übrigen bemerkt der Senat, daß die Mutter der Kläger selbst für das Wirtschaftsjahr 1978/79 gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1e der Reichsabgabenordnung (AO) verpflichtet war, den Gewinn durch Vermögensvergleich zu ermitteln. Die Gewinne aus dem landwirtschaftlichen Betrieb in A hatten die dort festgelegte Grenze von 12000 DM überschritten und waren vom FA in den entsprechenden Steuerbescheiden zugrunde gelegt worden. Einer besonderen Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht bedurfte es nach der damals geltenden Rechtslage nicht, weil die Eltern der Kläger von einem mit Buchführungsfragen der Landwirte besonders vertrauten Steuerberater beraten wurden und sich selbst als buchführungspflichtig bezeichnet hatten (BFH-Urteile in BFHE 134, 347, BStBl II 1982, 161 unter 4., und vom 25. Februar 1988 IV R 89/85, BFH/NV 1988, 757). Aus den vom FG beigezogenen Steuerakten ergibt sich (Betriebsprüfungsbericht vom 13. Januar 1976 Tz. 36), daß der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in den Jahren 1971, 1972 und 1973 (Wirtschaftsjahr 1972/73: + 50198 DM und Wirtschaftsjahr 1973/74: -1475 DM) jeweils die Grenze des § 161 Abs. 1 Nr. 1e AO von 12000 DM überstieg. Daß die Eltern der Kläger in den Wirtschaftsjahren 1973/74, 1974/75 und 1975/76 Verluste erzielt hatten, ist unerheblich. Maßgebend i.S. des § 161 Abs. 1 Nr. 1e AO war - ebenso jetzt ausdrücklich in § 141 Abs. 1 Nr. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) - nicht der Gewinn des Wirtschaftsjahres, sondern der Gewinn des Kalenderjahres (Senatsurteil vom 22. September 1983 IV R 136/82, nicht veröffentlicht; Niedersächsisches FG, Urteil vom 10. August 1977 VIII 130/74, Entscheidungen der Finanzgerichte 1978, 204, und Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 1983, Anm. B 40; vgl. weiter Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 141 AO 1977 Tz. 9). Zwar hat das FA im Einkommensteuerbescheid 1974 einen Verlust von 25072 DM aus Land- und Forstwirtschaft festgestellt, so daß gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1e AO der Wegfall der Buchführungspflicht mit dem Beginn des Wirtschaftsjahres wirksam geworden wäre, das auf den Zeitpunkt folgt, an dem die Feststellung getroffen worden ist. Der Einkommensteuerbescheid 1974 ist jedoch den Eltern der Kläger erst im Januar 1977, also nach Außerkrafttreten der AO und der Verordnung über die landwirtschaftliche Buchführung - nicht anders die Einkommensteuerbescheide 1975 und 1976 - bekanntgegeben worden. Der zu diesem Zeitpunkt geltende § 141 Abs. 2 AO 1977 in der damals und auch heute geltenden Fassung sieht vor, daß die Buchführungspflicht erst mit dem Ablauf des Wirtschaftsjahres endet, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Finanzbehörde feststellt, daß die Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 AO 1977 nicht vorliegen. Auch wenn man davon ausgeht, daß diese Feststellung durch den Ansatz des Verlustes im Einkommensteuerbescheid 1974 vom 4. Januar 1977 erfolgt ist, also im Wirtschaftsjahr 1976/77, hätte danach die Buchführungspflicht erst mit dem Ablauf des darauf folgenden Wirtschaftsjahres zum 30. Juni 1978 geendet. Das aber ist für das noch ruhende Einspruchsverfahren wegen Einkommensteuer 1979 bedeutsam. Darauf, ob das FA wegen der besonderen Umstände im Streitfall verpflichtet gewesen wäre, die Eltern der Kläger aus Gründen der Rechtssicherheit durch eine förmliche Mitteilung auf den Wegfall der Buchführungspflicht hinzuweisen (Tipke/Kruse, a.a.O., § 141 AO 1977 Tz. 24 unter Hinweis auf Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 15. Dezember 1981, BStBl I 1981, 878 unter 2.2.) kommt es nicht mehr an.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 863

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