Leitsatz (amtlich)

1. Eine vor Scheidung der Ehe getroffene Vereinbarung über die Gewährung nachehelichen Unterhalts (§ 72 EheG) begründet kein Rentenstammrecht in dem Sinne, daß eine etwa schenkungsweise Zuwendung ausgeführt wäre (BFH 91, 106, BStBl II 1968, 240).

2. Unterhaltsvereinbarungen, welche aufgrund des § 72 EheG getroffen werden, sind nicht als Versprechen freigebiger Zuwendungen anzusehen, sofern sie nicht nur dazu bestimmt sind, eine aus anderen Gründen gewollte Schenkung zu verschleiern oder zu verdecken (BFH 91, 111, BStBl II 1968, 242).

 

Normenkette

ErbStG § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 15

 

Tatbestand

Die Klägerin hatte seit Februar 1957 von ihrem Ehemann getrennt gelebt und Unterhaltsleistungen erhalten. Im Mai 1958 hat das Landgericht die Ehe aus Alleinverschulden der Frau geschieden. Diese hat dagegen Berufung eingelegt.

Während des laufenden Scheidungsprozesses wurden Unterhaltsvereinbarungen für die Zeit nach der Scheidung der Ehe entworfen. Im August 1958 kam eine notariell beurkundete Vereinbarung über den Unterhalt nach Scheidung der Ehe zustande. In dieser verpflichtete sich die Klägerin, ihre Berufung zurückzunehmen; nach Rücknahme der Berufung sollte die vereinbarte Unterhaltsregelung gelten. Die Berufung ist im November 1958 zurückgenommen worden.

Das FA hat im August 1961 gegen die Klägerin aus dem ungekürzten Kapitalwert der Unterhaltsleistungen Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) festgesetzt und den Einspruch im Juli 1962 zurückgewiesen. Das FG hat die Steuerfestsetzung zufolge einer Neuberechnung auf den Tod der Berechtigten herabgesetzt, dem weitergehenden Begehren der Klägerin aber nicht entsprochen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegen der Erbschaftsteuer die Schenkungen unter Lebenden. Diese sind in § 3 ErbStG näher beschrieben. In der hier einschlägigen Beziehung fallen unter diesen Begriff jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Die Steuer entsteht mit der Ausführung der Zuwendung (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Steuerfrei bleiben gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG Zuwendungen unter Lebenden zum Zweck des angemessenen Unterhalts und - hier nicht einschlägig - der Ausbildung des Bedachten, wobei jedoch eine das Maß des angemessenen Unterhalts übersteigende Schenkung in vollem Umfang steuerpflichtig ist (§ 18 Abs. 3 Satz 2 ErbStG). Als angemessen gilt eine den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entsprechende Zuwendung (§ 18 Abs. 3 Satz 1 ErbStG).

In keinem dieser Punkte reichen die tatsächlichen Feststellungen des FG aus, dessen Entscheidung zu tragen. Die Gründe dafür sind zwar nicht durchweg, aber weitgehend die gleichen, wie sie dem Urteil des BFH II 72/63 vom 28. November 1967 (BFH 91, 104, BStBl II 1968, 239; HFR 1968, 241) zugrunde liegen. An der dort vertretenen Auffassung hält der Senat fest.

Das FG betrachtet als Gegenstand der Besteuerung die Zuwendung eines Rentenstammrechts. Seine tatsächlichen Feststellungen geben aber keinen Anhalt dafür, daß ein außerhalb des obligatorischen Versprechens liegendes Rentenstammrecht begründet wurde. Geht man davon aus, das FG habe den notariell beurkundeten Vertrag stillschweigend in Bezug genommen, läßt sich nur eine Unterhaltsvereinbarung im Sinne des § 72 des Ehegesetzes (EheG) zugrunde legen. Eine solche ist aber, sofern sie unentgeltlich oder freigebig erfolgt sein sollte, allein ein Schenkungsversprechen im Sinne des § 518 BGB; sie enthält nicht die "Ausführung der Zuwendung" im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (BFH 91, 106, BStBl II 1968, 240).

Die Unentgeltlichkeit oder Freigebigkeit des Versprechens bejaht das FG allein mit der Begründung, daß es ihm versagt sei, nachzuprüfen, "ob ein Scheidungsurteil sachlich richtig ist". Darum geht es indessen nicht. Denn hinsichtlich der ehefeindlichen Tatsachen war das Landgericht an das tatsächliche Vorbringen und die Anträge der Parteien des Scheidungsprozesses gebunden. Die für allein schuldig erklärte Frau hätte also eine geldwerte Gegenleistung erbracht, wenn sie, obschon sie in der Berufungsinstanz hätte erreichen können, daß der Mann für überwiegend schuldig erklärt wird, durch Rücknahme der Berufung den Vermögensvorteil des § 58 Abs. 1 EheG preisgab (BFH 91, 108, BStBl II 1968, 241). In jedem Falle aber hätte die Durchführung des Berufungsverfahrens die Scheidung der Ehe verzögert (vgl. BFH 91, 110, BStBl II 1968, 241).

