Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Antrag eines Steuerpflichtigen, bei der Einkommensbesteuerung für 1956 seine Einkünfte gleichmäßig auf ihn, seine Ehefrau und seine minderjährigen haushaltszugehörigen Kinder zu verteilen und bei jedem Familienangehörigen seinen Anteil selbständig nach Steuerklasse I zu besteuern, hat keine gesetzliche Grundlage.

 

Normenkette

EStG §§ 26b, 32, 32a

 

Tatbestand

Die beschwerdeführenden Eheleute (Bf.) haben fünf in den Jahren 1949 bis 1955 geborene Kinder. Der Ehemann ist persönlich haftender Gesellschafter einer KG. Sein Gewinnanteil wurde für das Streitjahr 1956 auf 212.232 DM festgestellt. Die Ehefrau und die Kinder hatten 1956 keine eigenen Einkünfte. Die Eheleute haben für 1956 uneingeschränkte Zusammenveranlagung gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2, § 26 b EStG 1957 beantragt, sich dabei jedoch gegen die Anwendung des für die Zusammenveranlagung von Ehegatten und Kindern vorgesehenen Steuertarifs verwahrt. Das Finanzamt hat die Bf. zusammen veranlagt und für das unstreitige zu versteuernde Einkommen von 163.874 DM nach Steuerklasse III unter Gewährung von Kinderfreibeträgen für fünf Kinder die Einkommensteuer auf 67.864 DM festgesetzt. Der Einspruch und die Berufung, mit denen die Bf. im Wege des "Familien-Splittings" die gleichmäßige Verteilung des Einkommens auf sieben Personen (die beiden Bf. und ihre fünf Kinder) und gesonderte Festsetzung der Einkommensteuer für jeden Familienangehörigen nach Steuerklasse I begehrten, hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rb. muß als unbegründet zurückgewiesen werden.

Das Finanzamt hat - wie die Bf. nicht bestreiten - die Einkommensteuer so festgesetzt, wie es der Wortlaut der §§ 26 b, 32 EStG 1957 vorschreibt. Die Bf. verlangen demgegenüber eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Besteuerung, weil nach ihrer Auffassung die im EStG 1957 getroffene Neuregelung der Ehegattenbesteuerung mit dem Grundgesetz (GG) in Widerspruch steht. Für die von ihnen begehrte Steuerfestsetzung fehlt aber eine gesetzliche Grundlage. Die Steuern sind grundsätzlich nach den Steuergesetzen festzusetzen, an die die Behörden der Finanzverwaltung und die Finanzgerichte gebunden sind. Diese Bindung entfällt nur, wenn ein Gesetz mit dem GG nicht zu vereinbaren ist und das Bundesverfassungsgericht die Rechtsungültigkeit festgestellt hat. Das ist hinsichtlich der §§ 26 b, 32 EStG 1957, auf denen die angefochtene Veranlagung beruht, bisher nicht geschehen.

Diese Vorschriften widersprechen auch nicht, wie die Bf. meinen, dem GG. Da nur der beschwerdeführende Ehemann eigenes Einkommen hatte, spielt § 27 EStG, der die Zusammenveranlagung mit Kindern betrifft, hier keine Rolle. Das wäre nur der Fall, wenn die Kinder eigene Einkünfte gehabt hätten und durch die Zusammenrechnung dieser Einkünfte mit denen des Vaters infolge der Progression des Einkommensteuertarifs sich eine höhere Einkommensteuer ergeben hätte als bei einer getrennten Veranlagung. Zur Vereinbarkeit des § 27 EStG 1957 mit dem GG braucht daher im Streitfall nicht Stellung genommen zu werden.

Die Bf. behaupten, die gesetzliche Regelung des § 26 b in Verbindung mit § 32 EStG 1957 verstoße gegen das GG; sie verlangen die gleichmäßige Aufteilung des Einkommens auf die sieben zur Familie gehörenden Personen und die Besteuerung nach Steuerklasse I als die verfassungsgerechte Form der Besteuerung für Familien mit minderjährigen Kindern. Sie berufen sich auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 betreffend die Nichtigkeit des § 26 EStG a. F. Dieser Beschluß hat für den Streitfall aber keine unmittelbare Bedeutung, da die Bf. auf Grund der Neuregelung der Ehegattenbesteuerung im EStG 1957 veranlagt wurden. Die Bf. übersehen bei ihren Ausführungen vor allem, daß das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 17. Januar 1957 grundsätzlich die Individualbesteuerung als die verfassungsmäßige Form der Ehegattenbesteuerung ansieht, wobei jeder Ehegatte mit seinen eigenen Einkünften selbständig zur Einkommensteuer herangezogen wird. Die von den Bf. begehrte Aufteilung des Einkommens des Ehemanns auf sich, seine Ehefrau und seine Kinder stände aber dazu in Widerspruch, weil sie zur Folge hätte, daß die Ehefrau und die Kinder Einkommensteuer bezahlen müßten für Einkommensteile, die ihnen gar nicht zugeflossen sind.

