Leitsatz (amtlich)

Die Herstellung und Montage von Aufzügen, Förderbändern und Müllschluckern gehört nicht zum Baugewerbe.

 

Normenkette

BerlinFG § 19 Abs. 1 S. 3 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) die erhöhte Investitionszulage von 25 v. H. des § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) als Angehörige des Baugewerbes versagt werden muß.

Die Klägerin stellt in Berlin (West) Aufzüge, Förderbänder und Müllschlucker her und baut die Aufzüge und Müllschlucker überwiegend mit eigenem Personal in bereits bestehende oder sich in der Errichtung befindliche Gebäude ein. Im Jahre 1969 schaffte sie eine Schnellbauwinde, einen Schweißtrafo und eine Abkant-Falz-Umschlagmaschine an und nahm für diese Wirtschaftsgüter die erhöhte Investitionszulage von 25 v. H. des § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG in Anspruch. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) gewährte jedoch nur eine Zulage von 10 v. H., weil die Klägerin dem Baugewerbe angehöre. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Sprungklage, der das FA zugestimmt hat, und wies darauf hin, daß ihre Erzeugnisse unter Nr. 2428 des Systematischen Verzeichnisses des Statistischen Bundesamtes genannt würden, so daß sie diesem Verzeichnis zufolge nicht dem Baugewerbe angehöre. Das FG begründete seine der Klage stattgebende Entscheidung wie folgt: Zur Abgrenzung des Baugewerbes vom übrigen verarbeitenden Gewerbe ständen steuerliche Anknüpfungspunkte nicht zur Verfügung. Von Bedeutung sei aber die Begründung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vom 19. Juli 1968 (BGBl 1968, 833, BStBl I 1968, 1006) in der Bundestags(BT)-Drucksache V/3019 zu Art. 1 Nr. 5 Buchst. a des Gesetzesentwurfs. Hiernach ergebe sich die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes aus dem Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes. Der Gesetzgeber sei von dieser Abgrenzung ausgegangen. Er habe die in Abteilung 3 (Baugewerbe) des Verzeichnisses aufgeführten Betriebe von der erhöhten Zulage ausschließen, die erhöhte Zulage jedoch allen in Abteilung 2 (verarbeitendes Gewerbe ohne Baugewerbe) erwähnten Betrieben gewähren wollen. Durch diese klare Abgrenzung habe der Gesetzgeber Streitfälle und die mit ihrer Entscheidung verbundene Verwaltungsarbeit vermeiden wollen. Eine besondere Prüfung sei nur dann erforderlich, wenn ein Betrieb in keinem der beiden Abteilungen des Verzeichnisses (2 und 3) aufgeführt wird. Der Betrieb der Klägerin gehöre unstreitig zu den in Abteilung 2 unter Nr. 2428 aufgeführten Betrieben, so daß ihr die erhöhte Investitionszulage zustehe.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA mit folgender Begründung: Entgegen der Auffassung des FG könne die erhöhte Investitionszulage nicht allein deshalb auch einem dem Baugewerbe angehörenden Betrieb gewährt werden, weil er in Abteilung 2 des Systematischen Verzeichnisses auigeführt werde. Dem stehe der im Wortlaut klar zum Ausdruck gelangende Wille des Gesetzgebers entgegen, das bereits auf andere Weise geförderte Baugewerbe von der erhöhten Zulage auszuschließen. Eine endgültige Entscheidung über die Frage, ob der Betrieb dem Baugewerbe angehört, sei nur nach dem Systematischen Verzeichnis nicht möglich, weil dieses Verzeichnis seine Gliederung nicht nach den in § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG maßgebenden Gesichtspunkten erhalten habe. So sei die Ausführung von Auto-, Bilderund Möbelglasarbeiten in Abteilung 3, Unterabteilung 31, als Baugewerbe aufgeführt, obwohl diese Tätigkeiten mit dem Baugewerbe nichts zu tun hätten. Andererseits werde die Bauschlosserei den Vorbemerkungen zu Nr. 3100 (Abteilung 3, Unterabteilung 31) zufolge der Nr. 2390, also dem sonstigen verarbeitenden Gewerbe, zugeordnet, obwohl ein solcher Betrieb vorwiegend dem Ausbau und der Reparatur von Bauten diente. Letztlich komme es auf Sprachgebrauch und Verkehrsanschauung an. Danach aber bestehe kein Zweifel, daß der Betrieb der Klägerin dem Baugewerbe zuzurechnen sei.

