Leitsatz (amtlich)

Ergibt sich trotz Bestehens eines DBA der BRD mit einem anderen Staat die doppelte Heranziehung von Einkünften dadurch, daß der andere Staat nach den dort geltenden Gesetzen die in der BRD gezahlte Einkommensteuer nicht voll anrechnet, so ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzverwaltung in der BRD einen Erlaß der in dem anderen Staat nicht angerechneten Einkommensteuer ablehnt.

 

Normenkette

StAnpG § 9; DBA USA 1954 Art. 15 Abs. 1 Buchst. A

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist Beamter der Finanzverwaltung eines Bundeslandes, hat in der BRD seinen Wohnsitz und ist hier unbeschränkt steuerpflichtig. Er hat in den Jahren 1952-1956 in den Vereinigten Staaten von Amerika gelebt und ist wegen der ihm erteilten Erlaubnis auf Einreise in die USA zur Gründung eines ständigen Wohnsitzes (reentry-permit = Wiedereinreisebescheinigung) nach amerikanischem Recht auch in den USA unbeschränkt steuerpflichtig. Demgemäß ist der Steuerpflichtige in den USA für die Streitjahre 1959 und 1960 neben seinen aus den USA stammenden Einkünften aus Kapitalvermögen auch mit den inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur Besteuerung herangezogen worden. Eine Befreiung der Gehaltsbezüge des Steuerpflichtigen nach Art. XI Abs. 1b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen vom 22. Juli 1954 - DBA-USA 1954 - (BStBl I 1955, 70) kam nicht in Betracht. Zwar sind nach dieser Bestimmung die von einem Land der BRD gezahlten Gehälter in den USA steuerbefreit; dies gilt jedoch nach der Ausnahmebestimmung des gleichen Artikels dann nicht, wenn - wie im Streitfall - dem Steuerpflichtigen eine Einreise in die USA zur Gründung eines ständigen Wohnsitzes gestattet worden ist. In der BRD wurde der Steuerpflichtige mit seinen inländischen Einkünften, jedoch unter Anwendung des Progressionsvorbehalts nach Art. XV DBA-USA 1954, zur Einkommensteuer herangezogen. In den USA sind die in der BRD für die Streitjahre einbehaltene Lohnsteuer sowie die geleisteten Beträge an Einkommensteuervorauszahlungen und Einkommensteuernachzahlungen in Höhe des nach amerikanischem Recht zulässigen Höchstbetrages auf die entsprechenden USA-Steuern angerechnet worden. In den USA nicht anrechnungsfähig verblieben für das Streitjahr 1959 ein Betrag von 1 464 DM (348,45 Dollar) und für das Streitjahr 1960 ein Betrag in Höhe von 297 DM (70,72 Dollar). Diese Beträge will der Steuerpflichtige im Billigkeitswege erlassen haben, da insoweit eine ungerechtfertigte Doppelbesteuerung vorliege.

Das FA hat den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde bei der OFD blieb ebenso wie die Klage beim FG erfolglos.

Das FG hat festgestellt, daß sich der Steuerpflichtige für die Jahre 1956-1962 auf die USA-Steuern 853 DM deutsche Einkommensteuer zuviel hat anrechnen lassen. Die Handhabung des DBA-USA 1954 durch die USA führe also im Fall des Steuerpflichtigen zu keiner steuerlichen Mehrbelastung, sondern im Ergebnis zu einer steuerlichen Besserstellung des Steuerpflichtigen.

Aber selbst wenn dem Steuerpflichtigen die in den Streitjahren nicht mit der USA-Steuer verrechneten Einkommensteuerbeträge nicht auf Grund der späteren niedrigeren Einkommensteuerveranlagungen zurückgezahlt worden wären, würde insoweit keine echte Doppelbesteuerung im Sinne des DBA-USA 1954 vorliegen. Da die USA die USA-Einkommensteuer bis zur Höhe des im Verhältnis der deutschen Gehaltseinkünfte zu den dort zu versteuernden Gesamteinkünften stehenden Teilbetrags erließen, verzichteten sie im wirtschaftlichen Ergebnis auf eine Besteuerung des deutschen Gehalts. Tatsächlich beruhten die vom Steuerpflichtigen als Härte empfundenen Abrechnungsschwierigkeiten auf den in den beiden Staaten verschieden hohen Steuersätzen und auf der von ungleichen Größen ausgehenden Verrechnungsmethode, nach der nicht das deutsche Einkommensteuer-Soll, sondern das Steuer-Ist auf die USA-Steuer angerechnet werde.

