Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Schätzung des gemeinen Werts von nichtnotierten GmbH-Anteilen nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren sind nur die Vermögenswerte zu erfassen, die nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter sind.

2. Bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes nach Abschn. 78 VStR 1960 ist der in den letzten drei Jahren erzielte ausschüttungsfähige Durchschnittsertrag unter Beachtung eines Abschlages von 30 v. H. in der Regel als der auch in Zukunft erzielbare ausschüttungsfähige Ertrag anzusehen.

2. Bei der Ermittlung des Vermögenswerts und des Ertragshundertsatzes können künftige ertragsteuerliche Belastungen wegen Auflösung der durch Sonderabschreibungen gebildeten stillen Reserven nicht berücksichtigt werden. Das Gesamtvermögen der Gesellschaft und der Durchschnittsertrag sind nicht um die durch Sonderabschreibungen in den vergangenen Jahren ersparte Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zu mindern.

 

Normenkette

BewG in der zum 1. Januar 1960 gültigen Fassung § 13 Abs. 2; BewG in der zum 1. Januar 1960 gültigen Fassung § 62 Abs. 1; BewG in der zum 1. Januar 1960 gültigen Fassung § 73; BewDV in der zum 1. Januar 1960 gültigen Fassung § 53a

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Klägerin und Revisionsklägerin) ist eine GmbH mit einem voll eingezahlten Stammkapital.

Sie hat nach dem Zonengrenzlandförderungsprogramm erhebliche Sonderabschreibungen auf die beweglichen Wirtschaftsgüter ihres Anlagevermögens vorgenommen. Das FA - Beklagter und Revisionsbeklagter - stellte durch Bescheid vom 11. November 1960 den gemeinen Wert der GmbH-Anteile zum 31. Dezember 1959 nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren (Abschn. 76 ff. VStR 1960) je 100 DM Nennkapital fest. Es ging bei der Ermittlung des Vermögenswerts vom Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1960 aus, in dem die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit dem Teilwert berücksichtigt waren. Zur Schätzung der Ertragsaussichten rechnete es dem körperschaftsteuerpflichtigen Einkommen der Jahre 1957 bis 1959 die Sonderabschreibungen hinzu.

Auf den Einspruch der Steuerpflichtigen ermäßigte das FA den Wert der Anteile. Der Einspruch hatte im übrigen keinen Erfolg.

Das FG wies die Klage der Steuerpflichtigen ab. Es führte aus: Das FA habe die Anteile der Steuerpflichtigen nach dem sogenannten Stuttgarter Verfahren zutreffend bewertet. Der hiernach ermittelte gemeine Wert der Anteile könne außerhalb der in den VStR 1960 zugelassenen Korrekturen nicht geändert werden, da sonst die Gleichmäßigkeit der steuerlichen Wertermittlung nicht mehr gewährleistet sei. Das Stuttgarter Verfahren enthalte zwar Ungenauigkeiten und führe nur zu Annäherungswerten. Dies müsse die Steuerpflichtige jedoch in Kauf nehmen. Bei der Berechnung des Vermögenswerts und der Ertragsaussichten seien Abschläge wegen künftiger Ertragsteuern bei Auflösung der durch die Sonderabschreibung gebildeten stillen Reserven nicht möglich, da die Belastung am Bewertungsstichtag weder wahrscheinlich noch berechenbar sei. Denn es sei ungewiß, in welcher Höhe sich die stillen Reserven in den folgenden Jahren auflösen und welche Steuerbeträge sie auslösen werden. Bei der Aufdeckung von stillen Reserven in Verlustjahren ergebe sich überhaupt keine unmittelbare steuerliche Belastung. Allgemeine, nicht konkretisierte Umstände könnten nach dem Urteil des BFH III 263/63 vom 9. September 1966 (BFH 87, 108, BStBl III 1967, 43) nicht im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens berücksichtigt werden.