Das FA beantragt, das Urteil des FG Berlin vom 28. April 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen mit folgender Begründung:

Das Verzeichnis des Statistischen Bundesamtes sei kein Hilfsmittel aus Vereinfachungsgründen, sondern die vom Gesetzgeber festgelegte Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes. Der Gesetzgeber habe es für die erhöhte Investitionszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG für ausreichend angesehen, daß der Betrieb den unter Abteilung 2 des Systematischen Verzeichnisses aufgeführten Betrieben angehört. Dies treffe auf ihren Betrieb zu, zumal der auf die Herstellung entfallende Umsatzanteil weit höher sei als der auf den Einbau entfallenden Umsatzanteil.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA hatte keinen Erfolg.

1. Das FG hat die Sprungklage zu Recht als zulässig behandelt. Es hat allerdings nicht erörtert, ob es sich bei der Klage um eine Anfechtungs- oder um eine Verpflichtungsklage handelt und ob sie nach § 45 FGO als Sprungklage zulässig ist. Der Senat hat dazu im Urteil vom 17. Oktober 1973 VIII R 149/71 (BFHE 111, 392, BStBl II 1974, 321) Stellung genommen und die Sprungklage für zulässig erklärt. Der Senat vertritt in diesem Urteil die Ansicht, daß sich die als Sprungklage gemäß § 45 FGO unzulässige Verpflichtungsklage lediglich gegen die Versagung der Investitionszulage aus formellen Gründen, z. B. wegen unentschuldigter Versäumung der Antragsfrist, richte, während die Anfechtungsklage in allen Fällen einer materiellen Entscheidung des FA gegeben sei. Die völlige oder teilweise Versagung der Investitionszulage sei zwar kein Verwaltungsakt im Sinne des § 229 AO, gegen den allein die Sprungklage zulässig sei, insbesondere nicht des § 229 Nr. 7 AO. Wegen der nicht zu verkennenden Rechtsähnlichkeit mit derartigen Verwaltungsakten sei die Sprungklage aber auch gegen die Versagung der Investitionszulage als zulässig anzusehen. Der Senat bleibt bei dieser Rechtsansicht.

2. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG erhöht sich die Investitionszulage für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in einem Betrieb (einer Betriebstätte) des verarbeitenden Gewerbes - ausgenommen Baugewerbe - unmittelbar oder mittelbar der Fertigung dienen, auf 25 v. H. der Anschaffungsoder Herstellungskosten. Nach den Feststellungen des FG, denen die am Verfahren Beteiligten nicht widersprochen haben, liegen diese Voraussetzungen vor.