§ 3 Abs. 3 ErbStG gilt nur für das Ausmaß der Bereicherung, läßt aber das Erfordernis unentgeltlicher oder freigebiger Zuwendung unberührt (BFH-Urteil III 65/51 S vom 15. Mai 1953, BFH 57, 518, BStBl III 1953, 199). Darum sind insoweit auch Gegenleistungen zu berücksichtigen, welche keinen Geldwert haben (BFH 91, 110, BStBl II 1968, 241). Doch sind darüber hinaus Unterhaltsregelungen, welche aufgrund des § 72 EheG getroffen wurden, nicht als Versprechen freigebiger Zuwendungen anzusehen, sofern sie nicht nur dazu bestimmt sind, eine aus anderen Gründen gewollte Schenkung zu verschleiern oder zu verdecken (BFH 91, 111, BStBl II 1968, 242; vgl. BFH-Beschluß II B 32/70 vom 26. Januar 1971, BFH 101, 136 [138], BStBl II 1971, 184). Darum ist es für sich allein unschädlich, wenn der Ehemann der Klägerin bereit gewesen wäre, den Unterhalt der Klägerin "ohne Rücksicht auf den Ausgang des Scheidungsverfahrens sicherzustellen". Über das Ausmaß seiner Bereitschaft ist damit ohnehin nichts ausgesagt.

Die Ehe ist - auch in güterrechtlichen Beziehungen (BFH-Urteil II 159/63 vom 25. Mai 1966, BFH 86, 314, BStBl III 1966, 521) - kein Schuldrechtsverhältnis. Das wird bestätigt durch Art. 6 GG. Dieser schützt zwar die bestehende Ehe. Das Wesen der ehelichen Gemeinschaft kann aber nicht rückwirkend anders beurteilt werden, wenn die Ehe aufgelöst ist. Auch der nacheheliche Unterhalt hat seine Wurzel in der vorherigen ehelichen Gemeinschaft und kann nicht unabhängig von dieser beurteilt werden (BFH 91, 111, BStBl II 1968, 242).

Die in §§ 58 bis 60 EheG getroffenen Regelungen der nachehelichen Unterhaltspflicht erlauben nicht den Umkehrschluß, daß eine jede darüber hinaus reichende Unterhaltsleistung freigebig sein müsse und allenfalls eine gemäß § 3 Abs. 4 ErbStG unerhebliche "Belohnung" darstelle. Das gilt insbesondere dann, wenn der geschiedenen Frau die Sorge für ein gemeinsames Kind zugesprochen ist (BFH 91, 111 f., BStBl II 1968, 242).

Das FG hat - zu § 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG - noch darauf abgestellt, daß die Klägerin eigenes Vermögen und eigene Einkünfte gehabt habe. Die Höhe der Einkünfte ist nicht festgestellt; es ist daher nicht zu ersehen, ob sie ihr einen angemessenen Lebensunterhalt ermöglicht hätten. Für das Ausmaß des Angemessenen dürfen Minderungen der Lebensstellung, welche die Scheidung nach sich zieht, nicht berücksichtigt werden (BFH 91, 107, BStBl II 1968, 240). Daher kann der geschiedenen Frau auch nicht ohne weiteres ein eigenes Vermögen entgegengehalten werden, das jedenfalls nicht so hoch ist, daß sie ihren Unterhalt aus dessen Erträgen bestreiten könnte.

Demnach war das angefochtene Urteil, soweit es den Revisionsklägern gegenüber ergangen ist, aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Für den Fall, daß das FG erneut zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß die Steuerpflicht dem Grund nach zu bejahen sei, ist darauf hinzuweisen, daß bei Verneinung eines Rentenstammrechts außerhalb des Schenkungsversprechens im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG und § 44 Abs. 2 FGO sich die Entscheidung nur auf diejenigen Rententeile beziehen kann, bei denen die Zuwendung vor dem Erlaß des angefochtenen Steuerbescheids ausgeführt worden ist. In diesem Falle wird das FG erwägen, ob die zur Bewertung (§ 23 Abs. 1 ErbStG) in dem Beschluß des BFH II B 48/70 vom 24. Februar 1971 (BFH 101, 402, BStBl II 1971, 394) unter Hinweis auf die BFH-Beschlüsse II B 40-41/69 vom 9. Dezember 1969 (BFH 97, 315. BStBl II 1970, 121) und II S 2-4/70 vom 27. Oktober 1970 (BFH 101, 289, BStBl II 1971, 269) erhobenen Bedenken auch den vorliegenden, zeitlich jedoch wesentlich früher liegenden Fall treffen und seiner Rechtsüberzeugung nach bereits für diesen Zeitpunkt durchgreifen könnten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412963

BStBl II 1972, 43

BFHE 1972, 240

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