Das DBA-USA 1954 enthalte auch keine von den vertragschließenden Staaten nicht gebilligte Härte. Staatsbürger der USA und alle Einwanderer nichtamerikanischer Staatsangehörigkeit im Besitze eines reentry-permits, die ihren Wohnsitz außerhalb der USA in einem Lande begründen, das wie die BRD die unbeschränkte Steuerpflicht an den inländischen Wohnsitz knüpfe, blieben auch in den USA unbeschränkt steuerpflichtig. Wenn daher die USA für diesen Personenkreis nach Art. XV Abs. 1 Buchst. a) Satz 3 DBA-USA 1954 die deutsche Einkommensteuer nur bis zu einem durch das Verhältnis der deutschen Einkünfte zum Gesamteinkommen bestimmten Höchstbetrag anrechneten, so liege in diesem ihnen von der BRD zugestandenen Anrechnungsvorbehalt keine Lücke des DBA-USA 1954. Aber selbst wenn eine solche vorhanden sein würde, könnte sie von einem deutschen Steuergericht nicht ausgefüllt werden. Die Gesetzeskraft, die dem DBA-USA 1954 infolge seiner Ratifizierung durch den Deutschen Bundestag zukomme, ändere nichts daran, daß etwaige Verstöße gegen den Inhalt und Wortlaut des DBA-USA 1954 und etwaigen Härten in seiner Anwendung nur vor den Behörden und Gerichten des Staates verfolgt werden könnten, dem sie zur Last fielen. Aus diesem Grunde könne auch kein Ermessensmißbrauch in der Weigerung der OFD erblickt werden, Härten in der Anwendung des DBA-USA 1954 durch die Behörden der USA durch einen Erlaß der deutschen Einkommensteuer zu beseitigen. Wie die OFD zutreffend darlege, werde der Steuerpflichtige nicht dadurch beschwert, daß er ebenso wie jeder andere in der BRD unbeschränkt steuerpflichtige deutsche Staatsangehörige mit seinen Gesamteinkünften zur tarifmäßigen deutschen Einkommensteuer herangezogen werde und bei seiner Einkommensteuerveranlagung lediglich die nach Art. XV Abs. 1 Buchst. b) Satz 1 DBA-USA 1954 befreiten, aus den USA stammenden und dort versteuerten Einkommensteile außer Ansatz blieben.

Gegen dieses Urteil hat der Steuerpflichtige Rechtsbeschwerde eingelegt, die als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2 FGO). Zur Begründung führt der Steuerpflichtige an:

Das Urteil des FG verstoße gegen den Grundsatz der abschnittsweisen Besteuerung und sei willkürlich, soweit hier bei einem Rechtsstreit um Erlaß von Steuern für 1959 und 1960 die in den Jahren 1956-1962 gezahlten und abgerechneten Steuern zusammengerechnet würden. Beziehe man die Jahre 1963-1965 in den Vergleich ein, so seien insgesamt die veranlagten Einkommensteuern größer als die in den USA angerechneten Steuern. Die Vertragsparteien des DBA-USA 1954 hätten eine doppelte Besteuerung vermeiden wollen. Wenn bei der kasuistischen Ausführung in den Einzelbestimmungen dem nicht in vollem Umfang Rechnung getragen worden sei, so liege in der Besteuerung der beiden Streitjahre eine sachliche Härte, die durch Billigkeitsmaßnahmen nach § 131 AO auszugleichen sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 131 AO können im Einzelfall Steuern erlassen werden, wenn ihre Einziehung unbillig ist. Die Unbilligkeit kann in der Person des Steuerpflichtigen oder in der Sache selbst liegen. Daß im Streitfall der Steuerpflichtige aus persönlichen Gründen nicht in der Lage wäre, die angeforderten Steuern zu bezahlen, ist nicht vorgetragen und nicht erkennbar. Er sieht die Unbilligkeit darin, daß durch die nicht volle Anrechnung der gezahlten deutschen Steuern in den USA eine teilweise doppelte Besteuerung eintrete - also in sachlichen Gründen. Sachliche Billigkeitsgründe hat die Rechtsprechung anerkannt, soweit nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers auf dem in Frage kommenden Steuerrechtsgebiet angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne des beabsichtigten Erlasses entschieden haben würde (vgl. Urteil des BFH VII 185/57 U vom 28. Oktober 1958, BFH 68, 27, BStBl III 1959, 11). Ein solcher Billigkeitsgrund liegt aber hier nicht vor.

Nach Art. XV Abs. 1 Buchst. a) DBA-USA 1954 dürfen die USA alle Einkommensteile, die nach den Steuergesetzen der Vereinigten Staaten steuerpflichtig sind, so in die Bemessungsgrundlage einbeziehen, als ob das Abkommen nicht in Kraft wäre. Dadurch sind die USA berechtigt, die in der BRD bezogenen Gehälter bei Festsetzung der USA-Einkommensteuer in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Nach Art. XV Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 DBA-USA 1954 ziehen die USA von ihren Steuern mit gewissen Einschränkungen die in der BRD erhobene Einkommensteuer von ihren Steuern ab. Eine wesentliche Einschränkung besteht darin, daß die Gutschrift auf Grund des im DBA-USA 1954 bezogenen Internal Revenue Code, dem amerikanischen Bundessteuergesetz, nicht höher sein kann als der Betrag der USA-Steuerschuld aus dem Gesamteinkommen, der auf den im Ausland versteuerten Einkommensteil entfällt (vgl. Korn-Dietz, Doppelbesteuerung, USA, Art. XV DBA 1966, Anm. 1 a). Das kann - wie im vorliegenden Falle - dazu führen, daß die in der BRD gezahlte Einkommensteuer nicht in voller Höhe angerechnet wird. Damit wird deutlich, daß die doppelte Versteuerung im vorliegenden Falle durch die Anrechnungsmethode der in der BRD gezahlten Steuern in den USA begründet ist.