Die Steuerpflichtige rügt mit der Revision Verletzung des § 13 Abs. 2 BewG und § 217 Abs. 1 Satz 2 AO sowie Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie weist darauf hin, daß die VStR 1960 in Abschn. 77 Abs. 4 Satz 3 bei Darlehen nach §§ 7c, 7d Abs. 2 und 7f EStG ausdrücklich einen Abzug der künftigen Belastung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer vom Einheitswert des Betriebsvermögens zulassen. Wer Sonderabschreibungen in Anspruch nehme, habe sein Vermögen um die anteilig ersparten Ertragsteuern vorübergehend erhöht. Werde zum Ausgleich dieses befristeten Vorteils keine Abgrenzung in Höhe der sich automatisch abbauenden Steuerersparnis vorgenommen, so sei der Inhaber von Anteilen eines Zonengrenzbetriebes bei der Anteilsbewertung gegenüber Anteilseignern anderer Betriebe, die keine Sonderabschreibungen in Anspruch genommen haben, ungerechtfertigt benachteiligt. Nach dem Zonengrenzlandförderungsprogramm könne sie die Sonderabschreibungen nur im Jahr der Anschaffung oder der Herstellung der Wirtschaftsgüter und in den beiden folgenden Jahren vornehmen. Der hierdurch erlangte Steuervorteil gehe ab dem vierten Jahr automatisch verloren, da sie dann nur noch eine normale AfA vom Restwert, verteilt auf die Restnutzungszeit des Wirtschaftsguts, absetzen dürfe. Die bisher in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen führten in den Jahren 1960 bis 1977 zu einem Ausfall an normaler AfA. Der Ausfall an normaler AfA sei bei der relativ kurzen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Geräte und Fahrzeuge in den ersten Jahren nach Beendigung der Sonderabschreibungen am größten. Ein Erwerber von Gesellschaftsanteilen würde deshalb bei Bemessung des Kaufpreises ihr Vermögen um die vorübergehend ersparten Steuern - ggf. unter Berücksichtigung einer angemessenen Abzinsung - mindern und nur die Ertragsaussichten vergüten, die sich bei Vornahme normaler Abschreibungen ergeben würden. Zur Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile sei daher der Einheitswert des Betriebsvermögens um die künftige ertragsteuerliche Belastung zu kürzen (= abgezinste 60 %ige ertragsteuerliche Belastung der in den Jahren 1960 bis 1977 ausfallenden normalen AfA). Bei Schätzung der Ertragsaussichten seien außerdem die um die Sonderabschreibungen erhöhten Betriebsergebnisse der Jahre 1957 bis 1959 um die auf die Sonderabschreibungen entfallenden Ertragsteuern und um die in den Jahren 1957 bis 1959 vorweggenommenen AfA abzüglich der darauf ruhenden Ertragsteuern zu kürzen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen

Die Revision ist nicht begründet.

I.

GmbH-Anteile sind nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BewG in der vor dem BewG 1965 gültigen Fassung mit dem gemeinen Wert festzusetzen. Läßt sich der gemeine Wert - wie im Streitfall - nicht aus Verkäufen ableiten, so ist er nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. Zur Schätzung des gemeinen Werts hat die Finanzverwaltung das sogenannte Stuttgarter Verfahren entwickelt (Abschn. 76 ff. VStR 1960). Nach ihm hat das FA auch im Streitfall den gemeinen Wert der Anteile der Steuerpflichtigen ermittelt. Diese Richtlinien sind ebenso wie die früheren Anweisungen in den Richtlinien zur Bewertung nicht notierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften (AntBewR) 1953 und 1957 vom erkennenden Senat stets als ein wertvolles und die Einheitlichkeit der Bewertung gewährleistendes Hilfsmittel zur Feststellung des gemeinen Werts von nichtnotierten Aktien und Anteilen anerkannt worden (vgl. Urteile des Senats III 396/58 S vom 19. Dezember 1960, BFH 72, 241, BStBl III 1961, 92; III 261/59 U vom 6. April 1962, BFH 74, 682, BStBl III 1962, 253, und III 263/63, a. a. O.).

Die Steuerpflichtige hat im Streitfall Sonderabschreibungen nach dem Zonengrenzlandförderungsprogramm in Anspruch genommen. Nach den hierzu auf Empfehlung des BdF ergangenen Billigkeitserlassen der Finanzbehörden der Länder können Betriebe im Zonengrenzbereich für neu angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den beiden folgenden Jahren Sonderabschreibungen neben der normalen AfA geltend machen. Ab dem vierten Jahr ist nur noch eine normale Abschreibung nach § 7 EStG in gleichen Jahresbeträgen von dem dann noch vorhandenen Buchwert, verteilt auf die Restnutzungsdauer des Wirtschaftsguts, zulässig (vgl. im einzelnen Hartmann, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 3 S. 2553 ff. [2558 bis 2562]). Die Sonderabschreibungen führen in den Jahren, in denen sie geltend gemacht werden, im allgemeinen zu einer Ersparnis von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, da das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen und der Gewerbeertrag um diese Abschreibungen gemindert werden. Dieser Vorteil geht aber in den folgenden Jahren, wie die Steuerpflichtige zutreffend ausführt, dadurch wieder verloren, daß die Anlagegüter in der Folgezeit nicht mehr mit dem Betrag abgeschrieben werden können, der dem tatsächlichen Wertverzehr der Wirtschaftsgüter entspricht, da die Sonderabschreibungen in den ersten drei Jahren die laufenden Abschreibungen der Folgejahre zum erheblichen Teil vorweggenommen haben. Die durch die Sonderabschreibungen gebildeten "stillen Reserven", d. h. die Unterschiede zwischen den tatsächlichen Werten und den durch die Sonderabschreibungen gesunkenen Buchwerten, lösen sich mithin bis zum Ende der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts auf und erhöhen um diesen Betrag das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen und den Gewerbeertrag.