Die Bf. nehmen auch zu Unrecht an, das Bundesverfassungsgericht habe in dem Beschluß vom 17. Januar 1957 den als Anlage 1 dem EStG angefügten Einkommensteuertarif für rechtsungültig erklärt. Entgegen der Meinung der Bf. sah das Bundesverfassungsgericht eine Zusammenveranlagung nach § 26 EStG 1951 für unzulässig an, weil infolge der Zusammenrechnung der Einkünfte der Eheleute diese stärker belastet wurden, als es der Fall gewesen wäre, wenn jeder Ehegatte mit seinen eigenen Einkünften selbständig zur Einkommensteuer herangezogen worden wäre. Den Tarif als solchen hat das Bundesverfassungsgericht dagegen nicht beanstandet. Der Gesetzgeber hat dem bei der Neuregelung der Ehegattenbesteuerung im Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 848) Rechnung getragen. Der Senat hat im Urteil VI 33/56 U vom 31. Oktober 1957 (BStBl 1957 III S. 433, Slg. Bd. 65 S. 520) die Rechtsgültigkeit dieses Gesetzes grundsätzlich bejaht. Das Bundesverfassungsgericht hat die gleiche Auffassung im Beschluß vom 14. April 1959 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 9 S. 237, BStBl 1959 I S. 204) vertreten.

Die Ausführungen der Bf. können demgegenüber nicht überzeugen. Nach der durch das Gesetz vom 26. Juli 1957 geschaffenen übergangsregelung werden Ehegatten grundsätzlich getrennt veranlagt, sie können aber eine Zusammenveranlagung beantragen (ß 26 EStG 1957). Es ist richtig, daß, wenn nur ein Ehegatte Einkünfte hat (sogenannte "Einverdienerehen"), diese Regelung unter Umständen sich nicht günstig auswirkt. In dem Urteil des Senats VI 164/58 U vom 19. September 1958 (BStBl 1958 III S. 442, Slg. Bd. 67 S. 442) wurde bereits ausgeführt, daß eine andere gesetzliche Regelung denkbar gewesen wäre, daß es indessen nicht Sache der Gerichte sei, zu prüfen, ob nicht eine bessere und gerechtere Lösung als die vom Gesetzgeber beschlossene möglich gewesen wäre; die Regelung im Gesetz vom 26. Juli 1957 sei jedenfalls frei von unsachlicher Willkür. Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluß vom 14. April 1959 ausgeführt, es bedeute keine Ungleichheit, die unter dem Gesichtspunkt der Art. 3 und 6 GG beachtlich sei, wenn Einverdienerehen steuerlich stärker belastet seien als Ehen, bei denen beide Ehegatten Einkünfte hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesverfassungsgerichts führen daher die nach §§ 26 ff. EStG 1957 sich unter Umständen ergebenden steuerlichen Mehrbelastungen bei Einverdienerehen gegenüber Mehrverdienerehen nicht dazu, die bis 1957 geltende übergangsregelung als verfassungswidrig anzusehen.

Ob im Einkommensteuertarif die Belastungen, die den Eltern durch den Unterhalt und die Erziehung ihrer Kinder entstehe, durch Freibeträge ausreichend und angemessen berücksichtigt sind, wird verschieden beantwortet. Nur wenn der Gesetzgeber diese Belastungen überhaupt nicht oder offensichtlich unzureichend oder willkürlich überhaupt nicht berücksichtigt hätte, könnte ein Verstoß gegen das GG angenommen werden. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer sind im Lauf der letzten Jahre wiederholt erhöht worden. Durch die Einrichtung von Familienausgleichskassen und die Gewährung von Kindergeldern hat der Gesetzgeber außerdem Maßnahmen getroffen, um der ihm durch das GG auferlegten Pflicht zum Schutz der Familie nachzukommen. Der Ausgleich der Familienbelastung ist daher nicht allein unter steuerlichen Gesichtspunkten zu sehen. Der Fragenkomplex ist vorwiegend sozialpolitischer und steuerpolitischer Art und unterliegt damit nur begrenzt der Nachprüfung durch die Gerichte, vor allem unter dem Gesichtspunkt, ob der Gesetzgeber offensichtlich und willkürlich seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Davon kann hier aber nicht die Rede sein.

Der Senat hält es nicht für geboten, entsprechend dem Antrag der Bf. den Bundesminister der Finanzen gemäß § 287 Ziff. 2 AO zum Beitritt zum Verfahren aufzufordern.

Gegen die nach §§ 26 b, 32 EStG 1957 festgesetzte Einkommensteuer werden keine Einwendungen erhoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410231

BStBl III 1961, 536

BFHE 1962, 741

BFHE 73, 741

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