Das FG hat zutreffend in dieser nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführten Veranlagung zur Einkommensteuer in der BRD keine unbillige Härte gesehen, die nach § 131 AO ausgeglichen werden müßte. Es ist zwar richtig, daß das FG beim Vergleich der in den USA und in der BRD gezahlten Steuern nicht die Jahre 1956-1962 heranziehen durfte. Andererseits kann dem Steuerpflichtigen nicht zugegeben werden, daß die Ablehnung eines Erlasses von Steuern, die den geltenden Vorschriften gemäß festgesetzt worden sind, einen Ermessensmißbrauch darstellt. Nur wenn anzunehmen wäre, daß die vertragschließenden Staaten - hätten sie den vorliegenden Fall erkannt - die Steuerfestsetzung im Sinne des Steuerpflichtigen geregelt hätten, könnte ein Erlaß in Frage kommen. Das ist aber hier nicht der Fall. Wie das DBA-USA 1954 und die Richtlinien für die Anwendung des DBA-USA 1954 vom 21. Februar 1957 (BStBl I 1957, 154) zeigen, war bekannt, daß unter Umständen in der BRD gezahlte Einkommensteuer in den USA nicht voll angerechnet werden würde. Aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Bestimmungen des Internal Revenue Code ist zu schließen, daß eine etwa eintretende Doppelbesteuerung insoweit in Kauf genommen worden ist. Haben aber die vertragschließenden Staaten Besteuerungsmaßnahmen angeordnet, obwohl in bestimmt gelagerten Fällen der Eintritt von Härten in der Sache selbst bei Durchführung der Besteuerung voraussehbar war, und sind diese Härten in Kauf genommen worden, so kann die Gewährung eines steuerlichen Billigkeitserlasses wegen Härten in der Sache selbst nicht in Betracht kommen (vgl. BFH-Urteil II 111/64 vom 5. Oktober 1966, BFH 88, 382, BStBl III 1967, 415). Ohne ein Doppelbesteuerungsabkommen greift bei den gegebenen Voraussetzungen die Besteuerung des Steuerobjekts in mehreren Staaten nach den dort geltenden Bestimmungen Platz. Nach § 9 StAnpG sind Personen von den Steuern vom Einkommen insoweit befreit, als ihnen ein Anspruch auf Befreiung von diesen Steuern nach Vereinbarung mit anderen Staaten zusteht. Eine Doppelbesteuerung wird also nur im Rahmen eines Doppelbesteuerungsabkommens vermieden. Soweit sich die beteiligten Staaten über den Ausschluß einer Doppelbesteuerung nicht vertraglich einigen, besteht die Doppelbesteuerung fort. Dies gilt auch für die Anwendung des vom Steuerpflichtigen genannten § 3 Nr. 41 EStG, wonach Einkünfte des Steuerpflichtigen insoweit befreit sind, als diesem ein Anspruch auf Befreiung nach den Doppelbesteuerungsabkommen zusteht.

Auf jeden Fall könnte aber ein Billigkeitserlaß wegen sachlicher Härte nur in dem Staate angebracht sein, durch dessen Besteuerung und Besteuerungssystem die Härte verursacht wird. Dieser Staat waren im vorliegenden Fall die USA. Für die Steuerbehörde der BRD besteht aber kein Anlaß, einen Billigkeitserlaß auszusprechen, auch wenn, wie der Steuerpflichtige vorträgt, nach den Steuergesetzen der USA für einen solchen Erlaß keine Möglichkeit besteht. In der Besteuerung durch die Finanzverwaltung der BRD, die ihrerseits das aus USA stammende Einkommen (unter Anwendung des Progressionsvorbehalts) freigestellt hat, liegt keine Härte.

Auch der Hinweis auf ein Verständigungsverfahren zwischen der BRD und der Schweiz kann weder prozessual noch materiell-rechtlich die Entscheidung beeinflussen. Ein Verständigungsverfahren über den hier vorliegenden Streitfall ist vom Steuerpflichtigen nicht behauptet. Selbst die Einleitung eines solchen würde das Ergehen eines Urteils nicht ausschließen (vgl. BFH-Urteil I 220/64 vom 1. Februar 1967, BFH 88, 545, BStBl III 1967, 495).

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 392

BFHE 1970, 235

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