II.

Die künftige ertragsteuerliche Belastung kann jedoch auch bei Sonderabschreibungen nicht im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens berücksichtigt werden. Sie kann nach der zutreffenden Beurteilung des FG weder zu einer Minderung des Vermögenswerts noch zu einer niedrigeren Schätzung der Ertragsaussichten der Gesellschaft führen.

Das FA ist im Streitfall zur Berechnung des Gesamtvermögens zutreffend nach Abschn. 77 Abs. 1 Satz 2 VStR 1960 vom Einheitswert des Betriebsvermögens der Steuerpflichtigen auf den 1. Januar 1960 ausgegangen. Im Einheitswert waren die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ohne Rücksicht auf die bilanzmäßigen Sonderabschreibungen mit dem Teilwert erfaßt. Bei der Ermittlung des Teilwerts können nach ständiger Rechtsprechung des Senats künftige ertragsteuerliche Belastungen, wie sie insbesondere in den Fällen der §§ 7c, 7d und 7f EStG und bei der Bildung von stillen Reserven auf Grund der Bewertungsfreiheit nach §§ 6 Abs. 2, 7a und 7e EStG und der erhöhten Abschreibungen nach § 7b EStG entstehen können, nicht berücksichtigt werden (vgl. Urteile des Senats III 133/55 und 134/55 S vom 26. August 1955, BFH 61, 207, BStBl III 1955, 278; III 390/58 U vom 22. April 1960, BFH 71, 103, BStBl III 1960, 288; III 94/61 U vom 30. April 1965, BFH 82, 425, BStBl III 1965, 402); denn sie stehen nicht in einem so engen Zusammenhang zu den Wirtschaftsgütern, daß sie als deren immanenter Bestandteil anzusehen sind. So ist insbesondere der Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter nicht mit einem bestimmten Steuerbetrag belastet.

Die Höhe der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer richtet sich im wesentlichen nach dem von der Gesellschaft im Kalenderjahr bezogenen Einkommen. Das künftige Einkommen wird nicht allein durch die Minderung der AfA-Beträge wegen bereits in Anspruch genommener Sonderabschreibungen, sondern noch durch viele andere Faktoren beeinflußt. Das ist auch bei der künftigen ertragsteuerlichen Belastung wegen Auflösung stiller Reserven, die durch Sonderabschreibungen nach dem Zonengrenzlandförderungsprogramm gebildet wurden, zu beachten. Hierfür konnte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auch kein Schuldposten abgezogen werden. Denn § 53a BewDV gestattet bei laufend veranlagten Steuern nur den Abzug der Steuerschulden, die spätestens zum Feststellungszeitpunkt oder zum Veranlagungszeitpunkt entstanden und fällig geworden sind oder die - bei späterer Fälligkeit - für einen Zeitraum erhoben werden, der spätestens zu diesen Stichtagen geendet hat.