Der BFH hat bereits im Urteil vom 1. Dezember 1970 VI R 386/69 (BFHE 100, 573, BStBl II 1971, 164) darauf hingewiesen, daß die Begriffe "Betrieb des verarbeitenden Gewerbes" und "Baugewerbe" im Gesetz nicht definiert und deshalb nach ihrem Wortsinn, der Verkehrsauffassung und dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers unter Berücksichtigung des Zweckes und des Zieles des Berlinhilfegesetzes (Berlinförderungsgesetz) auszulegen seien. Für den Willen des Gesetzgebers sei die Begründung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vom 19. Juli 1968 (BGBl I 1968, 833) in der BT-Drucksache V/3019 zu Art. 1 Nr. 5 Buchst. a des Gesetzesentwurfs von Bedeutung, in der unter anderem ausgeführt werde, daß sich die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes von anderen Gewerbezweigen, also auch von dem Baugewerbe, aus dem Systematischen Verzeichnis der Wirtschaftszweige ergebe, das das statistische Bundesamt aufgestellt hat. Allerdings hat der VI. Senat in dem angegebenen Urteil nicht die Ansicht vertreten, daß das Systematische Verzeichnis zur Unterscheidung der Gewerbezweige bei der Anwendung des § 19 BerlinFG allein maßgebend ist. Vielmehr hält er eine Abweichung für notwendig, wenn die im Verzeichnis getroffene Einteilung mit den einkommensteuerlichen Grundsätzen nicht im Einklang steht. Denn diesen Grundsätzen gebühre im Investitionszulagerecht der Vorzug. Deshalb hat der VI. Senat einen Gartenbaubetrieb als Gewerbebetrieb im Sinne des Einkommensteuer- und des gewerbesteuergesetzes anerkannt, obwohl er im Systematischen Verzeichnis ausnahmslos der Land- und Forstwirtschaft (Abteilung 0) zugerechnet wird. Der VI. Senat hat jedoch keine allgemeine Regel aufgestellt, wonach die in dem Verzeichnis getroffene Einteilung außer Betracht zu bleiben habe, wenn die Verkehrsauffassung und der Sprachgebrauch entgegenstehen. Zwar weist das FA zutreffend darauf hin, daß zur Einteilung der Gewerbezweige nur in der Gesetzesbegründung auf das Systematische Verzeichnis Bezug genommen wird, nicht jedoch im Gesetzeswortlaut selbst, so daß eine feste Bindung an die Einteilung im Verzeichnis nicht besteht. Dies kommt gerade in dem angezogenen Urteil des VI. Senats zum Ausdruck. Aber schon die Rechtssicherheit erfordert es, die Unterscheidung in engster Anlehnung an das Systematische Verzeichnis durchzuführen. Denn anhand dieses Verzeichnisses ist es dem Unternehmer möglich, seine Berechtigung zur erhöhten Investitionszulage zu prüfen, sofern die Verhältnisse nicht ganz klar liegen. Es mag zwar zutreffen - worauf der VI. Senat verwiesen hat -, daß das Verzeichnis in erster Linie zum Zwecke der Arbeitsstätten- und Berufszählung 1961 herausgegeben wurde. Im Vorwort des Verzeichnisses wird aber bemerkt, daß es als Grundsystematik bei allen nach Wirtschaftszweigen gegliederten Statistiken dienen solle. Weiterhin wird im Vorwort dargelegt, daß die Systematik der Wirtschaftszweige unter maßgeblicher Beteiligung der Mitglieder und Gäste des Fachausschusses "Systematiken" erarbeitet wurde, durch den Institutionen vertreten werden, denen zahlreiche Wirtschaftsverbände angehören. Es steht danach fest, daß die Ansicht der beteiligten Wirtschaftskreise in der Systematik ihren Ausdruck gefunden hat und damit die Verkehrsauffassung gebührend berücksichtigt worden ist. Man kann deshalb das Systematische Verzeichnis nicht nur durch einen Hinweis auf die Verkehrsauffassung für nicht anwendbar erklären. Soweit der Senat im Urteil VIII R 149/71 eine andere Ansicht vertreten hat, wird an ihr nicht festgehalten.

Die Beteiligten sind darüber einig, daß die Herstellung der Aufzüge und Förderbänder nach Ziffer 24 28 0 und ihre Montage nach Ziffer 24 29 7 des Systematischen Verzeichnisses zum verarbeitenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) gehört. Die Herstellung der Müllschlucker wird im Verzeichnis nicht besonders erwähnt. Da sie zu den gesundheitstechnischen Anlagen gehören, wird jedoch ihre Montage unter Ziffer 24 09 0 dem verarbeitenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) zugerechnet. Dann kann auch ihre Herstellung nur dem verarbeitenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) angehören. Nach dem Systematischen Verzeichnis gehört demnach die gesamte im Betrieb der Klägerin ausgeübte Tätigkeit zum verarbeitenden Gewerbe und nicht zum Baugewerbe. Eine dieser Einteilung entgegenstehende Verkehrsauffassung ergibt sich weder aus dem Vortrag des FA noch nach sonstigen Gesichtspunkten. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang vielmehr zutreffend auf die u. a. nach Erörterung mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie aufgestellten "Hinweise für die Anwendung von VOB und VOL (H-VOB/VOL)" vom Februar 1960 des damaligen Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes verwiesen, wonach das Liefern und Aufstellen vollständiger Anlagen unter die Verdingungsordnung für Leistungen und nicht unter die Verdingungsordnung für Bauleistungen fallen. Auch hieraus ist erkennbar, daß die Verkehrsauffassung mit der Einteilung im Systematischen Verzeichnis übereinstimmt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71328

BStBl II 1975, 392

BFHE 1975, 86

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