Leitsatz (amtlich)

Der Betrieb einer Kantine gehört nicht zum verarbeitenden Gewerbe - ausgenommen Baugewerbe -, sondern zum Dienstleistungsgewerbe.

 

Normenkette

BerlinFG § 19 Abs. 1 S. 3 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt in Berlin (West) in gemieteten Räumen ein Kasino (Kantine) in der Form der Selbstbedienung. Von seinen Erlösen entfielen im Streitjahr 1971 ... DM auf den Verkauf von Handelswaren (Spirituosen, Tabakwaren und Süßwaren) und ... DM auf die Herstellung und die Ausgabe von warmen und kalten Speisen. Diese wurden zum Teil in dem Speiseraum des Klägers von den Gästen verzehrt und zum Teil an einen anderen Unternehmer geliefert, der einen fahrbaren Mittagstisch (Fernküche) unterhält.

Im Jahre 1971 erwarb der Kläger eine Kühlzelle mit einer Kühlanlage, von deren Anschaffungskosten er eine Investitionszulage von 25 v. H. nach § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG begehrte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) gewährte jedoch nur die Zulage von 10 v. H. und lehnte die erhöhte Investitionszulage mit der Begründung ab, daß der Betrieb des Klägers nicht zum verarbeitenden Gewerbe, sondern zum Dienstleistungsgewerbe gehöre. Der Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des FG ist in EFG 1974, 99 veröffentlicht.

Das FG stützte seine Auffassung auf folgende Überlegungen: Durch das Kochen, Braten, Brühen usw. verarbeite der Kläger zwar Rohstoffe zu fertigen Speisen i. S. des § 12 UStDB 1951. Das entscheidende Gepräge erhalte seine Tätigkeit jedoch durch die Bewirtung seiner Gäste. Zwar würden die Speisen nicht wie in einer Gastwirtschaft durch Bedienungspersonal serviert, der Kläger unterhalte aber für diesen Zweck einen Speiseraum und stelle seinen Gästen auch Geschirr und Bestecke zur Verfügung. Er werde deshalb auch in dem Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes nicht dem Gaststättengewerbe, sondern dem Dienstleistungsgewerbe zugerechnet (Nr. 70054 der Grundsystematik). Soweit der Kläger fertige Speisen an einen anderen Unternehmer liefere, sei die Rechtslage möglicherweise anders. Diese Lieferungen seien aber von untergeordneter Bedeutung.

Dagegen macht der Kläger mit der Revision geltend:

Wie in einem Unternehmen mit Produktions- und Vertriebsabteilung unterscheide auch er in seinem Betrieb zwischen dem Herstellungsbereich (der Küche) und dem Vertriebsbereich, in dem die hergestellten Speisen an die Kunden verkauft würden. Daß in der Küche Be- und Verarbeitungsvorgänge vorgenommen würden, habe das FG anerkannt. Da die Kühlzelle dem Fertigungsbereich zuzurechnen sei, stehe ihm auch die erhöhte Investitionszulage zu. Die Dienstleistungen, auf die das FG entscheidend abgestellt habe, rechneten zum Vertriebsbereich und könnten dem Herstellungsbereich nicht angelastet werden. Im übrigen verkenne das FG den Umfang dieser Tätigkeiten in einer Kantine mit Selbstbedienung, wenn es meine, daß die Dienstleistungen in seinem Unternehmen überwögen. Diese Leistungen seien vielmehr von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend sei die Qualität der Speisen.

Der Kläger beantragt, ihm eine weitere Investitionszulage von 15 v. H. zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die erhöhte Investitionszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG kann nur für Wirtschaftsgüter gewährt werden, die zu einem Betrieb (einer Betriebstätte) des verarbeitenden Gewerbes - ausgenommen Baugewerbe - gehören und die unmittelbar oder mittelbar der Fertigung dienen. Die von dem Kläger angeschaffte Kühlzelle und die dazugehörige Kühlanlage dienen der Aufbewahrung der Rohstoffe, aus denen der Kläger die Speisen herstellt. Es kann deshalb angenommen werden, daß sie unmittelbar oder mittelbar der Fertigung dienen (vgl. dazu das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 29. März 1976 III R 171/72). Der Betrieb des Klägers gehört jedoch nicht dem verarbeitenden Gewerbe an. Die dazu von der Vorinstanz geäußerte Auffassung ist im Ergebnis zutreffend. Dabei kann der Betrieb des Klägers nicht in verschiedene Bereiche aufgespalten werden; er ist vielmehr als Einheit zu beurteilen.