Der Einheitswert des Betriebsvermögens ist bei der Anteilsbewertung im gewissen Umfang zu korrigieren. So sind nach Abschn. 77 Abs. 1 und 4 VStR 1960 die nach §§ 59 und 60 BewG bei der Einheitsbewertung außer Betracht gebliebenen Wirtschaftsgüter dem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzuzurechnen und die mit ihnen zusammenhängenden Schulden sowie die Vermögensabgabe und ggf. auch Pensionsrückstellungen abzuziehen. Auch sind Wertansätze, die im erheblichen Umfang von den tatsächlichen Werten abweichen, nach Maßgabe des Abschn. 77 Abs. 2 und 3 VStR 1960 zu berichtigen. Diese Korrekturen sind erforderlich, um das gesamte Vermögen der Gesellschaft gemäß dem Urteil des Senats III 263/63 (a. a. O.) möglichst mit seinem tatsächlichen Wert zu erfassen. Andererseits ist jedoch zu beachten, daß der Begriff "Gesamtvermögen" im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG bei der Anteilsbewertung grundsätzlich nicht anders verstanden werden kann als der Begriff "Gesamtvermögen" in § 73 Abs. 1 BewG. Das "Gesamtvermögen" umfaßt nach dieser Vorschrift den Wert des gesamten Vermögens der Gesellschaft, d. h. die Summe aller Wirtschaftsgüter im Sinne des Bewertungsrechts, die im Bewertungszeitpunkt zum Vermögen der Gesellschaft gehören. Von diesem Begriff ist auch bei der Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren auszugehen. Das Gesamtvermögen im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG weicht nur insoweit vom Gesamtvermögen nach § 73 BewG ab, als die Wirtschaftsgüter, die offensichtlich unterbewertet sind, mit dem Teilwert angesetzt werden. Es umfaßt außerdem - entgegen der Regelung des § 73 Abs. 2 BewG - auch die Wirtschaftsgüter, die nach den Vorschriften des VStG oder anderer Gesetze von der Vermögensteuer befreit sind und die damit im Zusammenhang stehenden Schulden. Vermögenswerte, die keine "Wirtschaftsgüter" sind, weil sie nach den Vorschriften des BewG nicht selbständig bewertungsfähig sind, sind daher bei der Anteilsbewertung nicht zu erfassen. Dies gilt auch für Rückstellungen in der Handels- oder Steuerbilanz, die bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht als Schulden anzuerkennen sind. Auf die VStR in Abschn. 77 Abs. 2 Satz 3, die den Abzug dieser Rückstellungen zulassen, braucht hier nicht eingegangen zu werden.

Künftige ertragsteuerliche Belastungen wegen Auflösung der durch Sonderabschreibungen gebildeten stillen Reserven können nach diesen Grundsätzen ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Sie sind auch bei der Anteilsbewertung nicht als Eigenschaft der durch Sonderabschreibungen begünstigten Wirtschaftsgüter anzusehen. Der Ansatz eines Schuldpostens ist gleichfalls unzulässig. Künftig erst entstehende Zahlungspflichten aus laufend veranlagten Steuern sind nach der eindeutigen Regelung in §§ 62 Abs. 1, 74 BewG in Verbindung mit § 53a BewDV noch keine am Stichtag bestehende wirtschaftliche Belastung, die bei der Ermittlung des Gesamtvermögens als Schuld abgezogen werden kann.

Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften würde gegen das auch bei der Anteilsbewertung zu beachtende Stichtagsprinzip des Bewertungsrechts verstoßen. Der gemeine Wert der Gesellschaftsanteile ist nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BewG für die Zwecke der Vermögensbesteuerung auf einen bestimmten Feststellungszeitpunkt zu ermitteln. Er kann daher nur unter Berücksichtigung des zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Vermögens und der in diesem Augenblick bestehenden Ertragsaussichten der Gesellschaft geschätzt werden. Hiervon gehen offensichtlich auch die VStR 1960 aus; denn sie lassen künftige ertragsteuerliche Belastungen wegen Auflösung der durch Sonderabschreibungen gebildeten stillen Reserven nicht zum Abzug zu. Bedenklich ist es allerdings, daß Abschn. 77 Abs. 4 Satz 3 VStR 1960 die Berücksichtigung künftig entstehender Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer bei Darlehen nach §§ 7c, 7d Abs. 2 und 7f EStG gestattet, die vor dem 1. Januar 1955 hingegeben wurden. Auf diese Sondertatbestände kann sich die Steuerpflichtige jedoch keinesfalls berufen, da sie bei ihr nicht vorliegen. Der Senat braucht daher hier zum Abzug solcher Belastungen nicht Stellung zu nehmen; die Gerichte sind jedenfalls an diese Verwaltungsanweisung nicht gebunden.

Diese bewertungsrechtlichen Grundsätze werden nicht dadurch in Frage gestellt, daß künftige ertragsteuerliche Belastungen teilweise oder sogar überwiegend in die betriebswirtschaftlich-kaufmännische Unternehmensbewertung einbezogen und im Einzelfall u. U. bei der Bemessung des Kaufpreises von Gesellschaftsanteilen mitberücksichtigt werden. Das sog. Stuttgarter Verfahren ist von der Finanzverwaltung entwickelt worden, damit die FÄ den gemeinen Wert von Gesellschaftsanteilen einheitlich für alle Gesellschaften nach einfachen und überschaubaren Faktoren ermitteln können. Betriebswirtschaftliche Gutachten zur Unternehmensbewertung bieten demgegenüber keine sichere Grundlage für eine einheitliche Wertermittlung, da die Methoden der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung oft erheblich voneinander abweichen und zu großen Wertunterschieden führen können. Das Stuttgarter Verfahren ist zwar ein grobes, aber für alle Unternehmen gleiches Schätzungsverfahren, das der Durchführung einer Massenbewertung für steuerliche Zwecke gerecht wird. Aus Gründen der Praktikabilität muß auf Überlegungen, die ein Sachverständiger bei einer Individualbewertung aller Wirtschaftsgüter des Gesamtvermögens anstellen würde, verzichtet werden. So sind nach Abschn. 77 Abs. 2 VStR 1960 die Wertansätze nur dann den tatsächlichen Werten anzugleichen, wenn die Korrekturen insgesamt mehr als etwa 10 % des Gesamtvermögens ausmachen. Betriebsgrundstücke sind nach Abschn. 77 Abs. 3 VStR 1960 grundsätzlich nur mit den Buchwerten oder dem doppelten Einheitswertbetrag anzusetzen. Der hiernach ermittelte Wert des Gesamtvermögens kann nur ein Annäherungswert sein; gewisse Unebenheiten und Härten müssen nach den zutreffenden Ausführungen des FG im Einzelfall hingenommen werden. Berücksichtigte man nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen die künftige ertragsteuerliche Belastung wegen Auflösung der durch Sonderabschreibungen gebildeten stillen Reserven, so müßte z. B. die mehr oder minder sichere Aussicht auf künftige Erträge aus schwebenden Geschäften ebenfalls in die Bewertung des Gesamtvermögens einbezogen werden; denn sie kann für den Wert der Anteile eine ebenso große Bedeutung haben, wie die künftige ertragsteuerliche Belastung des Unternehmens.

III.

Die künftige ertragsteuerliche Belastung wegen Auflösung der durch die Sonderabschreibungen gebildeten stillen Reserven kann auch bei Schätzung der Ertragsaussichten nicht berücksichtigt werden.

Die Ertragsaussichten richten sich nach dem künftigen ausschüttungsfähigen Ertrag (Urteil des Senats III 396/58 S, a. a. O.). Da eine freie Schätzung des Ertrages zu großen Schwierigkeiten führen würde, sind die Ertragsaussichten der Gesellschaft zum 1. Januar 1960 nach Abschn. 78 Abs. 1 VStR 1960 aus dem Durchschnitt der Erträge der Jahre 1957, 1958 und 1959 abzuleiten. Diese Erträge hat das FA auch im Streitfall der Schätzung zugrunde gelegt. Es hat dabei zu Recht das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen der Jahre 1957 bis 1959 nach Abschn. 78 Abs. 1 Sätze 2 und 3 und Satz 6 Nr. 2 VStR 1960 um die nicht abzugsfähigen Spenden und die veranlagten Personensteuern gemindert, da diese Beträge nicht zur Ausschüttung an die Gesellschafter zur Verfügung standen. Es hat auch zutreffend die nach dem Zonengrenzlandförderungsprogramm in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen nach Abschn. 78 Satz 6 Nr. 1 VStR 1960 dem körperschaftsteuerpflichtigen Einkommen hinzugerechnet, weil die Sonderabschreibungen - wirtschaftlich gesehen - den ausschüttungsfähigen Ertrag nicht geschmälert haben.

Den sich hiernach ergebenden Durchschnittsertrag der Jahre 1957 bis 1959 konnten FA und FG als den nach Abschn. 78 Abs. 2 VStR 1960 auch in Zukunft erzielbaren Ertrag ansehen. Wie der Senat im Urteil III 263/63 (a. a. O.) betont hat, geht die Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren in der Regel von der Annahme aus, daß der Betrieb im wirtschaftlich gleichen Umfang fortgeführt wird. Die Annahme gleicher wirtschaftlicher Verhältnisse rechtfertigt im allgemeinen den Schluß, daß sich auch die Ertragslage der Gesellschaft in den nächsten Jahren nicht wesentlich ändern wird. Dies ist zwar eine recht grobe Schätzung. Sie muß jedoch in Kauf genommen werden, da das FA die Vielzahl der Umstände, die im Einzelfall den künftigen Ertrag beeinflussen können, im allgemeinen weder übersehen noch in ihrer Bedeutung gegeneinander abwägen kann. Eine andere Schätzung kann nur dann geboten sein, wenn es nach den Verhältnissen des Feststellungszeitpunkts offensichtlich ist, daß in Zukunft ein erheblich niedrigerer oder höherer Ertrag zu erwarten ist. Im übrigen reicht der stets bereits großzügig gewährte Abschlag von 30 v. H. gemäß Abschn. 78 Abs. 3 VStR 1960 aus, um die Ertragsaussichten auf den ausschüttungsfähigen Ertrag zu mindern.