2. Die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes vom Baugewerbe hat die Rechtsprechung (vgl. Urteile des BFH vom 14. Januar 1975 VIII R 148/71, BFHE 115, 86, BStBl II 1975, 392; vom 14. Januar 1975 VIII R 11/73, BFHE 115, 167, BStBl II 1975, 406, und das Urteil des Senats vom 8. April 1976 III R 161/73, BFHE 118, 516, BStBl II 1976, 410) in engster Anlehnung an das Systematische Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes vorgenommen. Die Rechtsprechung ist dabei von folgenden Erwägungen ausgegangen: Dieses Verzeichnis hat für den Steuerpflichtigen den Vorteil, daß er für den Regelfall selbst feststellen kann, ob er zur Inanspruchnahme der erhöhten Investitionszulage berechtigt ist. Auch der Gesetzgeber ist von der Anwendung dieses Verzeichnisses ausgegangen (vgl. die amtliche Begründung des Gesetzentwurfs in Bundestags-Drucksache V/3019). Das Verzeichnis ist im Gesetz zwar nicht erwähnt. Es sind aber auch die Begriffe "verarbeitendes Gewerbe" und "Baugewerbe" im Gesetz nicht definiert. Da es sich dabei um Begriffe der Wirtschaft handelt, ist die Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise bei der Auslegung mit heranzuziehen. Diese hat ihren Niederschlag in dem Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts gefunden, an dessen Erarbeitung zahlreiche Wirtschaftsverbände beteiligt waren. Damit ist die frühere Auffassung, daß der Begriff "verarbeitendes Gewerbe" nach den Grundsätzen auszulegen sei, die zu § 12 UStDB 1951 entwickelt worden sind, überholt.

3. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes vom Baugewerbe. Der Kläger ist vielmehr mit seinem Betrieb in Nr. 70054 der Grundsystematik, also unter dem Diensleistungsgewerbe aufgeführt. Die vorgenannten Grundsätze, welche die Rechtsprechung veranlaßt haben, das systematische Verzeichnis bei der Auslegung heranzuziehen, gelten jedoch in gleichem Maße auch für die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes - ausgenommen Baugewerbe - gegenüber sonstigen Wirtschaftszweigen (vgl. auch Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 12. April 1976, Der Betriebs-Berater 1976 S. 500).

4. Der Kläger betreibt seine Kantine in der Form der Selbstbedienung. Die Gäste werden also nicht wie in einer Gaststätte durch eigens dafür angestelltes Personal bedient. In Nr. 70054 des systematischen Verzeichnisses ist auf diese Unterscheidung nicht abgestellt. Offenbar spielt sie nach Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise für die Eingruppierung einer Kantine in das Dienstleistungsgewerbe keine Rolle. Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, daß man die Entscheidung nicht vom Grad der Gästebedienung im Einzelfall abhängig machen kann. Eine Kantine ist in jedem Fall dem Dienstleistungsgewerbe zuzurechnen.

Zu einem anderen Ergebnis kann auch der Gesichtspunkt nicht führen, daß der Kläger einen Teil der von ihm hergestellten Speisen unportioniert, d. h. in Essenkübeln, an einen fremden Unternehmer liefert, der seinerseits erst das Essen in Einzelportionen abgibt. Denn die sonst vom Kläger erzielten Umsätze übersteigen die Erlöse aus diesen Lieferungen erheblich. Ob das Ergebnis ein anderes wäre, wenn der Kläger diese Tätigkeit ausschließlich oder wenigstens überwiegend ausüben würde, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 612

BFHE 1977, 334

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