Die Auflösung der durch Sonderabschreibungen gebildeten stillen Reserven ist nur ein Faktor von vielen, die den künftigen Ertrag bestimmen. Sie rechtfertigt keine Abweichung von dem in den letzten drei Jahren erzielten Durchschnittsertrag. Solche buchungstechnischen Vorgänge können in jedem Betrieb anfallen. Sie beeinflussen das künftige körperschaftsteuerpflichtige Einkommen in gleicher Weise wie andere, im Betrieb übliche Geschäftsvorfälle. Die ertragsmindernde Wirkung des Verlustes an normaler AfA wird bei Fortführung des Betriebes im bisherigen Umfang in der Regel wirtschaftlich schon dadurch wieder aufgefangen, daß die Gesellschaft in den folgenden Jahren für bereits vorhandene oder neu angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter ebenfalls Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen kann Diese Vermutung trifft insbesondere auf den Streitfall zu. Die Steuerpflichtige hat in den vergangenen Jahren die Sonderabschreibungen vor allem bei den Geräten und Fahrzeugen vorgenommen, deren betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer meist vier Jahre nicht überschreitet. Wird der Betrieb im gleichen Umfang wie bisher weitergeführt, so muß die Steuerpflichtige auch künftig den schnellen Verschleiß ihrer Geräte und Fahrzeuge durch ständige Neuanschaffungen ausgleichen. Für die Anschaffungen stehen ihr dann wiederum Sonderabschreibungen nach dem Zonengrenzlandförderungsprogramm zu. Durch sie wird die künftige ertragsteuerliche Belastung wegen Auflösung der in den Vorjahren angesammelten stillen Reserven voraussichtlich im vollen Umfang wieder aufgezehrt.

Das Gesamtvermögen zum 1. Januar 1960 und der nach Abschn. 78 VStR 1960 zu ermittelnde Durchschnittsertrag der Jahre 1957 bis 1959 kann auch nicht um die durch Sonderabschreibungen in der Vergangenheit ersparte Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer ermäßigt werden. Denn die Steuerersparnis hat tatsächlich zu einer echten Verstärkung des Betriebskapitals geführt und den ausschüttungsfähigen Ertrag der Jahre 1957 bis 1959 vermehrt. Diese Umstände können bei der Schätzung des gemeinen Werts der Gesellschaftsanteile nicht so behandelt werden, als ob sie nicht vorhanden wären. Die Steuerpflichtige wird hierdurch gegenüber anderen, nicht im Zonengrenzgebiet liegenden Betrieben auch nicht ungerechtfertigt benachteiligt. Der bei einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen erzielbare Preis wird sich im normalen Geschäftsverkehr stets nach dem im Veräußerungszeitpunkt vorhandenen Gesamtvermögen der Gesellschaft richten, selbst wenn sich das Vermögen durch Steuervergünstigungen vermehrt hat. Für die Bemessung des Kaufpreises wird die Aussicht auf künftige Steuerersparnisse durch weitere Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach dem Zonengrenzlandförderungsprogramm ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen. Ein Abzug von ersparten Ertragsteuern ist im übrigen auch in den VStR 1960 nicht vorgesehen. Die Verwaltungsanweisungen ließen früher zwar (so z. B. in Abschn. 4 Abs. 1 Nr. 2 AntBewR 1957) bei Ermittlung des Durchschnittsertrages den Abzug der Körperschaftsteuer zu, die auf das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen entfallen wäre, wenn Sonderabschreibungen nicht geltend gemacht worden wären. Diese Regelung wurde jedoch in Abschn. 78 VStR 1960 nicht übernommen.

Das Urteil des FG entspricht daher der Auffassung des Senats. Die Revision der Steuerpflichtigen ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 370

BFHE 1969, 266

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